Hans-Heinrich Dieter

Außenpolitik ohne Plan   (05.08.2019)

 

Bei Reden auf den Münchner Sicherheitskonferenzen singen deutsche Politiker gerne das hohe Lied gesteigerter deutscher sicherheitspolitischer Verantwortung in Europa und der Welt und wecken vor der Fach-Community entsprechend hohe Erwartungen, denen man allerdings nur mit intensiver politischer Arbeit und letztendlich angemessenen und vereinbarten finanziellen Anstrengungen entsprechen kann. Das regt dann auch in der deutschen Öffentlichkeit eine Debatte darüber an, nach welchen Kriterien Deutschland sich zukünftig - auch militärisch - in der Welt engagieren will. Dieser Diskurs ist angesichts der Qualität der deutschen Debattenkultur in der Regel wenig erfolgreich und aufgrund des deutschen sicherheitspolitischen Desinteresses auch nur von kurzer Dauer.

In der Folge ist eine zielgerichtete, erfolgsorientierte politische Arbeit nicht zu erkennen, von realen finanziellen Anstrengungen ganz zu schweigen! Deutschland hat immer noch nicht definiert, welches unsere vitalen Interessen, was unsere Ziele in der deutschen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik im europäischen und internationalen Rahmen sind, sowie welche Konzepte und Strategien dafür entwickelt werden müssen. Und dementsprechend sind die Instrumente deutscher Außen- und Sicherheitspolitik für eine gesteigerte weltweite Verantwortung noch nicht nutzbar und die politischen Rahmenbedingungen für ein verlässliches Engagement sind noch nicht geschaffen.

Deutschland weiß nicht, was es außen- und sicherheitspolitisch will. Die Bundeskanzlerin hat in der Außen- und Sicherheitspolitik die Richtlinien-kompetenz, weiß allerdings nicht, was sie außenpolitisch wirklich will - außer auf Sicht fahren und dabei sein, möglichst ohne unangenehm aufzufallen. Wie in der Flüchtlingspolitik ist Kanzlerin Merkel leider auch in anderen Politikfeldern planlos, konzeptionslos und kopflos. Die deutschen Außenminister agieren deswegen relativ freihändig, knüpfen fast ausschließlich nur Gesprächsfäden und erreichen trotz unendlich vieler Reisen nichts Substanzielles. Und da sie sich meist mit phrasenhaftem Diplomatensprech begnügen und außenpolitisch nichts Grundsätzliches von sich geben, bleiben sie unbedeutend. Das ist ein schlimmer Befund für eine europäische Mittelmacht, die sich in Sonntagsreden so viel vornimmt und von der so viel erwartet wird!

Und diese Problematik wird angesichts der sich zuspitzenden Lage in der Golfregion erneut deutlich. Zunächst hat Großbritannien eine europäische Militärmission zum Schutz europäischer Handelsschiffe in der Straße von Hormus, an der sich vornehmlich auch Deutschland und Frankreich beteiligen sollten, vorgeschlagen. Auch wenn Sommerpause ist, darf man dann in Deutschland eine intensive Diskussion – auch öffentlich – sowie eine schnelle eindeutige Reaktion erwarten. Dann hat es sich der neue Premier Johnson anders überlegt und festgestellt, dass eine solche Schutzmission unter der Führung der USA erfolgen müsse. Daraufhin hat der SPD-Außenminister Maas eine deutsche Beteiligung ausgeschlossen, weil er sich einer gefährlichen US-Strategie „maximalen Drucks“ gegenüber dem Iran nicht unterwerfen wollte. Das ist nachvollziehbar, denn wer will sich von einem erratisch handelnden und seinen Twitter-Gefühlen folgenden US-Präsidenten in einen Golfkrieg hineinziehen lassen? Nicht zu akzeptieren ist allerdings die deutsche sicherheitspolitische Kakophonie zum Thema. Der SPD-Außenminister vermittelt eher eine Verweigerungshaltung, der Sprecher des Auswärtigen Ausschusses Röttgen, CDU, plädiert für eine europäische Schutzmission mit deutscher Beteiligung, die noch neue Verteidigungsministerin äußert sich positiv aber unkonkret, nach allen Seiten offen, der Vizekanzler, SPD, weiß vielleicht nichts von seiner Zuständigkeit in Vertretung der Kanzlerin und die richtlinienkompetente Merkel wandert wortlos in Südtirol!

Dabei müsste die intensive Diskussion und politische Arbeit zur deutschen Beteiligung an einer europäischen Schutzmission für die europäische Handelsschifffahrt längst geführt werden, denn es geht ja nicht um eine Schutzmission irgendwann, sondern um eine schnell wirksame militärische Aktion, die dem Iran signalisieren soll, dass auch Europa es nicht zulässt, wenn europäische Handelsschiffe durch den Iran behindert oder beschlagnahmt werden. Und dem Iran muss gleichzeitig durch diplomatische Bemühungen deutlich gemacht werden, dass die europäischen Vertragspartner am Atomabkommen mit dem Iran festhalten wollen. Deswegen sollte Deutschland sich auch für eine europäisch geführte Schutzmission, möglichst unter Einschluss Großbritanniens, engagieren.

In Deutschland denken wir aber politisch leider noch nicht vorausschauend und verantwortungsbewusst in internationalen Krisenszenarios und wir müssen uns eingestehen, dass wir – angesichts der Einsatzfähigkeitslage der Marine - auch nur wenig anzubieten haben, was wir kurzfristig in einer solchen Mission zur Verfügung stellen könnten. Wir müssen uns aber als europäische Mittelmacht mit erheblichem politischem und wirtschaftlichem Gewicht, als EU-Mitglied, als NATO-Partner und als mit verantwortlicher Signatarstaat des Iran-Atomabkommens zuverlässig einbringen und dazu werden wir auch eine Fregatte einsetzen können. Wir müssen endlich unsere häufig laienhafte politische Flickschusterei überwinden und unsere sicherheitspolitische Trittbrettfahrerei beenden, wenn wir auf Dauer als Partner in der NATO und in der EU ernst genommen werden wollen. Dazu gehört auch, dass der Kabinettsbeschluss zum Bundeshaushalt und die dazugehörige mittelfristige Finanzplanung vom Bundestag im Sinne unserer Zusagen an die NATO und im Interesse der geplanten Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr bis 2031 überarbeitet und entschieden wird.

(05.08.2019)

 

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