Hans-Heinrich Dieter

Beleidigend   (17.01.2014)

 

Kurz nach der Initiative des US-Außenministers Kerry hat Israel den Bau von mehr als 1.800 weiteren israelischen Wohnungen in den besetzten Palästinensergebieten bekannt gegeben. Ein Schlag ins Gesicht des unermüdlich für den Frieden in Nahost kämpfenden US-Diplomaten. 

Kerry hatte Israel aufgefordert, sich zwischen Siedlungsbau und Frieden zu entscheiden.

Und der US-Außenminister hat Israel eine Frist gesetzt. Wenn die Verhandlungen bis April 2014 kein Ergebnis bringen, dann will er sich an die Vereinten Nationen wenden. Das bringt natürlich vorwiegend Netanjahu unter Zugzwang und das verstimmt den israelischen Ministerpräsidenten sowie seine teilweise rechtsradikale Regierung. 

Das war Grund genug für den israelischen Verteidigungsminister, Kerry zu beleidigen, indem er zum Ausdruck brachte, dass der US-Außenminister von der Friedensidee besessen sei und mit verfehltem messianischem Eifer agiere. Er sagte außerdem: "In Wirklichkeit gibt es gar keine Verhandlungen zwischen uns und den Palästinensern, sondern die Amerikaner sprechen mit uns und parallel mit den Palästinensern. Das einzige, was uns noch retten kann, ist der Friedensnobelpreis für John Kerry, und dass er uns dann in Ruhe lässt." Jaalon entschuldigte sich später, eine offizielle Distanzierung durch Bibi Netanjahu blieb aus. 

Der ultrarechte israelische Außenminister Lieberman gibt sich da nun heimtückischer. Er schlägt schon einmal vor, welche völlig heruntergekommenen Siedlungen israelischer Palästinenser gegen die neuen israelischen Siedlungen im Westjordanland eingetauscht werden könnten. Damit stößt er seine palästinensischen Landsleute vor den Kopf und macht außerhalb von Friedensverhandlungen schon einmal deutlich, was es heißt, den "jüdischen Staat" Israel anzuerkennen. Das ist dann ein Staat, in dem auch keine israelischen Palästinenser mehr leben und in den auch keine palästinensischen Flüchtlinge zurückkehren können. 

Nach einer Meldung der israelischen Zeitung Yedioth Ahronoth hat Israels Wirtschafts- und Handelsminister Naftali Bennett im Sommer letzten Jahres dazu aufgefordert, festgenommene Palästinenser auf der Stelle zu töten, um so in Zukunft jeglichen Gefangenenaustausch zu verhindern. Solche Menschen tragen in Israel Regierungsverantwortung. Das beleidigt alle, die gerne mit Israel zusammenarbeiten wollen.

Den israelischen Bauminister Uri Ariel scheren Friedensverhandlungen offenbar einen feuchten Kehricht. Er plant den Bau von 20.000 weiteren Wohnungen für Siedler im besetzten Westjordanland und wurde erst im November von Netanjahu gestoppt, um eine "unnötige Konfrontation der internationalen Gemeinschaft" zu verhindern. Denn nicht nur Außenminister Kerry kritisierte den israelischen Siedlungsbau als völkerrechtswidrig und als Hindernis für den Frieden. London, Paris, Rom und Madrid haben nun die jeweiligen israelischen Botschafter einbestellt, um sich diese gegen die angestrebte Zweistaatenlösung gerichtete Politik erläutern zu lassen. Israels Botschafter in Deutschland ist offenbar nicht zitiert worden, weil Außenminister Steinmeier seine Bedenken gegen den Siedlungsbau dem israelischen Außenminister Avigdor Lieberman bei einem Israel-Besuch am 13.01.2014 direkt vorgetragen haben soll.

Nun weist der israelische Ministerpräsident Netanjahu die Kritik aus Europa an den Siedlungsplänen seiner Regierung schroff zurück. Aus seiner Sicht ist der Protest der EU-Staaten heuchlerisch. Außenminister Lieberman bestellte nun die britischen, französischen, italienischen und spanischen Botschafter ein, um ihnen klarzumachen, dass deren einseitige Unterstützung der Palästinenser „inakzeptabel“ sei. Er warf den europäischen Staaten eine „dauernde einseitige Einstellung“ vor, die den Friedensprozess gefährde. Und Netanjahu meinte in dem Zusammenhang allen Ernstes feststellen zu müssen, die Behauptung, die Siedlungen erschwerten die Friedensgespräche, sei aus der Luft gegriffen. „Ein paar Häuser mehr“ würden die Lage keinen Deut ändern.

An den Aussagen von Jaalon ist eines richtig: "In Wirklichkeit gibt es gar keine Verhandlungen zwischen uns und den Palästinensern, sondern die Amerikaner sprechen mit uns und parallel mit den Palästinensern." Es gibt diese Verhandlungen nicht, weil Israel mit seiner ganzen Politik zum Ausdruck bringt, dass es Frieden auf der Grundlage einer Zweistaatenlösung nicht wirklich will. Die Verhandlungsführerin Livni ist kaltgestellt und hat offensichtlich keinerlei Rückhalt im Kabinett. Die Palästinenser nehmen jeden Anlass, um mit dem Abbruch der Verhandlungen zu drohen, und die jungen, unzufriedenen, arbeitslosen Palästinenser sind zunehmend beeinflussbar durch terroristische Scharfmacher, die eine dritte Intifada einem Friedensschluss vorziehen. Die Lage verschlechtert sich.

Wenn Netanjahu sagt, die Behauptung, die Siedlungen erschwerten die Friedensgespräche, sei aus der Luft gegriffen und „Ein paar Häuser mehr“ würden die Lage keinen Deut ändern, dann lügt er bewusst oder er ist verstörend dumm. Irgendwie müssen sich alle gutmeinenden und friedensbemühten amerikanischen und europäischen Politiker durch einen solchen Netanjahu und seine rechtsradikalen Regierungskollegen beleidigt fühlen. Für Israel kann man nur hoffen, dass sich die USA und Europa nicht irgendwann beleidigt abwenden.

Die Unterstützung solcher israelischer Politik kann auf keinen Fall "Teil der deutschen Staatsräson" sein.

(17.01.2014)

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte