Hans-Heinrich Dieter

EU-Strategiepapier   (25.02.2017)

 

Am Sonntag, dem 12.02.2017, als Steinmeier zum 12. Bundespräsidenten „gewählt“ wurde, gab es auch eine gute Nachricht - EU-Kommissionspräsident Juncker tritt nicht für eine zweite Amtszeit an!

Im November 2014 wurde Juncker zum Kommissionspräsidenten gewählt. Er wollte ein „politischer“ Präsident sein und die EU zum Erfolg führen. Dazu hat er mehrere hochdotierte Vizepräsidentenposten geschaffen - und nahezu nichts erreicht. Der Präsident, der die EU zusammenhalten und weiterentwickeln wollte, vergleicht die EU mit einem Hühnerhof, der sei allerdings besser organisiert. Da hat doch der Präsident auch irgendwie versagt, oder?

In der Flüchtlingskrise hat Juncker versagt und der Welt die ganze Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit der Union vor Augen geführt. In seiner Zeit als Kommissionspräsident haben Mitgliedstaaten immer wieder Regeln gebrochen oder Vereinbarungen nicht eingehalten, ohne dass solches Fehlverhalten Konsequenzen nach sich zog. Dabei ist Juncker, Finanzminister und später Premierminister Luxemburgs, ein erfahrener Europapolitiker. Von 2005 bis 2013 war er Vorsitzender der Eurogruppe und hat in der Finanzkrise die milliardenschweren Hilfspakete für das vom Bankrott bedrohte Griechenland mit ausgehandelt. Sein eigenes Versagen hat ihn aber nun wohl etwas ernüchtert, wenn er jetzt resigniert feststellt: „Ich hatte mir vorgestellt, am Anfang meines Mandats, dass ich konstruktiv arbeiten könnte, die Dinge besser in den Griff zu kriegen, so dass die Menschen wieder Vertrauen fassen in Europa, das sie ja erkennbar verloren haben.“ Ein so trauriger und erfolgloser „Verlierer“ sollte nicht länger als festgelegt in seiner Funktion bleiben.

Großbritannien hat seinen EU-Austritt noch nicht formell eingereicht, da orakelt Juncker über den Brexit schon in den düstersten Farben: „Die Briten, die werden es schaffen, ohne große Anstrengung die anderen 27 Mitgliedsstaaten auseinanderzudividieren. Die anderen 27 wissen das noch nicht, aber die Briten wissen schon sehr genau, wie sie das in Angriff nehmen können….Man verspricht dem Land A dieses, und man verspricht dem Land B jenes, und man verspricht dem Land C etwas Anderes, und in der Summe entsteht daraus keine europäische Front.“ Es gibt aber doch einen EU-Verhandlungsführer, der wird die Verhandlungen professionell aufnehmen und nicht den Regeln entsprechende Verhandlungsansätze der Briten unterbinden. Denn nur die Union führt Verhandlungen mit Großbritannien, nicht einzelne Mitgliedstaaten. Freihandelsverträge einzelner Mitglieder mit UK sieht das EU-Reglement nicht vor.

Trotz seiner Resignation will sich Juncker aber wohl doch noch mit der Zukunft der EU befassen. Jetzt hat er angekündigt, dass das schon sehr lange in Arbeit befindliche „Weißbuch zur Zukunft der Europäischen Union“ in der nächsten Woche herausgebracht werden soll. Das Weißbuch ist als Strategiepapier für Europas Reformdebatte gedacht. Wer etwas radikal Neues oder eine vertieft integrierte EU erwartet, wird wohl enttäuscht werden. Juncker spricht nun schon wie Merkel vom Europa der zwei Geschwindigkeiten, denn es sei „nicht mehr zeitgemäß, dass alle dasselbe zusammen tun“. Und manchmal helfen ja auch neue Begriffe weiter: „Europa ist eine einzigartige Konstruktion, die einen Kern haben wird. Ich bin aber kein Verfechter eines harten Kerns. Ich glaube man muss sich den Kontinent eher in konzentrischen Kreisen vorstellen.“

Kanzlerin Merkel sagte jetzt in Stralsund, Europa befinde sich in einer krisenhaften Situation. Der jetzigen krisenhaften Situation werden weitere folgen. Ohne einen harten, tief integrierten Kern, der Ziele definiert, die Richtung vorgibt und die Entwicklung der EU verbindlich vorantreibt wird die EU keine Zukunft haben. In ihrer jetzigen „einzigartigen Konstruktion“ ist die EU nicht entscheidungs-, nicht wirklich handlungs- und schon überhaupt nicht durchsetzungsfähig. Und dann stelle man sich je nach Thematik ständig veränderbare „konzentrische Kreise“ zunehmend egoistischer, nationalistischer und unsolidarischer Mitgliedstaaten vor, die wenig koordiniert vor sich hin rotieren. Es ist gut, dass die von Europa überzeugten Bürger diesen Kommissionspräsidenten nicht mehr allzu lange ertragen müssen.

Warten wir ab, was wirklich im Weißbuch der EU steht. Vielleicht hat Juncker etwas oberflächlich gelesen und zur Unzeit die Strategievorschläge etwas durcheinander gebracht. Beim Gipfel zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge im März 2017 in Rom wird man mit der Reformdebatte sicher noch in Baby-Schuhen stecken. Dabei drängt die Zeit und die nächsten Krisen zeichnen sich schon deutlich ab!

(25.02.2017)

 

 

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