Hans-Heinrich Dieter

EuropĂ€isches Dilemma   (04.03.2014)

 

Durch die Invasion der Krim tritt Russland die Charta der Vereinten Nationen mit FĂŒĂŸen. Die Vereinten Nationen sind merkwĂŒrdig kleinlaut. Die G7-Staaten und die EuropĂ€ische Union haben sich dazu entschlossen, das Vorbereitungstreffen auf den G8-Gipfel in Sotchi zu boykottieren. Sie signalisieren der FĂŒhrung in Moskau damit ihre Empörung ĂŒber die Verletzung der SouverĂ€nitĂ€t der Ukraine durch Russland. NATO-GeneralsekretĂ€r Rasmussen hat den russischen PrĂ€sidenten als Aggressor gebrandmarkt. US-PrĂ€sident Obamas warnt Putin, dass eine Invasion in der Ukraine mit einem hohen Preis verbunden wĂ€re – welche auch immer. Die Forderungen nach harten Sanktionen gegen Russland werden nicht nur von US-Republikanern erhoben. Die diplomatischen DrĂ€hte glĂŒhen. Besonnene Politiker plĂ€dieren dafĂŒr, die GesprĂ€chskanĂ€le zu Russland offen zu halten und Kanzlerin Merkel hat eine GesprĂ€chsrunde mit Teilnehmern der Ukraine, Russlands, der EU und der USA zur Beilegung des Konfliktes angeregt. Das alles zeigt, dass die westliche Welt einem Autokraten und Neoimperialisten, der bereit ist, großrussische Interessen sogar mit militĂ€rischen Mitteln zu verfolgen, sehr wenig entgegenzusetzen hat. Hier wird ein europĂ€isches Dilemma offensichtlich.

Die USA als letzte globale Supermacht leidet unter internationalem AutoritĂ€tsverlust. US-PrĂ€sident Obama ist wenig glaubwĂŒrdig und beeindruckt Putin offenbar sehr wenig. Die EuropĂ€ische Union ist zu schwach und zu heterogen, um Putin etwas entgegenzusetzen. Die NATO hat gegenĂŒber Russland im Ukraine-Konflikt keine militĂ€rische Handhabe. Die nationalen europĂ€ischen Staaten haben unterschiedliche Interessen und AbhĂ€ngigkeiten gegenĂŒber Russland und fĂŒhlen sich einer gemeinsamen europĂ€ischen Außen- und Sicherheitspolitik nur relativ wenig verbunden. Über mögliche Sanktionen wird intensiv verhandelt werden – mögliches Ergebnis ist der kleinste gemeinsame Nenner. Europa hat russischem Großmachtchauvinismus tatsĂ€chlich herzlich wenig entgegenzusetzen. Die „Stirn“ kann Europa Putin nicht wirklich bieten. Deswegen ist in der Öffentlichkeit und in den Medien immer hĂ€ufiger die Rede davon, dass man Russland „ZugestĂ€ndnisse“ machen mĂŒsse, man dĂŒrfe Russland nicht noch mehr isolieren und in die Enge treiben, man mĂŒsse die „verletzte“ russische Seele verstehen, etc….

Putin hört es und ist zufrieden. Er fĂŒhlt sich sogar beflĂŒgelt und stellt in einem Interview öffentlich und unverfroren fest, bislang gebe es noch keine Notwendigkeit fĂŒr einen MilitĂ€reinsatz in der Ukraine. Allerdings behalte sich Russland „alle Mittel“ zum Schutz seiner BĂŒrger in der Ukraine vor. Sollte es im Osten der Ukraine zu Unruhen kommen, werde Russland gegebenenfalls einschreiten. Mit solchen Menschen wird der diplomatische Dialog schwer werden.

Wie will man erfolgreich mit einem als KGB-Agent im Kalten Krieg sozialisierten Politiker verhandeln, der eher in Kategorien großrussischer Interessen und sowjetischer Ideologie denkt als in Kategorien der Demokratie, der Menschenrechte und des Rechtsstaats und der sich einen Dreck um die SouverĂ€nitĂ€t und IntegritĂ€t anderer Staaten schert? Diese schwierige Psyche des russischen PrĂ€sidenten sollten die europĂ€ischen GesprĂ€chspartner im Hinterkopf behalten, denn weitgehende ZugestĂ€ndnisse werden von Putin als SchwĂ€che ausgelegt und sind fĂŒr ihn Ansporn, mit dieser aus seiner Sicht erfolgreichen Politik fortzufahren. Und die europĂ€ischen GesprĂ€chspartner sollten sich auch nicht zu stark von der Vorstellung leiten lassen, man brauche Putin fĂŒr die Lösung anderer Konflikte wie Syrien und Iran. Russland wird zu Kompromissen nur bereit sein, wenn es seinen Interessen nicht schadet. Russland ist kein konstruktiver Partner auf der politischen WeltbĂŒhne, das destruktive russische Verhalten im Weltsicherheitsrat hinsichtlich der jĂŒngsten Konflikte sind da Zeugnis genug. Und die europĂ€ischen Staaten sollten den Mut aufbringen, wirtschaftliche AbhĂ€ngigkeiten zu ĂŒberdenken. Dass Deutschland mehr als ein Drittel des Gasimports und rund 36 Prozent der Öleinfuhr aus Russland erhĂ€lt, ist politisch höchst gefĂ€hrlich und sollte geĂ€ndert werden.

Letzten Endes ist Russland ausschließlich durch BeschrĂ€nkungen der Wirtschafts-, Finanz- und Verkehrsbeziehungen zu treffen. Aber selbst solche Maßnahmen wollen mit Vernunft ergriffen werden, denn es gilt auch, eine noch stĂ€rkere Allianz Russlands und Chinas zu verhindern. Es wird schwer werden, aus diesem Dilemma herauszufinden. Was auch immer politisch in die Wege geleitet wird, muss verhindern, dass Putin sich in seinem völkerrechtswidrigen Handeln bestĂ€rkt fĂŒhlt, weil er keine Nachteile hat, aber Russland nur Vorteile daraus zieht. Osteuropa und Zentralasien wĂ€ren sonst höchst unsichere Regionen.

(04.03.2014)

 

 

nach oben

 

zurĂŒck zur Seite Klare Worte