Hans-Heinrich Dieter

Europäische Verteidigungsunion   (07.03.2017)

 

Die Europäische Union will in Zukunft eine größere außenpolitische Rolle glaubwürdig spielen können. Dafür sind eigene militärische Fähigkeiten unabdingbar. Denn wesentliche Aspekte der Sicherheitspolitik der Europäischen Union sind eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik, gemeinsamer Schutz der EU-Außengrenzen und gemeinsame Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Für diese Sicherheitspolitik einer EU, die zunehmend sicherheitspolitische Verantwortung in Europa und darüber hinaus übernehmen will und muss, gibt es derzeit zahlreiche Herausforderungen: der Konflikt mit dem zunehmend aggressiven Russland nach der Annexion der Krim und der hybriden Kriegsführung gegen die Ukraine, die Flüchtlingskrise, der internationale Terrorismus mit mehreren Anschlägen in EU-Mitgliedstaaten, das schwierige Verhältnis der EU zum NATO-Mitglied Türkei sowie der Krieg in Syrien. Die wesentlichste Herausforderung ist aber, dass endlich eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik formuliert und verabschiedet werden muss. Und auf dieser Grundlage ist dann eine europäische Verteidigungs-Strategie zu entwickeln.

Es ist also sehr sinnvoll, dass die Außen- und Verteidigungsminister der Europäischen Union die EU mit einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu einer wirklich handlungsfähigen europäischen Verteidigungsunion weiterentwickeln wollen. Ein erstes sichtbares Signal beim Treffen gestern in Brüssel war die Taufe eines gemeinsamen militärischen Kommandozentrums der Union für Auslandseinsätze.

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ist ein Dauerthema der EU mit sehr geringem Erfolg. Schon 1999 wurde mit dem Helsinki Headline Goal (HHG) beschlossen, die European Rapid Reaction Force (ERRF) aufzustellen. 2004 wurde dann die Idee der EU-Battlegroups entwickelt. Im Zeitraum 2005 bis 2007 wurden die ersten Verbände einsatzbereit gemeldet und seitdem werden immer ein bis zwei dieser auch multinationalen Kampfgruppen in Alarmbereitschaft gehalten, ohne allerdings bisher dem Konzept entsprechend eingesetzt worden zu sein. Die bedauernswerten "EU-Battlegroups" sind eine bisher weitestgehend arbeitslose Truppe. Das ist nur ein wenn auch gravierendes Beispiel für den geringen Erfolg.

Aber offensichtlich hat der inzwischen verstärkte amerikanische Druck auf faire Verteidigungsinvestitionen der europäischen NATO-Partner die Bereitschaft der EU-Mitglieder erhöht, sich tatsächlich und konkret mit einer wirklich zukunftsorientierten Verteidigungskooperation und Rüstungszusammenarbeit zu befassen. Darüber hinaus ist eine konkrete gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine erfolgversprechende Unternehmung, um die zerstrittene Union in Teilen wieder zusammenzubrigen - zumindest Mitglieder einer solidarischen, willigen und tiefer integrierten Kern-EU.Man gewinnt den Eindruck, dass es sich diesmal um mehr als nur Symbolpolitik handelt!

Diese jetzt aus der Taufe gehobene EU-Führungsfähigkeit ist allerdings ein recht bescheidener Neu-Anfang. Denn fünf Militär-Hauptquartiere von EU-Einzelstaaten werden weiterhin aktiv gehalten. Aber besser ein bescheidener Anfang als in Sonntagsreden Illusionen nachhängen. Denn auf absehbare Zeit ist die EU in ihrem derzeitigen Zustand als politische Gemeinschaft nicht in der Lage, ihr sicherheitspolitisches Schicksal mit Erfolgsaussichten in die eigenen Hände zu nehmen und deswegen wird es in den nächsten zehn Jahren (+) nicht zu einer Europäischen Armee kommen.

Zunächst müssen noch andere Projekte angegangen werden wie die vertiefte Zusammenarbeit mit der NATO, unter anderem bei der Abwehr von Cyber-Angriffen oder auch das strittige Projekt eines gemeinsamen EU-Fonds für europäische Rüstungsprojekte. Bei allen Überlegungen zu "mehr Europa durch gemeinsame Verteidigung" muss aber der hohe Zeitbedarf berücksichtigt werden bis zur Gewährleistung einer eigenen europäischen Verteidigungsfähigkeit. Deswegen kommt der vertieften Zusammenarbeit mit der NATO eine besondere Bedeutung zu.

Die NATO macht jetzt schon die richtige und ausgewogene Politik nicht nur gegenüber unserem neuen "Gegner" Russland. Die NATO ist als Verteidigungsorganisation strukturell handlungsfähig und wird als Partner in der Weltpolitik ernst genommen. Da muss sich die EU nur als wirklicher Partner einbringen und könnte so gemeinsam mit der NATO sicherheitspolitische Verantwortung Europas in der Welt wahrnehmen. Jegliche kostspielige Konkurrenz zur NATO aufgrund von aufwändigen Doppelstrukturen, Kompetenzüberschneidungen und unübersichtlicher Befehlswege, jegliche politische Relativierung der Bedeutung des transatlantischen Bündnisses ist in der aktuellen, nicht einfachen sicherheitspolitischen Lage von Übel und der Sicherheit Europas abträglich.

Das spricht nicht gegen die richtige Zielsetzung, eine europäische Verteidigungsunion realisieren zu wollen. Dieses Ziel wird aber in der wirklichen Welt nur in kleinen realistischen Schritten und in einer tiefer integrierten EU durch intensive Kooperation einzelner EU-Mitgliedsländer, die die Zusammenarbeit auch wirklich wollen, zu erreichen sein.

Eine Europäische Verteidigungsunion wird es also nur mit einem tiefer integrierten und neustrukturierten Kern-Europa der Willigen geben. Wer hingegen eine Wirtschaftsunion der Nationalstaaten will, sollte mit der Kern-EU als assoziiertes Mitglied entsprechende Verträge abschließen.

(07.03.2017)

 

 

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