Hans-Heinrich Dieter

Handlungsunfähige UNO   (28.11.2018)

 

Angesichts der augenblicklichen russischen Kriegstreiberei am Asowschen Meer - im Zusammenhang mit der Annexion der Krim 2014 - wird die Ohnmacht der UNO erneut überdeutlich. Die Handlungsunfähigkeit hat zwei wesentliche Ursachen, die abnehmende Solidarität der Mitgliedstaaten untereinander und die überholte Struktur des UN-Sicherheitsrates, die eine andauernde Selbstblockade hervorruft.

Dieser UN-Sicherheitsrat ist seit Jahren unter anderem nicht in der Lage, sich auf eine gemeinsame Position im Fall des Syrienkrieges zu einigen und einen Beitrag zur Beendigung des Leidens der geschundenen syrischen Bevölkerung zu leisten – um nur das jüngste Beispiel von UN-Versagen zu nennen!

Das ist beschämend, wenn man sich die Ziele der UN erneut vor Augen führt.

Gemäß ihrer Charta wollen die UN unter anderem:

  • Weltfrieden und internationale Sicherheit wahren
  • alle Streitigkeiten friedlich schlichten
  • freundschaftliche Zusammenarbeit zur Friedenssicherung fördern…

Diese Ziele erreichen die UN nicht oder nur sehr unzureichend, weil sich die politische Lage grundlegend geändert hat und die Nachkriegsstruktur der UN, hauptsächlich des Sicherheitsrates, der aktuellen politischen Lage nicht mehr entspricht. Denn der UN-Sicherheitsrat besteht hauptsächlich aus den fünf ständigen Vetomächten China, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA, die inzwischen stark unterschiedliche politische Ziele verfolgen. Die zehn nichtständigen Mitglieder spielen eine nachgeordnete Rolle, weil Mehrheitsentscheidungen durch das Veto einer der Nachkriegsmächte zunichte gemacht werden können. Und Handlungsunfähigkeit aufgrund eines Vetos ist in letzter Zeit die Regel. Da kann nur eine Reorganisation des UN-Sicherheitsrates helfen!

Bei Überlegungen zur Reorganisation des UN-Sicherheitsrates muss man sich zunächst fragen, auf welcher politischen oder moralischen Grundlage einzelnen Nationen heute noch ein Veto-Recht zugebilligt werden darf. Denn die fünf Sieger des Zweiten Weltkrieges und heutigen Veto-Mächte haben sich nach 1945 mit der Welt verändert und keine dieser Mächte trägt heute noch wesentlich zur Erreichung der wichtigen UN-Ziele bei.

Die USA sind Supermacht geblieben, haben aber durch den verlorenen Vietnamkrieg und den ungerechtfertigten zweiten Irakkrieg moralischen Anspruch stark eingebüßt und sehr deutlich an Glaubwürdigkeit verloren. Derzeit reduzieren sich die USA selbst zu einer isolierten Regional-Großmacht. Die Sowjetunion ist inzwischen zusammengebrochen und Russland ist schon lange keine Supermacht mehr. Russland versteht sich inzwischen als Gegner der westlichen Welt und scheut zur Durchsetzung seiner Machtinteressen vor Völkerrechtsverletzungen nicht zurück. Das kommunistische China hat eine bemerkenswerte wirtschaftliche Entwicklung geleistet und strebt aggressiv die Vorherrschaft im pazifischen Raum an, das hat eine gleichsam natürliche Gegnerschaft mit den USA zur Folge und begründet eine stark eingeschränkte Bereitschaft zur Zusammenarbeit im UN-Sicherheitsrat. Großbritannien repräsentiert nicht mehr das British Empire, hat an Bedeutung in der Weltpolitik und auch in Europa stark eingebüßt und deswegen ist auch seine privilegierte Stellung mit ständigem Sitz im Weltsicherheitsrat und Vetorecht nicht mehr gerechtfertigt. Frankreich versteht sich unverändert selbst als Grande Nation, ist aber politisch und mit seiner desolaten Wirtschaft weit davon entfernt, dem selbstgesetzten Anspruch nur annähernd gerecht zu werden. Deswegen ist auch eine privilegierte Stellung Frankreichs in den Vereinten Nationen nicht mehr gerechtfertigt.

Man kann es auch kürzer fassen und feststellen: Russland gefährdet durch aggressive Missachtung der Souveränität der Ukraine und durch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim sowie durch die Verletzung des Abkommens von 2003, das die Meerenge von Kertsch und das Asowsche Meer als gemeinsame Territorialgewässer definiert, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit. Statt Streitigkeiten friedlich schlichten zu wollen, hat Russland massiv in den syrischen Bürgerkrieg auf Seiten Assads eingriffen und zu freundschaftlicher Zusammenarbeit ist Russland nicht fähig oder gewillt, wie die Missachtung des Minsker Friedensabkommens und die Verweigerung jeglicher Schlichtung in der gegenwärtigen Kertsch-Krise zeigen. Russland hat jegliches moralisches Recht auf eine privilegierte Veto-Rolle in der UNO verloren. Die USA sind zunehmend nationalistisch eingestellt und interessieren sich für internationale Sicherheit nur, wenn es dem Ziel „America first“ dient. Darüber hinaus destabilisieren die USA derzeit die internationale politische und wirtschaftliche Ordnung, sind nicht zusammenarbeitsfähig und nicht würdig, Veto-Macht zu sein. China leistet keinen Beitrag zur Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, sondern destabilisiert durch aggressive Politik das südchinesische Meer. Es gibt keinen plausiblen Grund für das Veto-Privileg Chinas im Sicherheitsrat. Frankreich und Großbritannien sind – wie Deutschland auch – nur im Rahmen der EU oder der NATO in der Lage, zum Weltfrieden und zur internationalen Sicherheit beizutragen und haben ein Veto-Recht nicht mehr verdient.

Die UNO wird in der heutigen krisengeschüttelten Zeit mehr denn je als handlungsfähige Welt-Organisation zur Lösung globaler Probleme gebraucht. Deshalb darf eine durch die Selbstblockade des Sicherheitsrates erzeugte Handlungsunfähigkeit nicht länger hingenommen werden. Daher ist eine Reorganisation des UN-Sicherheitsrates durch Abschaffung des Vetorechtes der fünf ständigen Mitglieder und Einführung demokratischer, verbindlicher Mehrheitsentscheidungen zwingend geboten, auch um den wachsenden Zweifel der Bürger dieser Welt am möglichen Erfolg und zunehmend auch am Sinn der Weltorganisation zu überwinden.

Was nützt eine Weltorganisation, die zum realen Wohl der Bürger dieser Welt nur sehr wenig beitragen kann?

(28.11.2018)

 

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http://www.hansheinrichdieter.de/html/unitednations.html

 

 

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