Hans-Heinrich Dieter

Deutscher “Kampf” gegen IS-Terror   (24.10.2014)

 

Beim NATO-Gipfel in Newport hatte US-Außenminister Kerry eine Koalition gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ ausgerufen. Dieser "Kern-Koalition" sollten - neben den USA - Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Polen, Kanada, Australien und die Türkei angehören. Die Organisation der Koalition, die Ziele möglicher gemeinsamer Anstrengungen, die Art und Koordination der Zusammenarbeit und die Arbeitsteilung wurden Mitte September 2014 noch nicht festgelegt. Eine Strategie für den gemeinsamen Kampf gegen den Terror der IS war noch nicht formuliert worden.

Mitte Oktober ist eine internationale Strategie im Kampf gegen die IS-Terrororganisation immer noch nicht erarbeitet. Das erzeugt dringenden Gesprächsbedarf. US-Generalstabschef Dempsey hatte daher Spitzen-Militärs aus inzwischen 20 Staaten zu einer Beratung über ein gemeinsames weiteresVorgehen eingeladen. Auch US-Präsident Obama war aufgrund der Dringlichkeit in die Gespräche einbezogen. Deutschland wurde durch den Stellvertreter des Generalinspekteurs vertreten. Es wäre interessant zu wissen, wie Deutschland sich eingebracht hat, denn es gab ja bisher keine wirkliche sicherheitspolitische Diskussion hinsichtlich eines deutschen Beitrages zum Kampf gegen den IS-Terror und dementsprechend gibt es auch keine Mehrheitsmeinung des Bundestages und kein Richtlinienpapier oder Konzept der Bundesregierung. Bisher gibt es lediglich die deutsche Entscheidung zu Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak und deren pannenbeladene Umsetzung sowie auf kleinem Niveau Ausbildungsunterstützung für die Peschmerga.

Deutschland bringt sich - wie immer - gerne vielstimmig verbal ein. Im Sicherheitsrat warb Außenminister Steinmeier unlängst für eine umfassende Strategie gegen den Islamischen Staat und betont, dass die Allianz gegen die terroristischen Gruppierungen arbeitsteilig vorgehen werde und dass Deutschland dabei ein großes Maß an Verantwortung im Nordirak übernehme. Die Bundesregierung erhalte großen Respekt für die Entscheidung, die kurdischen Sicherheitskräfte mit Waffen auszurüsten. Eine Beteiligung an der Luftunterstützung oder gar ein Einsatz von Soldaten im Irak „kommt für uns nicht in Frage", betonte Steinmeier damals.Unklar ist, auf welcher politischen Grundlage Steinmeier solche Aussagen macht und die zukünftige Teilhabe Deutschlands am Kampf gegen den IS apodiktisch festlegt. Zwar hat Kanzlerin Merkel Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen am letzten Donnerstag zu einer Beratung über Deutschlands weitere internationale Positionierung im Kampf gegen den IS ins Kanzleramt gebeten. Es wurden aber keine Ergebnisse der Beratung öffentlich gemacht. Außerdem ersetzen solche "Hinterzimmergespräche" nicht die erforderliche politische Diskussion. Der Bundestag wurde mit dieser weiterreichenden Thematik auch noch nicht befasst. Die internationale Gemeinschaft hat bisher sicher mehr und mutigeres Engagement von Deutschland erwartet, zumal wir das ja zu Beginn des Jahres vollmundig grundsätzlich angekündigt haben.

Besuche deutscher Politiker in den Krisengebieten erzeugen natürlich dann auch Betroffenheit. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen Göring-Eckardt warf der Regierung Untätigkeit im Kampf gegen die Terrormiliz IS vor und brachte sogar die Entsendung von deutschen Bodentruppen unter einem Mandat der Vereinten Nationen ins Gespräch. Der grüne Außenpolitiker Omid Nouripour stützt diese Position, die sicherheitspolitische Sprecherin der Partei, Agnieszka Brugger, ist anderer Auffassung und meint, die militärischen Einsätze der letzten Jahre hätten gezeigt, "dass sich militärisches Eingreifen ohne eine tragfähige politische Strategie, glaubwürdiges ziviles Engagement und klar definierte Ziele schneller als gedacht als kontraproduktiv erweisen" könne. Der Obmann der CDU im Auswärtigen Ausschuss Kiesewetter hingegen meint, "dass wir mittelfristig um ein UN-Mandat und auch um Bodentruppen nicht herumkommen" und will deswegen auch eine deutsche Beteiligung daran nicht ausschließen. Der Diskussionsbedarf ist offenkundig. Das Auswärtige Amt weist den Vorwurf deutscher Untätigkeit im Kampf gegen die Terrormiliz IS zurück und Steinmeier schließt trotz des Vorrückens der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien die Entsendung von deutschen Bodentruppen unter einem Mandat der Vereinten Nationen strikt aus. Vor solchen apodiktischen Festlegungen sollte man zumindest das Mandat kennen und geprüft haben! Welche Auffassung vertritt die Bundeskanzlerin, die eigentlich ihre Richtlinienkompetenz wahrnehmen sollte? Welche Meinung hat sich die Bundesregierung dazu gebildet? Gibt es vereinbarte Ziele, eine Strategie oder ein Konzept, wie sich Deutschland in den Kampf gegen den IS-Terror einbringen will? Und wie entwickelt sich die Mehrheitsmeinung im Parlament über die Ausschussarbeiten und dringend erforderliche Debatten? Es gibt keine oder keine befriedigenden Antworten auf diese dringenden Fragen, sondern lediglich Einzelmeinungen und Einzelaktionen.

Der Innenminister kümmert sich um Ausweise von amtlich bekannten deutschen Islamisten, um deren Ausreise in den Dschihad und anschließende Rückkehr mit Kampferfahrung zu verhindern. Der Justizminister denkt über schärfere Gesetzgebung nach. Die Verteidigungsministerin hat alle Hände voll zu tun, um ihr Ressort in die Hand und aus den negativen Schlagzeilen zu bekommen. Der Entwicklungsminister gefällt sich in der Rolle als "Friedensminister" und reist, offenbar wenig koordiniert aber medienwirksam durch Flüchtlingslager und Krisengebiete. Der Wirtschaftsminister kündigt verschärfte Rüstungsexportbedingungen an, verunsichert die deutsche Rüstungsindustrie, behindert so die konjunkturelle Entwicklung Deutschlands und hält sich dann nicht an seine linksgerichteten Ankündigungen. Die Politik einer europäischen Mittelmacht mit großem Einfluss in der EU und eines wichtigen NATO-Mitglieds darf man sich mit Fug und Recht weniger laienhaft, besser koordiniert und vor allem verantwortungsbewusster fundiert vorstellen.

Deutschland erwägt nun eine umfangreichere Ausbildungsmission im Nordirak, um die kurdischen Peschmerga-Kämpfer für den Kampf gegen die IS-Terroristen auszubilden. Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen stellen sich das derzeit als unbewaffnete Mission vor, um somit den Bundestag nicht beteiligen zu müssen. Jetzt ist zunächst ein Prüfauftrag an die Bundeswehr erteilt, es kann also - trotz der drängenden Lage - noch dauern. Ein Konzept für die Ausbildungsmission ist nicht bekannt und liegt dem Prüfauftrag offenbar noch nicht zugrunde. Warum sollte der Bundestag eigentlich bei solch einer wichtigen politischen Entscheidung nicht beteiligt werden? Und warum will man Soldaten in eine vom Terror bedrohte Region entsenden, ohne dass sie in der Lage sind, sich zumindest selbst zu verteidigen oder akute Terror-Anschläge zu verhindern? Die Minister fürchten die öffentliche Debatte und das ist falsch, zumindest wenig mutig. Als US-Außenminister Kerry bei seinem kürzlichen Nostalgie-Besuch den Beitrag Deutschlands im Kampf gegen den IS-Terror gelobt hat, kann er das alles nicht gemeint haben.

Der IS-Terrror ist auch ein drängendes Problem für Deutschland. Die Zahl der Salafisten wird für 2014 bis 7000 hochgerechnet und außerdem steht unsere angekratzte Reputation als verlässlicher Partner in der internationalen Sicherheitspolitik auf dem Spiel. Da hat die grüne Politikerin Brugger Recht, wenn sie sagt, "dass sich militärisches Eingreifen ohne eine tragfähige politische Strategie, glaubwürdiges ziviles Engagement und klar definierte Ziele schneller als gedacht als kontraproduktiv erweisen" kann. Warum wird eine solche Strategie nicht endlich durch alle beteiligten Ressorts unter Federführung des Außenministers erarbeitet? Warum werden keine Konzepte entworfen, wie wir uns bei der UN, in die NATO und in die EU im Zusammenhang mit dieser Bedrohung einbringen wollen? Wenn Deutschland als Partner in Zukunft weiterhin ernst genommen werden will, kommen wir um solche grundlegenden Arbeiten nicht herum. Und die Bundeskanzlerin ist dann gefragt, um der Volksvertretung, der deutschen Öffentlichkeit und den internationalen Partnern die deutsche Position mit einer Regierungserklärung verbindlich deutlich zu machen.

Der deutsche Kampf gegen den IS-Terror ist derzeit eher ein politischer Krampf!

(24.10.2014)

 

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