Hans-Heinrich Dieter

60 Jahre NATO   (02.07.2015)

 

Deutschland ist seit 60 Jahren Mitglied im westlichen Verteidigungsbündnis NATO. Das ist ein echter Grund zum Feiern, wenn man bedenkt, welche Rolle die deutsche Mitgliedschaft für die Integration unseres Landes in die westliche Welt gespielt und welche Bedeutung das Bündnis für die Erhaltung des Friedens zu Zeiten des Kalten Krieges gehabt hat.

Das ist natürlich auch ein Grund für Festreden in Berlin. Verteidigungsministerin von der Leyen bekennt sich zu dem vereinbarten Ziel der NATO-Mitglieder, jeweils zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung aufzuwenden: "Diesem Anspruch stellen wir uns, Sicherheit braucht Investitionen." Auch Außenminister Steinmeier befürwortet höhere Verteidigungsausgaben, weist aber ausdrücklich auf die Haushaltskonsolidierung hin. Der beim Festakt anwesende NATO-Generalsekretär wird genau hingehört haben und Deutschland immer wieder beim Wort nehmen.

Denn was gut klingt, muss noch nicht viel bewirken. Tatsächlich sollen bis 2019 die deutschen Verteidigungsausgaben von nur 33 auf 35 Milliarden Euro erhöht werden. Das ist keine Erhöhung auf der Grundlage einer Analyse des sicherheitspolitischen Bedarfs, sondern ein Zugeständnis des Finanzministers angesichts seiner Kassenlage. Zwei Prozent vom deutschen BIP sind derzeit 58 Milliarden, ob Deutschland jemals diese Summe für die Sicherheit in Europa und der Welt aufwenden wird, ist aus heutiger Sicht und angesichts der wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung des Landes nicht sehr wahrscheinlich. Wenn Frau von der Leyen also öffentlich sagt: "Diesem Anspruch stellen wir uns, Sicherheit braucht Investitionen.", dann meint sie wahrscheinlich, dass die Zeit von "Friedensdividenden" und der jahrelangen Unterfinanzierung der deutschen Streitkräfte beendet werden soll.

Das ist auch dringend erdorderlich, denn die jahrelange Unterfinanzierung der Bundeswehr hat zu erheblichen Fähigkeitsdefiziten geführt. Die ins Auge gefassten geringfügigen Steigerungen des Wehretats bis 2019 werden daher lediglich die hohlen Strukturen allmählich füllen, die Mangelverwaltung beenden, unsinnige Konzepte wie das dynamische Verfügbarkeitsmanagement für Großgerät des Heeres unnötig machen, die Befähigung zur Landes- und Bündnisverteidigung langfristig steigern, die teilweise unzumutbaren Unterkünfte sanieren helfen, die Materialerhaltung gewährleisten und die Attraktivität der Bundeswehr für den dringend benötigten und qualitativ hinreichenden Nachwuchs steigern können. Oder mit anderen Worten: Die Mängel in der Einsatzfähigkeit der Streitkräfte, die auf jahrelange Unterfinanzierung zurückzuführen sind, können einigermaßen beseitigt werden, mehr nicht.

Von Deutschland wird aber durch unsere NATO-Partner und auch von EU-Mitgliedern weit mehr gefordert. Deutschland soll, gerade auch wegen der russischen Aggression gegen die Ukraine, nach Auffassung unserer Partner mehr sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen, das heißt entsprechend seiner Wirtschaftskraft und Bedeutung als Mittelmacht in Europa mehr Geld für Verteidigung ausgeben und so auch kleineren NATO-Ländern verlässlich zur Seite stehen können. Deutschland wird keine Kultur der sicherheitspolitischen Zurückhaltung mehr zugestanden, sondern von Deutschland wird sicherheitspolitische Leistungsfähigkeit und Verlässlichkeit erwartet. Die sind zum Spartarif nicht zu haben - und auch nicht mit einer Bevölkerung, die sich mehrheitlich naiven und egoistischen pazifistischen Gefühlen hingibt.

Die Finanzierung deutscher Streitkräfte eher nach Kassenlage des Finanzministers als nach sicherheitspolitischem Bedarf wird zukünftig nicht reichen, wenn ein gewichtiges und verantwortungsbewusstes NATO-Mitglied Deutschland außen- und sicherheitspolitisch ein ernst zu nehmender und vertrauenswürdiger Akteur in Europa und der Welt bleiben, beziehungsweise werden will.

(02.07.2015)

 

 

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