Hans-Heinrich Dieter

Gipfel der Handlungsunfähigkeit   (16.12.2016)

 

Im Vorfeld des EU-Gipfels hat sich EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mehrfach zu Wort gemeldet. Seit Trumps Wahlsieg sorgt er sich um Europas Sicherheit. Er sieht den Kontinent militärisch schlecht gerüstet. Ein „Hühnerhaufen“ sei besser organisiert, stellt er lapidar fest. Dabei will er doch eigentlich ein politischer Kommissionschef sein und hat es nicht einmal geschafft, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU formulieren zu lassen. Er spricht also auch über sich selbst als den offenbar „impotenten Hahn“ des „Hühnerhaufens“.

Und Juncker erweitert die Skizze der derzeitigen Lage der EU in der ZDF-Sendung „Was nun Herr Juncker?“, indem er von einer „Poly-Krise“ spricht, weil es an allen Ecken und Enden brenne. Das liege auch daran, dass die EU die Flüchtlingskrise noch „nicht im Griff habe“. Da es Juncker - auch strukturell bedingt - an Durchsetzungsmöglichkeiten, aber auch an persönlicher Durchsetzungsfähigkeit fehlt, hat er selbst wenig zur Bewältigung der Flüchtlingskrise beigetragen.

Juncker wandte sich dabei auch gegen Kritik, dass Europa im Syrien-Konflikt nicht genug getan habe. „Hätten wir Soldaten hinschicken sollen?“, fragte er brüsk. Europa dränge aber „mit allen Mitteln“ darauf, dass es „humanitäre Lösungen“ für die Zivilbevölkerung in Syrien gebe. In dem Zusammenhang lehnt Juncker aber Sanktionen gegen Moskau wegen des russischen Vorgehens in Syrien ab, weil Sanktionen Russland nicht beeindrucken würden. Derartige Forderungen hält Juncker sogar für ein Zeichen der „Naivität“. Deswegen könne Europa nur versuchen „mit den Mitteln der Diplomatie Einfluss zu nehmen“. Ja, es hat EU-Appelle, die üblichen stereotypen Statements europäischer Außenminister im Diplomatensprech etc, etc …gegeben - ohne Wirkung und Erfolg, weil die EU bei den Gesprächspartnern nicht geachtet wird und für ihre Hilflosigkeit bekannt ist. In solchen Fällen kommt der Rückzug auf das alleinige Mittel der Diplomatie dem politischen Nichtstun gleich und durch solches Nichtstun macht sich die EU auch schuldig! Dabei ist offensichtlich, dass die EU-Sanktionen gegen Russland wegen des Ukrainekrieges sehr wirksam sind. Und wenn die EU schon keine Soldaten schicken kann und will, dann muss man das einzige mögliche Mittel - Wirtschafts-Sanktionen - ergreifen, auch wenn es schwer fällt. Denn Appelle und Diplomatensprech gehen bei Putin, wie auch bei Erdogan, in das eine Ohr hinein und aus dem anderen Ohr wieder hinaus. Nur konsequente Maßnahmen, die die eigene Wirtschaft oder Gefolgschaft beeinträchtigen, nötigen aggressiven Autokraten wie Putin Respekt ab.

Und dann stellt sich Juncker mit wenig demokratischem Gefühl in der Frage des Einfrierens der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auch noch gegen die mit großer Mehrheit getroffene Entscheidung des EU-Parlaments. Was für ein Bild von einem Kommissionspräsidenten!

Unter solchen Rahmenbedingungen konnte das EU-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs auch kein wirklicher Erfolg oder zumindest ein Beitrag zu mehr Solidarität und gemeinsamem Wertebewusstsein werden. Immerhin ist die Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Krieges bis Mitte 2017 gelungen. Es gibt außerdem mehr Klarheit im Zusammenhang mit dem Assoziierungsabkommen mit der Ukraine. Die Beilegung der Flüchtlingskrise ist weiterhin nicht gelungen, die Frage der innereuropäischen Verteilung ist nicht gelöst. Und beim letzten Tagesordnungspunkt Brexit hat man offenbar überhaupt nicht angefangen, ernsthaft zu diskutieren, weil der Antrag Großbritanniens ja noch nicht vorliegt. Dabei ist es jetzt wichtig, dass über Ziele und Eckpunkte einer Verhandlungsstrategie der EU Einigkeit erzielt wird, um den vorbereitenden Brexit-Arbeiten des EU-Beauftragten Michel Barnier Richtung und Rahmen zu geben.

Die EU wirkt unsicher, hilflos, planlos, und handlungsunfähig. Das muss sich dringend ändern, denn wir brauchen eine handlungsfähige EU für die Zukunft Europas. Eine handlungsunfähige EU ist zu teuer!

(16.12.2016)

 

 

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