Hans-Heinrich Dieter

Aufwachen!   (19.07.2014)

 

Ein Weckruf in der parlamentarischen Sommerpause verhallt schon mal im politischen Sommerloch. Der Abschuss/Absturz der malaysischen Zivilmaschine ĂŒber der Ost-Ukraine mit 298 Toten ist dafĂŒr allerdings zu aufrĂŒttelnd. Außerdem hat der gerne und gutglĂ€ubig als regional eingestufte Konflikt jetzt fĂŒr den letzten naiven westlichen Politiker eine schlimme internationale Dimension bekommen. Da fĂ€llt es dann zunehmend schwer, sich weiter vornehmlich in Leisetreterei bei offen gehaltener GesprĂ€chsatmosphĂ€re zu ergehen.

Denn auch in der westeuropĂ€ischen Welt gewinnt eine realistische EinschĂ€tzung, wer die Gefechte in der Ost-Ukraine mit Beratung, geschultem Personal, schweren Waffen und der dazugehörigen Munition in Gang hĂ€lt und so die Destabilisierung der Ukraine vorantreibt, langsam Raum. Ex-KGB-Agent Putin wird zunehmend als Triebfeder fĂŒr den osteuropĂ€ischen Kleinkrieg erkannt und trotz massiver Propaganda durchschaut. Man weiß inzwischen, dass der neo-sowjetische Kreml-König den Aufbau einer euroasiatischen Allianz unter russischer FĂŒhrung anstrebt und dafĂŒr bereit ist, das Völkerrecht zu brechen, die SouverĂ€nitĂ€t von Nachbarstaaten zu verletzen und sich so außerhalb der europĂ€ischen Partnerschaft zu stellen - auf Kosten des Friedens in Europa. Putin ist inzwischen unglaubwĂŒrdig.

Um die Ukraine von einer Westorientierung abzubringen, schreckt Putin vor politischer Erpressung, vor Gas-Krieg, vor wirtschaftlicher Nötigung und vor der verdeckten MilitĂ€rintervention in der Ost-Ukraine unter dem von der russischen Propaganda gehĂ€kelten MĂ€ntelchen eines Volksaufstandes russischsprachiger "Separatisten", die sich vor dem "Morden" durch ukrainische SicherheitskrĂ€fte und Nationalisten schĂŒtzen mĂŒssen. Es wird inzwischen als Tatsache erkannt, dass es ohne Putin die Gefechte im Abnutzungskrieg der Ost-Ukraine nicht gegeben hĂ€tte, und damit hĂ€tte es ohne Putin auch den Abschuss/Absturz der Zivilmaschine ĂŒber der Ost-Ukraine nicht gegeben. Putin ist nicht mehr vertrauenswĂŒrdig.

Die Reaktion Putins auf den Tod so vieler Unschuldiger ist an Zynismus, Dreistigkeit und Unverfrorenheit kaum zu ĂŒberbieten. Aus seiner Sicht ist Kiew fĂŒr die Katastrophe verantwortlich, denn "natĂŒrlich trĂ€gt der Staat, ĂŒber dessen Territorium sich das UnglĂŒck ereignet hat, die Verantwortung". Und das sagt der Politiker, der der Ukraine das Recht abspricht, auf ihrem Territorium legitime staatliche Gewalt zum Schutz ihrer BĂŒrger vor prorussischen Terroristen und Verbrechern sowie zur Wahrung der IntegritĂ€t der Ukraine anzuwenden und der alles tut, damit die IntegritĂ€t des Nachbarstaates beeintrĂ€chtigt wird und die prorussischen "Separatisten" mit mobilen Flugabwehrraketen die Möglichkeit haben, auch Flugzeuge in großer Höhe abzuschießen.

Und die Staaten der europĂ€ischen Union zeigen sich nicht entschlossen Putins Treiben Einhalt zu gebieten. Die Staats- und Regierungschefs der EU haben bei ihrem Treffen Ende Juni Russland ein "Ultimatum" gestellt: bis zum 30. Juni sollte Putin zur Entspannung und EntschĂ€rfung der Lage in der Ost-Ukraine beitragen, ansonsten sollten weitere "bedeutende" Sanktionen gegen Moskau verhĂ€ngt werden. Im einzelnen sind unverĂ€ndert gefordert: Die Freilassung weiterer OSZE-Beobachter, der Beginn von Verhandlungen ĂŒber den Friedensplan des ukrainischen PrĂ€sidenten Petro Poroschenko, die RĂŒckgabe von drei Grenzposten an die Ukraine und eine Einigung auf eine Kontrolle der Waffenruhe sowie der ukrainisch-russischen Grenze unter Aufsicht der OSZE. Das sind eindeutige Forderungen, an deren ErfĂŒllung der "Friedenswille" Putins gemessen werden kann. Lediglich OSZE-Beobachter sind freigekommen. Aber sonst sind keinerlei Zeichen dafĂŒr zu erkennen, dass Russland seinen internationalen Verpflichtungen nachkommt und wirklichen Friedenswillen in Taten umsetzt. Das hat bisher nicht zu den angekĂŒndigten Sanktionen seitens der EU gefĂŒhrt.

Die Freude, dass Putin bisher nicht offen einmarschiert ist, scheint die Bereitschaft westeuropĂ€ischer Politiker zu ĂŒberlagern, geeignete wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um dem ukrainischen Volk zu helfen. Dadurch, dass Putin nur verdeckt agiert, fĂŒhlt man sich nicht zum wirklichen Handeln gezwungen. Und Steinmeier hĂ€lt ja lieber die GesprĂ€chskanĂ€le offen wĂ€hrend Merkel öffentlichkeitswirksam - wie es scheint freundlich und respektvoll - mit Putin auf der brasilianischen FußballtribĂŒne plaudert und in den zahlreichen TelefongesprĂ€chen bisher fruchtlos zu Verhandlungen und Waffenruhe aufruft.

Putin hat bisher nichts unternommen, um die prorussischen Terroristen, Verbrecher, Söldner und Separatisten an den Verhandlungstisch zu bringen, gleichzeitig fordert Putin selbst heuchlerisch aber umso lautstÀrker Frieden und lÀsst seine Lakaien-Politiker wie Lawrow in europÀischen GesprÀchsrunden Propaganda verbreiten. Dem ist durch Streicheleinheiten und ZugestÀndnisse nicht zu begegnen. Die einzige Sprache, die Gewaltpolitiker vom Schlage Putins verstehen, sind schmerzhafte Sanktionen. Die USA sind bereit dazu. Und wenn die europÀischen demokratischen Staaten auf diesen Gewaltakt nicht angemessen reagieren, wird es weitere Opfer geben.

Wenn die russische Wirtschaft durch bedeutende Sanktionen weiter beeintrĂ€chtigt wird, dann wird Putin solche Maßnahmen irgendwann nicht mehr als "primitiv" bezeichnen wollen und seine verdeckte und heimtĂŒckische Invasion der Ost-Ukraine beenden. Erst dann werden Verhandlungen auf demokratisch zivilisierter Ebene erfolgreich sein können.

(19.07.2014)

 

 

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