Hans-Heinrich Dieter

Geheimnisverrat durch Medien   (01.08.2015)

 

Die Bundesanwaltschaft hat gegen Journalisten des Blogs "Netzpolitik.org" ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf Landesverrat und die Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen eingeleitet. Das Blog hatte in zwei Artikeln die Pläne zum Ausbau der Internet-Überwachung beschrieben und dazu Inhalte von Dokumenten des Verfassungsschutzes veröffentlicht, die als vertrauliche Verschlusssachen eingestuft waren. Der Blogger Beckedahl hat die Veröffentlichung bereits zugegeben und damit begründet, dass er die Öffentlichkeit auf den Ausbau der Internet-Überwachung aufmerksam machen wollte. Auslöser für Ermittlungen und Strafverfahren durch Generalbundesanwalt Range war eine Anzeige von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen beim Landeskriminalamt Berlin.

Wenn Geheimdokumente einer Behörde veröffentlicht werden, dann muss ein Behördenleiter einem solchen Gesetzesverstoß auf der Grundlage unseres Rechtssystems, zum Beispiel durch eine Anzeige, begegnen. Wenn ein Anfangsverdacht hinsichtlich eines Gesetzesverstoßes vorliegt, dann ist es die Pflicht des Generalbundesanwaltes, zu ermitteln. Kommt der Generalbundesanwalt zu der Überzeugung, dass eine schwerwiegende Straftat vorliegt, dann hat er ein Strafverfahren einzuleiten. In unserem Rechtsstaat hat sich jeder - auch Journalisten - an Gesetze zu halten. Und wir können als Bürger darauf vertrauen, dass objektiv und unabhängig ermittelt wird und sowohl be- als auch entlastenden Hinweisen nachgegangen wird. Wenn die Journalisten unschuldig sind, dann wird das Verfahren eingestellt oder sie werden freigesprochen.

Statt sich dem Verfahren zu stellen, vermutet Blogger Beckedahl hinter den Ermittlungen einen Einschüchterungsversuch, nicht nur gegen die Journalisten selbst. Der Deutsche Journalisten-Verband kritisierte die Ermittlungen als Justizposse, ja als einen Angriff auf die Pressefreiheit, und unterstellt einen "unzulässigen Versuch, zwei kritische Kollegen mundtot zu machen". Der offenbar profilneurotische Grünen-Politiker Konstantin von Notz bezeichnet die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen zwei Journalisten von "netzpolitik.org" wegen Landesverrats als "maximal bizarren Vorgang". Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Kubicki hält die Ermittlungen sogar für einen Angriff auf den Rechtsstaat und auch er unterstellt Einschüchterung von Journalisten.

In den Medien entwickelte sich natürlich - wie immer, wenn Medien kritisiert werden - sofort eine Art Solidaritäts-Shitstorm. Für die SÜDWEST PRESSE aus Ulm rollt der Zug "in Richtung Überwachungsstaat". Die FRANKFURTER RUNDSCHAU meint "das Vorgehen der Bundesstaatsanwaltschaft ist eines demokratischen Rechtsstaates nicht würdig. Ja, es hat das Zeug zur Staatsaffäre." Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg stellt fest: "Die Ermittlungen gegen Journalisten wegen des Verdachts auf Landesverrat sind ein Stück aus dem Tollhaus." Die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld doziert ein wenig am Gegenstand der Aufregung und Empörung vorbei: "Wer freie Berichterstattung und Recherche von Journalisten einzuschränken versucht, legt Hand ans Grundgesetz." Diese Herren Journalisten merken offenbar nicht, wie wenig sachlich fundiert sie da vor sich hin schreiben. Schade, dass solch unsachlicher öffentlicher Druck Generalbundesanwalt Range dazu gebracht hat, die Ermittlungen vorerst ruhen zu lassen.

Tatsache ist, wenn Journalisten Geheimdokumente veröffentlichen oder weitergeben, dann machen sie sich genauso strafbar wie andere Personen, wenn sie geheimhaltungsbedürftige Dokumente in fremde Hände geben. Es ist nicht Aufgabe der Politik, zu beurteilen, ob ein hinreichender Anfangsverdacht für Ermittlungen gegeben ist. Und es kann nicht das Recht der Journalisten sein, sich in dreister Anmaßung über Recht und Gesetz zu stellen wie zum Beispiel Falk Steiner, Korrespondent des Deutschlandfunks in Berlin: „Wäre ja auch noch schöner, wenn Exekutive per locker sitzendem VS-Stempel mal eben entscheiden dürfte, was ich berichten darf.“

Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut und muss verteidigt werden. Sie muss aber auch geschützt werden vor solchen Journalisten, die glauben, ihre journalistische und investigative Freiheit sei uneingeschränkt. Pressefreiheit kann nicht schrankenlos sein, sondern sie endet dort, wo die Freiheit anderer beeinträchtigt wird. Der Staat hat ein Recht auf Geheimhaltung. Und ich als Staatsbürger habe ein Recht auf ein nach Recht und Gesetz funktionierendes Gemeinwesen.

Ob bei der Veröffentlichung einer VS-vertraulichen Verschlusssache des Verfassungsschutzes der Tatbestand des Landesverrates erhärtet werden kann, weil durch die Veröffentlichung die Gefahr eines Schadens für die Bundesrepublik entsteht, müssen die Ermittlungen ergeben. Die sollte man auf der Grundlage unserer Rechtsordnung zuende führen, möglichst ungestört von Verleumdungen, Unterstellungen, Empörungsgehabe und Skandalisierungen durch Politiker und Journalisten.

Wie sagte der Autor und investigative Journalist Walter van Rossum am 09.06.2015 bei einer Diskussionsveranstaltung des Deutschlandfunks zur Journalismuskritik: "Der Profijournalismus ist in einem schauerlich-dümmlichen Narrativ von den Guten und den Bösen." Es sei Irrsinn und gefährlich, was manche Redakteure sich erlaubten, aber "Journalisten sind nicht belangbar." Das wäre gefährlich für unsere demokratische Ordnung und unseren Rechtsstaat, denn auch jounalistisches Fehlverhalten muss einer juristischen Prüfung unterzogen werden können.

(01.08.2015)

 

 

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