Hans-Heinrich Dieter

Frisch, forsch, fröhlich...(07.02.2014)

 

Frisch, forsch und fröhlich kündigt Verteidigungsministerin von der Leyen - vorsichtig unterstützt durch Außenminister Steinmeier - ein stärkeres internationales Engagement Deutschlands an, vor allem in Afrika.

Bereits jetzt stoße die Bundeswehr an ihre Grenzen, meint dagegen der Wehrbeauftragte des Bundestages Königshaus. Viele Soldaten klagten über zu häufige Einsätze und zu kurze Regenerationszeiten. Nach vier Monaten im Ausland sollen die Rückkehrer 20 Monate einsatzfrei gehalten werden. Das gelingt immer seltener, heißt es im Jahresbericht 2013. Der Wehrbeauftragte ist kein heuriger Hase und kennt die innere Lage der Bundeswehr gut. Seine Warnungen sollten nicht schnöde vom Tisch gewischt werden.

Frau von der Leyen allerdings sieht die Bundeswehr noch nicht an der Grenze ihrer Einsatzfähigkeit. Sie meint: "Es hat Zeiten gegeben, da waren 11.000 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Zurzeit sind 5000 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, da der Afghanistan-Einsatz sich dem Ende zuneigt." Deshalb gebe es also Kapazitäten für die aktuellen und geplanten Einsätze.

Diese Argumentation ist oberflächlich. Wer nur Soldaten-Zahlen gegeneinander aufrechnet, wird der Bedeutung von "Einsatzfähigkeit" nicht gerecht. Als 11.000 Soldaten und Soldatinnen im Einsatz waren, wurde die Truppe noch nicht von der Neuausrichtung belastet wie heute. Der beamtete Staatssekretär im Verteidigungsministerium Beemelmans hat einmal erkennbar stolz und sehr wenig sinnvoll zur Bundeswehrreform gesagt, „Die Neuausrichtung kommt eher einer Reparatur am laufenden Motor in voller Fahrt gleich!“ Inzwischen weiß sicher auch dieser Strukturreform-unerfahrene Staatssekretär, dass eine Reparatur an einem laufenden Motor nicht zum Erfolg führen kann. Jetzt sieht es so aus, als ob der Motor stottert, langsam reparaturbedürftig wird und die Neuausrichtung weniger erfolgreich ist als gedacht. Bei der Abschaffung der Wehrpflicht, bei Umstrukturierungen und Kasernenschließungen wurden Fehler gemacht und die Neuausrichtung wurde von schneidigen Technokraten ungeschickt kommuniziert. Das belastet die Soldaten stark und beeinträchtigt die Motivation. Die entsprechende innere Lage spiegelt sich im Bericht des Wehrbeauftragten. Diese innere Lage ist ein wesentlicher Faktor der Einsatzfähigkeit.

Derzeit sind 5000 deutsche Soldaten im Ausland eingesetzt, allerdings in mehr als zehn Ländern. Das erfordert einen hohen und belastenden personellen und materiellen Organisationsaufwand. Jeder Einsatz ist anders, aber die daraus resultierenden Belastungen sind ungleich und einseitig verteilt. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr ist in höchstem Maße belastet. Im Bericht 2012 klagt der Wehrbeauftragte im Grundsatz über zu wenige Ärzte und Pfleger, mangelhafte Aus- und Weiterbildung und eine unzureichende medizinische und psychologische Betreuung von Soldaten, die aus dem Auslandseinsatz kommen. Hauptsächlich „Im klinischen Bereich ist die Lage vor allem bei den Chirurgen und Psychiatern mit einem Fehl von bis zu 25 Prozent besonders angespannt“. Der Afghanistaneinsatz hat die Anforderungen an die Militärärzte verstärkt. Viele Mediziner waren schon sehr häufig im Einsatz, denn gerade bei den Ärzten besteht ein großer Personalmangel. Aber auch bei den Truppenärzten in den Kasernen sind ein Fünftel der Stellen unbesetzt. Und trotzdem bieten wir - wie in Mali - immer wieder Sanitätseinrichtungen als deutschen Beitrag an.

Die Transportflieger der Luftwaffe fliegen unablässig für die unterschiedlichen Auslandseinsätze und trotzdem bieten wir immer wieder Lufttransportunterstützung an, um "gefährlichere" Beiträge zu vermeiden, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Der mögliche Umfang militärischer Einsätze richtet sich aber auch nach der Effizienz. Einer sehr interessanten Studie der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) von 2011 zur Folge ist die Bundeswehr im Vergleich der europäischen Armeen äußerst ineffizient. Die Bundeswehr kann derzeit lediglich 7.000 Soldaten einsetzen, während es bei den britischen Streitkräften 22.000 und bei der französischen Grande Armee 30.000 Soldaten sein sollen. Der Studie entsprechend stehen sage und schreibe hinter jedem Bundeswehrsoldaten im Einsatz 35 Soldaten und 15 zivile Mitarbeiter in Deutschland für den Grundbetrieb und zur Unterstützung. Bei den Franzosen stehen hinter jedem Einsatzsoldaten acht Soldaten und zwei zivile Mitarbeiter in der Heimat, bei den Briten sind es neun Soldaten und vier Zivilisten und EU-weit unterstützen 16 Soldaten und vier Zivilbedienstete die Soldaten im Einsatz. Nach der Studie der EDA liegen außerdem die deutschen Ausgaben pro Soldatenkopf im Einsatz mit 5,16 Millionen Euro dreimal so hoch wie im EU-Durchschnitt. Hier werden Grenzen sehr schnell deutlich.

Und wer über die Grenzen der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr befindet, muss auch zur Kenntnis nehmen, dass die Befähigung der Bundeswehr zu weltweitem militärischem Engagement derzeit in mehrfacher Hinsicht - Lufttransport, Aufklärungskapazität, Luftunterstützung, Luftrettung - nur unzureichend gegeben ist. Aber die Ministerin hat ja bei ihrem Afghanistanbesuch festgestellt, dass die Soldatinnen und Soldaten die beste Ausrüstung für die Auftragserfüllung brauchen - und natürlich bekommen sollen. Das wird allerdings noch etwas dauern.

Die Bundeswehr ist seit Jahren unterfinanziert. Die Soldaten der Bundeswehr werden seit mehr als 20 Jahren von einer Strukturreform in die andere geschickt und haben das trotz intensiver Einsatzbelastungen treu und gehorsam ertragen. Da sollte man die Grenzen der Einsatzfähigkeit nicht nur frisch, forsch und fröhlich rhetorisch nach oben schrauben, sondern sich mit den Fakten fair auseinandersetzen und die Rahmenbedingungen für eine Steigerung der Einsatzfähigkeit schaffen. Da bleibt viel zu tun.

(07.02.2014)

 

 

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