Hans-Heinrich Dieter

Eitler Pfau   (13.12.2013)

 

Altkanzler Schmidt meint mit dem "lupenreinen Demokraten" und emporgekommenen Ex-KGB-Agenten Putin auf einer "Abschiedstour" Weltpolitik erörtern zu müssen. Den meisten Medien ist das keine Meldung wert und so hat der Herausgeber der ZEIT seinen Chefredakteur sicher gebeten, sich dieses so wichtigen, ja nahezu historischen Auftrittes zu widmen.

Und der sehr alte Altkanzler zieht dann auch - wie kolportiert - im Tenor "früher war alles viel besser" vollmundig vom Leder, kritisiert die Politik der Präsidenten und Regierungschefs auf europäischer Ebene heftig, lässt wenig gutes Haar an nationalen Regierungen, schwadroniert von einer "Krise der Institutionen" und glaubt, dass in der Nachkriegspolitik nur Charles de Gaulle und der Brite Winston Churchill, der den verbrecherischen Bombenterror gegen die deutsche Zivilbevölkerung maßgeblich zu verantworten hat, herausragend gewesen seien. Um Altkanzler Adenauer zu würdigen, ist er offenbar nicht souverän genug und Brandt, den er herabwürdigend für einen "begabten Gefühlsmenschen" hält, ist ihm wohl im Hinblick auf die Geschichtsbücher zu sehr Sozi-Konkurrent.

Der greise und gewiefte Politiker Schmidt betreibt natürlich wenig subtil "fishing for compliments" und hat vordergründig Erfolg damit, denn der Neo-Imperialist Putin nimmt nicht nur großherzig seine europäischen (natürlich schwachen) Kollegen vor dem Alters-Furor in Schutz, sondern bezeichnet Schmidt als "Patriarchen nicht nur der europäischen, sondern auch der Weltpolitik". Schmidt wird das gefallen haben, obwohl "Patriarchen" nicht in unser aufgeklärtes parlamentarisches System passen und deutsche Kanzler der Nachkriegszeit lediglich Erfüllungspolitik aber nie Weltpolitik gemacht haben. Eitle Pfauen mögen auch vergiftete Komplimente und ein parteipolitisch orientiertes Printmedium riecht den müffelnden Braten nicht, denn es geht ja immerhin um die Vermarktung des Herrn Herausgebers.

Altkanzler Schmidt hat nicht umsonst den Beinamen "Schnauze". Entsprechend hat er stets von sich selbst sehr überzeugt, sehr schnell im Urteil und mit gewaltiger Hybris seine Auffassung deutlich geäußert. Aber alles zu seiner Zeit. Schmidt hat keine aktuellen Erfahrungen in der europäischen Politik und kann sie nicht angemessen beurteilen, darüber hinaus sind die Probleme globaler Politik heute komplexer als die Kalte-Krieg-Herausforderungen seiner Zeit. Seine Äußerungen zu China sind häufig schwer verständlich und seine Mahnungen zur deutschen Rolle in Europa und der Welt, bis hin zur Rüstungsexportpolitik sind nahezu absurd und aus der Zeit gefallen. Schmidt lebt gedanklich offenbar noch in einer Zeit, wo Deutschland nicht souverän war und noch weniger Außenpolitik gemacht hat als heute. Man möchte manchmal einfach raten, er möge die Schnauze halten.

Dass Schmidt selbst nicht das Zeug zum Staatsmann hat, geruhte er selbst mit seiner Aussage zu dokumentieren "Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen." Und wenn es dann um die "Intensivierung" der Würdigung einer Lebensleistung von Altkanzler Schmidt geht, ist dann doch eher eine Art Doku-Soap geeignet, in der der wenig kritisch ergebene Chefredakteur der ZEIT di Lorenzo am 23.12. in der ARD mit seinem Herausgeber im intimen Gespräch "Lebensfragen" erörtert.

Man fragt sich, warum sich einst herausragende Persönlichkeiten am Lebensabend in die Gefahr begeben, lächerlich zu wirken. Ich habe Herrn Schmidt als Bundeskanzler sehr geschätzt, deswegen tun er und es mir leid.

(13.12.2013)

 

 

 

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