Hans-Heinrich Dieter

Deutscher “Klinkenputzer”   (19.11.2014)

 

Außenminister Steinmeier gönnt sich keine Pausen und kann nach menschlichem Ermessen keine Zeit mehr haben zum Nachdenken - und damit zum ernsthaften Arbeiten.

Man gewinnt den Eindruck, dass die deutschen Chefdiplomaten den damaligen Außenminister Genscher in Reiseaktivitäten jeweils noch überbieten wollen. Genscher hatte damals für die noch nicht souveräne Bundesrepublik Deutschland kaum Außenpolitik zu machen. Heute erwartet man von der Mittelmacht und europäischen Führungsnation Deutschland außenpolitische Substanz, zumal Deutschland Anfang des Jahres ein stärkeres internationalen Engagement einem interessierten Fachpublikum vollmundig angekündigt hat. Da erwartet die internationale Fachwelt allerdings kein "Klinkenputzen", sondern eine mit Europa und den USA abgestimmte erfolgreiche Diplomatie. 

Erfolgreiche Diplomatie wird an Ergebnissen gemessen. Daran fehlt es. In der letzten Woche wollte Steinmeier im Nahost-Konflikt vermitteln. Hätte er sich Zeit genommen, dann könnte er das vielfache Scheitern des US-Außenministers Kerry in dieser Angelegenheit richtig einordnen, dann wüsste er, dass Gespräche mit Abbas derzeit nicht zum Erfolg führen können, weil er mit der Hamas im Gaza-Streifen im Streit liegt, dann könnte er abschätzen, dass sein Kollege Lieberman den Wohnungsbau im jüdischen Viertel im Osten von Jerusalem nicht begrenzen und die israelische Siedlungspolitik nicht ändern wird und er würde vorhersehen, dass Ministerpräsident Netanjahu politisch nichts unternehmen wird, um Voraussetzungen für die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mit dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung zu schaffen. Er wollte es halt mal versuchen und Gespräche führen und lässt sich von dem Rechtsradikalen Lieberman und dem völlig uneinsichtigen Netanjahu politisch auch dadurch abwatschen, dass man deutlich machte, dass es in der Siedlungspolitik keine Kompromisse gäbe und dass man sich jegliche Einmischung in die Angelegenheiten Israels verbittet. Bei solchen diplomatischen Nullnummern bleibt dann auch nur, stereotype Floskeln und Worthülsen zu verkünden. Darin allerdings ist der deutsche Außenminister hochgradig geübt. 

Nach einem kurzen Außenministertreffen in Brüssel fliegt Steinmeier nach Kiew und dann weiter nach Moskau, um in der Ukraine-Krise zu vermitteln. In Kiew hat er nach einem Gespräch mit Präsident Poroschenko von einem "gefährlichen Konflikt" gesprochen und nach einer Unterredung mit Ministerpräsident Jazenjuk hat er die Konfliktparteien aufgefordert, die Waffenstillstandsvereinbarung von Minsk "Zug um Zug" umzusetzen, um eine Konfrontation zu vermeiden. Man wundert sich, dass die Medien solche Gemeinplätze noch drucken.

Bei seinem Treffen am Abend mit Lawrow in Moskau wollte er dann auch "jenseits von Ukraine" denken, dabei ist aber wohl wenig Interessantes herausgekommen. Also blieb Steinmeier lediglich die Wiederholung seiner Warnung vor einer "neuen Spaltung Europas" und vor einem "gefährlichen Konflikt", sowie die Forderung nach Einhaltung der Minsker Waffenstillstandsvereinbarungen. Lawrow seinerseits erteilte dem von Kiew vorgeschlagenen bilateralen Dialog zwischen Russland und der Ukraine unter neutraler Vermittlung durch die EU und die USA über den Konflikt eine klare und schroffe Absage und betonte, dass Russland weiterhin hinter dem Minsker Abkommen stehe - vom Willen zur Umsetzung hat er allerdings nicht gesprochen. Darüber hinaus nutzte Lawrow die gute Gelegenheit und Aufmerksamkeit für die bekannten russischen Propagandasprüche und konnte so die Propagandashow Putins beim ARD-Interview vertiefen.

Überraschend hat Putin Steinmeier dann noch zu später Stunde zu einem Gespräch eingeladen. Erstaunlich, denn Putin ist ja bekanntlich nach anstrengenden Tagen sehr müde, und außerdem fragt man sich, was denn nach dem langen Gespräch mit Kanzlerin Merkel in Brisbane ergänzend besprochen werden sollte. Die "ernsten und offenen" Gespräche haben denn auch keine Annäherung im Ukraine-Konflikt gebracht. Steinmeier gibt dann noch an, dass er Putin erläutert habe, wo nach seiner Einschätzung die Prioritäten bei der Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens von Minsk lägen und wo Russland seinen Beitrag leisten könne. Da wird Putin ganz genau zugehört und sich sicher Notizen gemacht haben. Und schließlich zieht der deutsche Chefdiplomat für die erstaunte Öffentlichkeit staatstragend das überraschende Fazit, dass es zu den Ereignissen der vergangenen acht Monate gravierend unterschiedliche Wahrnehmungen gebe. Putin kennt den "Wandel durch Handel"-Sozi sowie Schröder-Schüler Steinmeier und seine Vorliebe auch für das erfolglose Offenhalten von Gesprächskanälen und hofft vielleicht, eine deutsche Gegenposition zu Merkels klaren Worten fördern zu können. Das könnte ein Erfolg Putins werden. Wenn Steinmeier da nicht aufpasst, wird das ein innenpolitischer Misserfolg für ihn, denn die Kanzlerin ist zunehmend gezwungen, ihren vielreisenden Chefdiplomaten an die Kandare zu nehmen. Wenn Deutschland schon nicht mit einer Sprache spricht, wie soll dann die Europäische Union die zwingend erforderliche Gemeinsamkeit bei der Bewältigung der Ukraine-Krise gestalten?

Bei so viel heißer Luft, diplomatischen Worthülsen und erfolglosen außenpolitischen Bemühungen, spricht ein Kommentator in der F.A.Z. nicht ganz unberechtigt von Klinkenputzerei. Das umweltschädlich verflogene Steuergeld wurde sicher nicht hereingearbeitet! Heute fliegt Steinmeier nach Südafrika zu einem Wirtschaftskongress. Mehr als Klinkenputzen und Worthülsen werden dabei auch nicht herauskommen, denn in der Wirtschaftspolitik hat Steinmeier noch keine Kompetenz gezeigt.

(19.11.2014)

 

 

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