Hans-Heinrich Dieter

Erneut schlechte Nachrichten aus Afghanistan!  (04.10.2016)

 

Der Klartext, den ich am 30.09.2015 nach dem damaligen Angriff der Taliban auf Kunduz geschrieben habe, trifft inhaltlich weitestgehend auch heute noch zu. Das zeigt, wie wenig mit einem „weiter so!“ politischen, militärischen und finanziellen Engagements unter den gegebenen Rahmenbedingungen in Afghanistan erreicht werden kann.

Deswegen ist es mit einer Geber-Konferenz in Brüssel, die wohl eine finanzielle Unterstützung des bürgerkriegsgeschüttelten Landes in Höhe von etwa jährlich vier Milliarden US-Dollar bis 2020 zusagen wird, nicht getan. Denn mit diesem Geld wird eine weiterhin korrupte Regierung, die die Sicherheitslage nicht in den Griff bekommt und der die afghanische Bevölkerung nicht vertraut, unterstützt aber nicht die geschundene afghanische Bevölkerung strukturell weiterentwickelt.

Seit 2011 hat sich der Einflussbereich der Taliban vergrößert. In 31 von 34 Provinzen kommt es ständig zu Kämpfen mit den Taliban und außerhalb der Städte und in den schwer zugänglichen ländlichen Gebieten üben die Taliban zunehmend die Gewalt aus. Und wenn es jetzt gelingt, die Taliban erneut aus Kunduz zu vertreiben, dann wird die wichtige Provinzstadt im Norden weiterhin aus dem von den Taliban beherrschten Umland bedroht werden. Dazu kommt die Bedrohung durch den IS, der auch in Afghanistan nicht unter Kontrolle ist. Die Verluste unter der Zivilbevölkerung steigen und die Zahl der Flüchtlinge wird wachsen. In dieser sehr schwierigen Situation ist Afghanistan zusätzlich damit konfrontiert, dass das zunehmend gegnerische Pakistan bis zu drei Millionen afghanische Flüchtlinge nach Afghanistan ausweisen will.

Mit dieser Problem-Gemengelage wird die korrupte und zerstrittene Regierung Ghani, die bisher keine einzige Reform auf den Weg gebracht hat, nicht im Ansatz fertig werden, auch wenn die Geber in Brüssel sich erneut als großzügig erweisen.

Deswegen werden zukünftig nicht nur die afghanische Bevölkerung sondern auch die noch im Land verbliebenen NATO-Truppen, Berater, NGO´s und Entwicklungshelfer in stärkerem Maße bedroht sein, so dass zunehmend sowohl die Beratungstätigkeit als auch die Entwicklungshilfe in Frage gestellt sein werden. Die USA und die NATO müssen sich also entscheiden, ob sie Afghanistan bei der aktuellen Bekämpfung der Taliban und beim absehbar erforderlichen Kampf gegen den IS militärisch unterstützen wollen oder nicht. Wirkliche Unterstützung allerding hieße, erneut für einen nicht zu definierenden Zeitraum durchsetzungsfähige Kampftruppen und vor allen Dingen Spezialkräfte einzusetzen.

Wenn sich die USA mit der westlichen Welt entscheiden sollten, die Taliban nachhaltig zerschlagen und den IS auch in Afghanistan bekämpfen zu wollen, dann müssen sie auf der Grundlage eines UN-Beschlusses ganz neu planen und sich mit starken bewaffneten Kräften engagieren. Anderenfalls sollten sie alles NATO-Militär bis Ende 2017 aus Afghanistan abziehen, denn eine spätere zivil geführte NATO-Ausbildungsmission wäre wohl eher zum erneuten Scheitern verurteilt. Und damit sind auch erfolgreiche Entwicklungshilfe-Maßnahmen zunehmend zweifelhaft. Ohne wirksame militärische Unterstützung droht Afghanistan an die radikalislamistischen Terroristen verloren zu gehen.

(04.10.2016)

 

 

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