Hans-Heinrich Dieter

Falsche Begriffe, falsches Verständnis   (20.03.2013)

 

SPIEGEL-online hatte morgens einen Artikel über die Reise des Bundespräsidenten nach Äthiopien überschrieben „Besuch der First Freundin“. Da hat wohl der Chefredakteur eingegriffen und nachmittags heißt die Ãœberschrift über demselben Artikel: „Gauck-Partnerin Daniela Schadt: Natürlich First Lady“. Ob Bundespräsident Gauck persönlich eingegriffen hat, das Bundespräsidialamt oder nur der aufmerksame Chefredakteur, ohne Anstoß von außen, werden wir nicht erfahren. Es ist auch unerheblich, denn sowohl „First Freundin“ als auch „First Lady“ sind falsche Begriffe und offenbaren ein falsches Verständnis.

In Deutschland haben wir eine parlamentarische Demokratie und verstehen uns als eine Republik. Die Gewalten sind entsprechend geteilt und die Volksvertreter vom Souverän, dem Volk, gewählt. Der Bundespräsident wird nicht vom Volk direkt gewählt und hat als Staatsoberhaupt vorwiegend repräsentative Aufgaben. Er ist zwar in der protokollarischen Rangfolge die Nummer 1 in Deutschland, das macht den Amtsinhaber aber noch nicht zum „First Gentleman“, denn „Gentleman“ ist im englischsprachigen Raum auch mit Persönlichkeitswerten verbunden, die zum Beispiel ein Herr Wulff offenbar nicht hat. Die Ehefrau oder Partnerin des Bundespräsidenten hat, anders als in den USA, keinen Einfluss auf die Wahl des Bundespräsidenten und sie hat keine Funktion, außer natürlich die wichtige Lebenspartnerin des Bundespräsidenten zu sein. Man sollte deswegen auch Begriffe, die nicht in unser demokratisches System passen wie „First Lady“, nicht aus dem Englischen übernehmen. Außerdem lehrt die Geschichte, dass Partnerinnen von Bundespräsidenten – wie die vorherige – nicht alle die Qualifikation zur Lady haben. Wie ursprünglich gedacht, sollte nur die Ehefrau des amerikanischen Präsidenten First Lady genannt werden.

Die protokollarische Nummer 2 ist der Bundestagspräsident, seine Ehefrau würde es sich wahrscheinlich verbitten, „Second Lady“ genannt zu werden.

Und die Bundeskanzlerin als protokollarische Nummer 3 und eigentliche politische „Powerfrau“ in Deutschland und Europa würde wahrscheinlich verständnislos schmunzeln, wenn man sie nach dem Befinden ihres „Third Gentleman“ fragen würde.

(20.03.2013)

 

 

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