Hans-Heinrich Dieter

Ärgerlich und traurig zugleich (16.03.2011)

 

Deutsche Politiker schwören, dass sie das Wohl des deutschen Volkes mehren wollen. Das traut den meisten Politikern kaum ein politisch gebildeter Bürger noch zu, das ist ärgerlich. Auch die Bauchwähler haben in sehr großer Zahl das Vertrauen verloren, Politikverdruss, und noch ausgeprägter Politikerverdruss, sind bundesdeutsche Realität. Das ist traurig aber begründet.

Wir erleben gerade eine Katastrophe in Japan und ein ärgerliches Trauerspiel in Deutschland.

Wir beobachten auf der Grundlage von dürftigen Fakten und Informationen unermessliches Leid in Japan. Deutsche Oppositions-Politiker sind sich nicht zu schade, dieses noch nicht fassbare Leid ohne erkennbares Mitleid schamlos für parteipolitische Ziele zu nutzen und sie werden dabei durch interessierte Medien opportunistisch unterstützt. Die sonst qualitativ stimmige Sendung "Information am Morgen" des meinungsbestimmenden Deutschlandfunks müsste man besonders in diesen Tagen "Politische Beeinflussung am Morgen" nennen.

Die Medien schüren - quasi der Opposition zu Willen - massiv Angst und treffen bei großen Teilen der deutschen Bevölkerung auf begierige Kunden. Nichts ist so schön wie schlechte Nachrichten und über nichts kann man sich so gut - nach dem Wetter - unterhalten wie über die jeweiligen Gefühle, Mutmaßungen, Spekulationen und Horrorszenarien, die weit weg sind vom eigenen Gartenzwerg.

Ein Beispiel: Der unabhängige Generalanzeiger Bonn berichtet seit dem 12.03.2011 wie alle anderen Zeitungen reißerisch und wenig informativ über die Katastrophe in Japan. Natürlich stehen nicht die schwer vorstellbaren Zerstörungen des Erdbebens mit für uns nicht vorstellbarer Stärke und der dadurch bewirkte Tsunami im Mittelpunkt, sondern der Störfall im Kernkraftwerk Fukushima. Nach den Medienberichten ist die Kernschmelze schon mehrfach passiert, mehr oder weniger. In der Realität weniger, denn es ist diesbezüglich noch nichts Konkretes geschehen. Am 15.03. lautet die Überschrift: "Japan im Kampf gegen den Super-GAU". Journalisten werden hauptsächlich für den richtigen Gebrauch deutscher Sprache bezahlt, wir haben weder einen GAU erlebt, geschweige denn einen Super-GAU, der Zustand Tschernobyl ist noch lange nicht erreicht. Am 16.03.2011 heißt es "Katastrophe in Japan: Angst vor dem Super-GAU". Dieses Dementi des "existierenden Super-GAU" fällt nicht auf, denn sonst müsste es ja heißen "Angst aufgrund des Super-GAU"s. Das Blatt schreibt weiter: "Radioaktive Wolken bedrohen die Mega-Metropole Tokio. Der Unglücksreaktor Fukushima scheint außer Kontrolle". Am 16.03. 2011 wird durch andere Quellen gemeldet, dass die Strahlenbelastung in Tokio verschwindend gering ist, es sind noch 50 Mitarbeiter im Kernkraftwerk im Einsatz, es werden Stromleitungen gelegt und Straßen gebaut, um Hilfsmaßnahmen möglich zu machen, und es wird aus der Luft gekühlt. Kurz: das Geschehen vor Ort entspricht nicht den absichtsvollen Schlagzeilen. Sie werden sich sicher fragen, warum ich als Beispiel eine so nachgeordnete Zeitung anführe. Ich lebe nun mal im Rhein-Sieg-Kreis und ärgere mich tagtäglich über dieses provinzielle Blatt.

Medien sind stark quotenabhängig, und da will natürlich bei der Verbreitung von gezielten, möglicherweise auch gewollt oppositionsförderlichen Horrorszenarien jeder der Beste sein. Der Bonner Generalanzeiger wird in jeder Hinsicht provinzielles Mittelmaß bleiben.

Besonders ärgerlich allerdings ist es, wenn die schwarz-gelbe Regierung in eine solche von angstschürender Opposition und willfährigen Medien gestellte Falle tappt. Kanzlerin Merkel, im Einklang mit dem Vizekanzler, reagiert wahlkampfbedingt ungewohnt schnell und fällt dementsprechend schnell in diese vergiftete Falle.

Deutschland ist nicht betroffen. Die sehr hohen Sicherheitsstandards deutscher Kernkraftwerke, der ökonomische Bedarf für den Industriestandort Deutschland und die ökologischen Vorteile der Kernenergie im Hinblick auf Klimaschutz waren Grundlage für das Gesetz zur Verlängerung der Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke. Die Lage deutscher AKW hat sich seitdem und auch durch den Störfall in Japan nicht geändert. Wenn die gesetzgeberische Entscheidung im Herbst 2010 richtig war, dann ist sie auch heute noch richtig. Es gibt für uns in einer völlig anderen geographischen Lage als Japan keinen plausiblen Grund - ausgenommen die als Restrisiko schon zugrunde gelegte unglückliche Verkettung nicht vorherbarer Umstände - nun Moratorien ohne Parlamentsbeteiligung zu beschließen und den Ländern quasi freie Hand zu lassen, dem ängstlichen bis hysterischen Bauchgefühl eines lautstarken Teils der Bevölkerung willfährig zu entsprechen. Wie glaubwürdig sind Politiker, die ohne wirklichen Grund und ohne dass eine Analyse der als Begründung angeführten Ereignisse hätte angestellt werden können, weitreichende Eingriffe in von ihnen selbst gesetzlich festgelegte ökonomische Notwendigkeiten vornehmen? Wir wünschen uns Staatsmänner und -frauen, die sich mit perspektivischer, langfristig angelegter Politik, von Tagespolitik, Wahlkampftiraden und wenig repräsentativen Umfrageergebnissen unbeeinflusst und unabhängig dem Wohl des deutschen Volkes verpflichtet fühlen. Zumindest ich bin sehr enttäuscht.

Ein EU-Gipfel jagt den nächsten. Wir wissen, dass wir uns inzwischen ohne europäischen Konsens in der global organisierten und funktionierenden Welt nicht positiv entwickeln können. Welches Vertrauen können wir dann zu Politikern entwickeln, die ohne erkennbaren rationalen Grund - außer anstehenden wichtigen Landtagswahlen - die energiepolitische europäische Realität völlig außer Acht lassen. Die europäischen Nachbarn um uns herum denken nicht daran, ihre atomenergieorientierte Politik zu ändern. Die benachbarte Bevölkerung ist weit davon entfernt, "German Angst" und Anti-Atom-Hysterie nachahmen zu wollen. Die benachbarte Bevölkerung wird sich eher freuen über die sich abzeichnenden Wettbewerbsnachteile der deutschen Wirtschaft, sie werden beobachten, wie die Inflationsrate in Deutschland aufgrund deutlich höherer Energiekosten steigt, sie werden sich über zusätzliche Einnahmen freuen, wenn Deutschland ihren dann teuer angebotenen Strom kaufen muss, um Lücken zu schließen und sie werden sich ganz einfach freuen, dass sie weniger hysterisch sowie ein bisschen schlauer sind und realistischer denken als die "ängstlich gewordenen Hunnen".

Kanzlerin Merkel ist keine Anfängerin. Der Bürger, der gerne Vertrauen in Politiker hätte, fragt sich aber, ob denn die hektischen Maßnahmen wirklich durchdacht waren. Hat Frau Merkel bedacht, dass die Opposition das dreimonatige Moratorium natürlich als unzureichend und schnöde wahlkampforientiert geißeln wird? Ist der Kanzlerin klar, dass eine solche unplausible ad-hoc-Maßnahme das Vertrauen politisch gebildeter Bürger und der Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigt? Wann sagt die Kanzlerin offen und ehrlich, dass wir auf die Nutzung der Kernenergie aus wirtschaftlichen und Energieversorgungsgründen noch mindestens zehn Jahre angewiesen sind und was es den Bürger real kosten wird, wenn wir früher als jetzt geplant auf die Nutzung der Kernenergie verzichten? Kann die Kanzlerin nachvollziehen, dass eine solche in Europa isolierte Energiepolitik sowohl das Sicherheitsbedürfnis der deutschen Bevölkerung objektiv nicht befriedigen kann, noch ökonomisch wie auch ökologisch dem Wohle des deutschen Volkes dient?

Die Falle war von der Opposition gut gestellt und von interessierten Medien fantasievoll vergiftet. Die Regierung ist wahlkampforientiert hineingefallen und hat sich damit keinen Gefallen getan.

Die anstehenden Landtagswahlen werden das leider dokumentieren. Das ist sehr ärgerlich und traurig für die Zukunft Deutschlands zugleich.

(16.03.2011)

 

nach oben

 

zurück zur Seite Kommentare