Hans-Heinrich Dieter

Europäische Lösungen scheitern   (17.02.2016)

 

Amerikanische Politiker sprechen von Deutschland als Hippie-Republik und der grüne Oberbürgermeister von Tübingen, Palmer, meint jüngst im „Spiegel“: „Es sind nicht die Zeiten für Pippi-Langstrumpf oder Ponyhof-Politik“. Die Aussagen sind nicht schön, aber auch nicht ganz unbegründet.

In der Flüchtlingskrise steigen wir mit unserer unverantwortlichen, sicherheitsgefährdenden und langfristig auch existenzbedrohenden Politik aus dem europäischen System aus, bringen viele Mitgliedstaaten gegen uns auf und verhindern durch irrationale Eigenwilligkeit europäische Kompromisslösungen. Wir führen Solidarität ständig im Munde, entsprechen selbst aber unseren Forderungen nach solidarischem und abgestimmtem Verhalten nicht. Deutschland hat sich durch verantwortungslose Willkommenspolitik, unterstützt durch willfährige Willkommensmedien, selbst stark überfordert. Die menschenwürdige Versorgung der vielen Flüchtlinge gestaltet sich häufig schwierig bis beschämend peinlich. Den deutschen Sicherheitskräften mangelt es an Personal und die innere Sicherheit ist in Deutschland nicht mehr hinreichend unter Kontrolle. Deutschland muss daher seinen Ausstieg aus rationaler, am Wohl des deutschen Volkes orientierter Politik stoppen, wenn wir einen Rechtsruck verhindern wollen. Kanzlerin Merkel hält aber an ihrer verfehlten Politik fest und zeigt vermeintlich „Haltung“, präsentiert sich aber eher uneinsichtig halsstarrig bis verbohrt. FDP-Parteichef Lindner hat die Kanzlerin nicht ohne Grund aufgefordert, die Vertrauensfrage zu stellen. In einem solchen Zusammenhang wäre das Parlament gefordert, seine Pflicht zu erfüllen und die Regierung einer Kontrolle zu unterziehen. So wurstelt die Kanzlerin ohne hinreichende Abstimmung mit der EU-Kommission mit Alleingängen vor sich hin und ist inzwischen in Europa weitgehend isoliert, zum Nachteil der deutschen Bürger.

Premierminister Valls plädiert auf der Münchner Sicherheitskonferenz gegen europäische Kontingentlösungen für Flüchtlinge und nimmt Merkel den französischen Rückhalt. Und auch der britische Botschafter in Deutschland, Wood, hat sich gegen Kontingente zur Verteilung von Flüchtlingen in der EU ausgesprochen. Österreich geht in der Flüchtlingspolitik immer mehr auf Distanz zu Deutschland und hat inzwischen Obergrenzen festgelegt und Grenzverstärkungen veranlasst. Die vier Visegrad-Staaten machen offen Front gegen europäische Kontingentlösungen und positionieren sich so als Merkel-Gegner. Die Unterstützung Mazedoniens für die Schließung der Grenze zu Griechenland und damit der Ausschluss der ziemlich unfähigen Helenen aus Schengen werden inzwischen offen diskutiert. Merkel kann jetzt nicht mehr übersehen, dass ihre Illusionen hinsichtlich europäischer Lösungen mehr und mehr zusammenbrechen. Deswegen hält sie es nun plötzlich für geradezu lächerlich, sich weiter für die europäische Kontingentlösung einzusetzen, denn von der vereinbarten Verteilung von 160.000 Flüchtlingen konnten ja bisher keine 1.000 untergebracht werden. Auch der Schutz der Ägäis als EU-Außengrenze ist äußerst fraglich, denn keiner traut Griechenland solchen effektiven Schutz zu. Die von Kanzlerin Merkel initiierte NATO-Aufklärung in der Ägäis wird daran wohl herzlich wenig ändern können.

Deswegen setzt Kanzlerin Merkel, vorwiegend im Alleingang, ziemlich verzweifelt auf ihr ganz neues aber auch letztes Pferd, die Türkei. Die Türkei hat den mit der EU verhandelten Aktionsplan mit dem vorgesehen ist, dass die türkischen Behörden massiv gegen die verbrecherischen Schleuser- und Schlepperbanden vorgehen, bisher nicht erfolgreich umgesetzt. Die Flüchtlingszahlen über die Ägäis sind derzeit nur jahreszeitlich bedingt etwas geringer. Die Türkei spielt im Zusammenhang mit dem Syrien-Konflikt ein mehrfach doppeltes Spiel. Die Türkei hat den IS in Syrien lange unterstützt und bringt sich jetzt bei der Bekämpfung des IS nicht konsequent in die westliche Koalition ein, sondern verfolgt durch Bombardements der mit den USA zusammenarbeitenden Kurden im Norden Syriens ganz eigene Ziele. Gegen die Vorstellungen der westlichen Allianz fordert die Türkei schon seit langer Zeit eine Flugverbotszone, mindestens aber eine Sicherheitszone, vorgeblich zum Schutz von Flüchtlingen, im Norden Syriens. Nun beschießt die Türkei die kurdischen Milizen im Norden unter Verletzung des syrischen Territoriums mit Artillerie, um die Bildung eines zusammenhängenden kurdischen Einflussgebietes zu verhindern. Trotz mehrfacher internationaler Appelle setzt die Türkei ihre militärischen Angriffe auf die Kurden fort.

Die nationalistisch und unsolidarisch handelnde islamische Türkei hat sich islamistisch entwickelt und nach dem jüngsten Fortschrittsbericht der EU hauptsächlich im Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit, Verwirklichung der Menschenrechte sowie der Meinungs- und Pressefreiheit sogar rückentwickelt. Die Türkei unter dem autokratisch agierenden Erdogan ist als Partner sehr wenig vertrauenswürdig. Diese Türkei hofiert Kanzlerin Merkel durch mehrfache, nicht mit der EU abgestimmte Bittstellerbesuche und trägt so dazu bei, dass dem zunehmend autoritären Regime ungerechtfertigte Zugeständnisse gemacht werden. Da eine Mehrheit der EU-Mitglieder der Auffassung ist, dass die muslimisch geprägte Türkei nicht zu Europa gehört, isoliert Merkel Deutschland noch mehr. 

Kanzlerin Merkel setzt nun ausschließlich auf eine gemeinsame Lösung mit der Türkei und will dadurch die Fluchtursachen reduzieren. Deswegen unterstützt sie Erdogan, den die Opposition - ausnahmsweise einmal berechtigt - „eine personifizierte Fluchtursache“ nennt, bei seiner Forderung über Syrien eine Flugverbotszone einzurichten. Dadurch setzt sich Merkel in Widerspruch zur westlichen Allianz, die sich mit deutscher Unterstützung versucht, den IS niederzuringen. Man fragt sich, wer die Kanzlerin berät, aber vielleicht ist sie ja inzwischen beratungsresistent. 

In dieser Lage ermutigt EU-Kommissionspräsident Juncker Bundeskanzlerin Merkel via „Bild“-Zeitung, bei ihrer Linie zu bleiben und sich für eine europäische Lösung einzusetzen. Er glaubt, die Geschichte werde Merkel Recht geben. Das wirft die Frage auf, wer von der hochbezahlten „politischeren“ Kommission unter dem erkennbar deutlich überforderten Juncker sich erfolgreich für eine europäische Lösung mit Aussicht auf Erfolg einsetzt. Die Europäische Union ist hoffnungslos zerstritten und inzwischen handlungsunfähig. Die Geschichte wird von ziemlich erfolglosen EU-Ratspräsidenten, EU-Außenbeauftragten, EU-Kommissionpräsidenten der Jahre 2015/2016 berichten, die den Zerfall der EU zugelassen haben. Und die Geschichte wird nicht über die zahlreichen Fehler der Kanzlerin Merkel in den Monaten seit September 2015 hinwegsehen können.

(17.02.2016)

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte