Hans-Heinrich Dieter

Angstbeißer   (07.04.2015)

 

"Die politischen Eckpunkte, auf die wir uns verständigt haben, bieten die Grundlage, einen iranischen Weg zu Atomwaffen wirksam, nachhaltig und nachprüfbar auszuschließen. Das ist das Ziel, das wir uns gesteckt haben. Das ist der Maßstab, an dem sich jede Vereinbarung messen lassen muss. Wir sind überzeugt, dass wir das mit den Lausanner Vereinbarungen erreichen können." So beurteilt der deutsche Außenminister die vorläufigen Eckpunkte von Lausanne, die Grundlage sein sollen für ein bis Ende Juni mit dem Iran zu verhandelndes endgültiges Atomabkommen. Das sehen israelische Politiker anders.

Die Tinte unter den "Eckpunkten" war noch nicht ganz trocken, da legte Ministerpräsident Netanjahu auch schon mit geballter Polemik los. Das Abkommen von Lausanne werde Israels Existenz bedrohen, poltert er und es bedeute auch eine Gefahr für die Region und für die Welt. Und er fügt hinzu, der Iran verstärke die Bewaffnung seiner terroristischen Ableger im Nahen Osten, und zwar mit dem Ziel, Israel anzugreifen. Das Abkommen legitimiere das Atomprogramm Irans, und es werde die iranische Wirtschaft stärken. Die Einigung blockiere den Weg Irans zur Atombombe nicht, sondern es ebne den Weg dorthin. Er spricht von einem "Traum-Deal für den Iran und Albtraum-Deal für die Welt" und behauptet besonders dreist: "Die Achse Iran-Lausanne-Jemen ist gefährlich für die Menschheit, und sie muss gestoppt werden."

Das ist deswegen dreist, weil Netanjahu seinem engsten und treuesten Verbündeten, den USA, unterstellt, dass sie einen Vetrag unterzeichnen würden, von dem eine Bedrohung für Israel ausgeht. Die deutsche Kanzlerin hat öffentlich versichert, dass die Sicherheit Israels Teil deutscher Staatsräson ist und Netanjahu erfrecht sich zu behaupten, Deutschland würde daran mitwirken, dass die Existenz Israels gefährdet werde und würde sich "gefährlich für die Menschheit" verhalten. Diese vollkommen überzogene und unsachliche Kritik ist nicht nur dreist, sondern sie ist auch dumm, denn Israel verliert Freunde und steigert selbst seine schon heute starke Isolation in der internationalen Gemeinschaft.

Netanjahu ist in seiner Kritik auch nicht glaubwürdig, denn Israel hat keine vernünftige Alternative zu Vertragsverhandlungen mit dem Iran angeboten. Wenn der Iran etwa zwei Drittel seiner Uran-Zentrifugen kontrolliert abschaltet, über den Zeitraum von 25 Jahren einem internationalen Kontrollregime von Fachleuten unterworfen wird und im Gegenzug nur dann die Sanktionen aufgehoben werden, wenn die Kontrolleure feststellen, dass Teheran die Abmachungen einhält, dann ist weitaus mehr für eine friedliche Entwicklung im Mittleren Osten gewonnen, als mit der wiederholten israelischen Drohung die iranischen Atomanlagen zu bombardieren. Es wurde auch schon die für eine Atommacht wie Israel hochbrisante und fatale Möglichkeit eines israelischen Erstschlages in den Raum gestellt. Schlimm ist, dass der unvernünftige und auf geschürter sowie propagierter Angst fußende Anti-Iran-Kurs des israelischen Regierungschefs in Israel fast unumstritten ist. Dabei geht es eigentlich darum, dass der Iran wirtschaftlich schwach gehalten und im Ringen mit Saudi-Arabien um die regionale Vorherrschaft behindert werden soll, um Israels Machtausübung in der Region nicht zu gefährden. Mit solcher Politik und mit der Unterdrückung der Palästinenser zementiert Israel die Feindschaften im Nahen und Mittleren Osten, von denen die eigentliche Gefährdung für die Menschheit ausgeht.

Aber ohne den Iran wird es keine zukunftsorientierte Sicherheitsarchitektur im Nahen und Mittleren Osten geben. Der Hass, das Misstrauen und die Gegnerschaft zwischen Israelis, Arabern und Persern und der religiöse Antagonismus zwischen Schiiten und Sunniten müssen überwunden werden. Es muss zu vertrauensbildenden Maßnahmen kommen und ein endgültiges Atomabkommen, das verhindert, dass der Iran zur Atommacht wird, wäre dafür eine erste gute Grundlage.

Während Israel sich weiter isoliert, wird die weltweite Isolation des Iran gelockert werden und zu einem wirtschaftlichen Aufschwung Teherans führen, wenn die endgültigen Vereinbarungen eingehalten werden. Die arabische Welt wird eine gemeinsame Politik gegenüber dem Iran entwickeln müssen und zu entscheiden haben, ob sie mittelfristig eher die Konfrontation suchen oder einen konstruktiven Dialog beginnen will.

Und die höchst fragwürdige "Koalition" aus Gegnern der Atom-Vereinbarung mit dem Iran, die sunnitische Führungsmacht Saudi-Arabien mit der Allianz sunnitischer Staaten einerseits und Israel mit republikanischen Kongress-Abgeordneten andererseits, werden sich mit der Sache, an einer möglichst friedlichen Entwicklung orientiert, auseinandersetzen und entscheiden müssen, ob sie das "Terrormonster" Iran oder den "Islamischen Staat" für die größere Bedrohung im Nahen und Mittleren Osten sowie für die Welt halten.

Zur erfolgreichen Bekämpfung der sunnitischen Terrororganisation "Islamischer Staat" wird der schiitische Iran dringend gebraucht. Deswegen arbeiten die USA mit dem ehemaligen "Erzfeind Iran" schon heute zusammen. Diese Zusammenarbeit wird allerdings nur dann fruchtbar gestaltet werden können, wenn es zu einem wirklichen Dialog kommt und ein politischer Ausgleich gefunden wird. Sture und verbohrte "Angstbeißer" wie Netanjahu, die aus innenpolitischen Gründen am Status quo festhalten wollen und sich mit ihrer Siedlungspolitik als friedensunfähig erweisen, sollten politisch ignoriert werden, bis sie ihre Angstgefühle überwunden haben und zur Vernunft gekommen sind.

(07.04.2015)

 

 

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