Hans-Heinrich Dieter

Bundeswehr im Irak   (14.12.2014)

 

Der Kampf gegen den "Islamischer Staat"-Terror wird von einer beeindruckend großen Koalition der internationalen Staatengemeinschaft mit bisher nur eingeschränktem Erfolg geführt. Wenn dieser Kampf gegen die islamistische Verbrecherorganisation irgendwann durch die Staatengemeinschaft mit Aussicht auf nachhaltigen Erfolg geführt werden soll, dann reichen sicherheitspolitische und militärische Maßnahmen nicht aus. Der IS muss auch wirtschafts- und finanzpolitisch bekämpft werden. Betroffenen muss humanitäre Hilfe geleistet werden. Flüchtlinge müssen auch in Deutschland versorgt werden. Islamischem Fundamentalismus, Dschihadismus und Salafismus jeglicher Spielart muss mit Hilfe der muslimischen Bürger und Gemeinden in den westlichen Staaten der Boden entzogen werden. Islamisten muss unter Nutzung des rechtlichen Spielraums das Handwerk gelegt und Terroristen müssen unschädlich gemacht werden. Wir haben es also mit einem vielschichtigen politischen und gesellschaftlichen Problem zu tun, das nur durch vernetzte Sicherheitspolitik gelöst werden kann. Derzeit werden hauptsächlich militärische Optionen diskutiert.

Deutschland, das sich Anfang des Jahres bereit erklärt hat, außen- und sicherheitspolitisch mehr internationale Verantwortung übernehmen zu wollen, ist inzwischen Teil der Koalition zum Kampf gegen den IS-Terror. Das deutsche Engagement ist allerdings bisher geringfügig. Die Bundeswehr hat - nach Überwindung einer Reihe von Pannen - Waffen an die kurdischen Peschmerga geliefert und in Deutschland an der Infanterieschule sowie vor Ort in Erbil mit einer Handvoll Fallschirmjägern kurdische Soldaten an den gelieferten Waffen ausgebildet. Deutschland will also die erweiterte außen- und sicherheitspolitische Verantwortung nicht durch direktes militärisches Engagement wahrnehmen, sondern durch Ausbildungs- sowie Ausrüstungshilfen - und natürlich durch verbale Unterstützung.

Im Sicherheitsrat warb Außenminister Steinmeier unlängst für eine umfassende Strategie gegen den Islamischen Staat, eine sehr berechtigte Forderung - wir haben aber in Deutschland allerdings auch noch keine strategischen Vorstellungen entwickelt, die wir einbringen könnten. Und der Außenminister hob hervor, dass die Bundesregierung großen Respekt für die Entscheidung erhalte, die kurdischen Sicherheitskräfte mit Waffen auszurüsten. Dies sei eine richtige Entscheidung gewesen, mit der Deutschland ein großes Maß an Verantwortung im Nordirak übernehme. Eine Beteiligung an der Luftunterstützung oder gar ein Einsatz von Soldaten im Irak „kommt für uns nicht in Frage", betonte Steinmeier.

Problematisch ist, dass die bisher gelieferte Bewaffnung und Ausrüstung nur zum geringen Teil genutzt wird, die Ausbildung der Peschmerga-Kämpfer, die zum großen Teil in Gefechten mit IS-Terroristen gebunden sind, nur vereinzelt und in Gruppen mit wechselnden Vorkenntnissen durchgeführt werden kann und der Ausbildungsbedarf insgesamt nur schwer ermittelt werden kann. Bisher können sich Waffenlieferungen und Ausbildungsunterstützung nur marginal auf Erfolge gegen den Islamischen Staat auswirken.

Es kommt jetzt auf Staaten an, die wirklich Verantwortung beim Zerschlagen des IS übernehmen wollen. Deutschland will dazu 2015 einen größeren Beitrag leisten, wenn auch weiterhin eher indirekt durch eine nun erweiterte Ausbildungsunterstützung. Dazu haben das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium ein Bundestagsmandat für eine einjährige Ausbildungsmission für etwa 100 bewaffnete Bundeswehrsoldaten im Nordirak entworfen, das im Kabinett am 17. Dezember beschlossen und dann dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt werden soll. Außerdem will sich Deutschland neben der neuen deutschen Ausbildungsmission im Nordirak auch mit Stabsoffizieren an militärischen Einsatzstäben der internationalen Koalition in Kuwait und Bagdad beteiligen. Das ist eine positive Entwicklung, denn bisher hatte man überlegt, einen Ausbildungseinsatz unbewaffneter Soldaten unterhalb der "verfassungsrechtlichen Einsatzschwelle", sprich Entscheidungsnotwendigkeit durch das Parlament, zu realisieren. Denn auch wenn eine direkte Beteiligung von Bundeswehrsoldaten an Kampfhandlungen ausgeschlossen und die Ausbildungslager durch andere Nationen wahrgenommen werden sollen, ist es unbedingt erforderlich, dass deutsche Soldaten, die in einem Bürgerkriegsland asymmetrischen Bedrohungen ausgesetzt werden, robust bewaffnet sind und sich selbst und auch Personal sowie Material von Partnernationen schützen können.

Außerdem ist der Kampf gegen den IS-Terror ein langfristiges sowie vielschichtiges politisches und gesellschaftliches Problem, das erfolgreich nur durch vernetzte Sicherheitspolitik als gesamtstaatliche Anstrengung im Rahmen der internationalen Gemeinschaft erfolgreich gelöst werden kann. Deswegen ist es höchste Zeit, dass sich die Volksvertretung intensiv mit dieser weitreichenden Thematik befasst und auch die Öffentlichkeit in die Diskussionen einbezogen wird. Und selbst wenn sich deutsche Soldaten nicht direkt an Kampfhandlungen beteiligen sollen, ist es unbedingt erforderlich, dass sich Deutschland über die Ziele und Interessen seines möglicherweise längerfristigen Engagements klar wird und die damit verbundenen strategischen Fragen, auch im Hinblick auf eine negative Entwicklung der Gefährdungslage beantwortet.

Und da auch Großbritannien Anfang 2015 über 100 Soldaten im Irak stationieren will, um die irakische Armee und kurdische Kämpfer für den Kampf gegen die IS-Miliz auszubilden, und die USA angekündigt haben, insgesamt 3.000 Soldaten zur Beratung und Ausbildung der irakischen Streitkräfte zu entsenden, ist es zwingend erforderlich, dass die Ausbildungs- sowie Ausrüstungshilfen nach Art und Umfang genau abgestimmt werden. Mit den erweiterten Ausbildungs- sowie Ausrüstungshilfen und der Entsendung von Stabsoffizieren wird Deutschland innerhalb der Allianz zu einem vollwertigeren Partner, der jedoch nicht an "der konkreten militärischen Operationsplanung und -durchführung" beteiligt werden soll.

Noch hat Deutschland keinen tragfähigen Plan für unser wichtiges und möglicherweise längerfristiges Engagement gegen den IS-Terror und kämpft zunächst mit sich selbst um Auslegungen des Grundgesetzes als Voraussetzung für eine parlamentarische Mandatierung. Da bei einem fehlenden UN-Mandat das Grundgesetz berührt ist und eine Nachsteuerung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes derzeit ohnehin dikutiert wird, ist es umso wichtiger, dass der Bundestag jetzt in die Entscheidung einbezogen wird.

(14.12.2014)

 

 

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