Hans-Heinrich Dieter

Heiße Drähte - heiße Luft   (24.08.2014)

 

Russland hat sich durch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und durch die Destabilisierung der Ukraine unter fortgesetzter Missachtung der Souveränität und Integrität des Nachbarstaates international zunehmend isoliert. Präsident Putin wird wo möglich gemieden, gilt den meisten Europäern nicht mehr als Partner sondern als Gegner und hat das Vertrauen in sich als Person und Politiker weitgehend verspielt.

Da ist es schon interessant festzustellen, welche westlichen Politiker wie häufig mit dem russischen Präsidenten telefonieren. Im Zeitraum vom Januar bis Mitte August 2014 behauptet Kanzlerin Merkel mit Abstand den Spitzenplatz mit 33 Telefonaten. Präsident Hollande kommt lediglich auf 15, Obama auf 10 und Premier Cameron ist mit nur 6 Anrufen weit abgeschlagen. Frau Merkel, sicher eine Stimme mit Gewicht, versuchte wieder und wieder den notorisch lügenden Putin dazu zu bewegen, seine Position im Ukraine-Konflikt zu verändern. Mit den häufigsten Telefonbemühungen war sie dann folglich auch am häufigsten erfolglos.

Nun kommt es sicher nicht allein auf die Häufigkeit der Kontakte an, sondern auf die besprochenen Inhalte und auf messbare Erfolge der Telefonate. Und da kann man von positiven Ergebnissen der Telefondiplomatie nicht sprechen, denn Putin hält unbeirrt an seiner neo-imperialistischen Großrusslandpolitik fest. Er unterstützt die prorussischen Separatisten/Terroristen/Söldner/Kriminellen mehr oder weniger offen mit frischem Profi-Personal, mit Waffen und Logistik, er fährt seine Drohgebärden hoch und reduziert sie dann wieder marginal als vermeintliches Signal guten Willens, er betreibt die Destabilisierung und wirtschaftliche Schwächung der Ukraine unverhohlen und setzt sich über Absprachen sowie Vereinbarungen hinweg und ist stets bereit, die Souveränität und Integrität der Ukraine sogar unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe zu verletzen. Die Telefonate haben also „die Gesprächskanäle“ offen gehalten, haben Putin vor schärferen Sanktionen gewarnt, haben ihm in schärfsten Fällen sicher auch vorsichtige Missbilligung der russischen Politik übermittelt – aber Putin nicht beeindruckt und schon überhaupt nicht zur Änderung seines, der internationalen Friedensordnung abträglichen, Verhaltens bewogen. Positive Ergebnisse für die westliche Welt sind nicht zu verzeichnen – im Gegenteil.

Putin wird meist angerufen und somit hofiert, das gefällt ihm und gibt ihm das Gefühl von politischer Bedeutung und Macht, das er für sein Ego dringend braucht. Die internationale Isolation Putins wird immer wieder aufgeweicht und abgewertet. Putin nutzt die Telefonate jeweils für seine Propaganda, denn die Gesprächsergebnisse, die von den westlichen Politikern veröffentlicht werden, unterscheiden sich eklatant von den Verlautbarungen der russischen Staatsmedien. Und Putin hat so die Gelegenheit, der politisch indoktrinierten russischen Bevölkerung immer wieder deutlich zu machen, wie konsequent und erfolgreich er für die großrussische Sache des Volkes kämpft. Die erfolglose Telefonitis wird dann noch verstärkt durch die erfolglose Einladungs- und Gesprächsdiplomatie des deutschen Außenministers. Der Misserfolg solcher Bemühungen ist erkennbar vorprogrammiert, weil Außenminister Lawrow der Wadenbeißer Putins ohne Verhandlungsvollmacht ist und solche Gesprächsmöglichkeiten hauptsächlich für Propaganda nutzt. Keines der Treffen hat irgendetwas Positives für die ukrainische Bevölkerung bewirkt.

Die erfolglose Telefonitis und das schon zwanghaft anmutende und ergebnislose „Offenhalten der Gesprächskanäle“ zu Russland durch den Außenminister haben zusätzliche negative Auswirkungen. Denn die osteuropäischen Partner, hauptsächlich Polen und die baltischen Staaten, verlieren zunehmend das Vertrauen in die aus ihrer Sicht windelweiche und von Wirtschaftsinteressen beeinflussten politischen Leisetreterei wichtiger Staaten der europäischen Union. Und diese Partner der NATO und der EU fragen sich sicher, warum einzelne EU-Mitglieder ohne erkennbare Koordination durch die Europäische Union aber vorgeblich im Interesse der EU als Nationalstaaten oder als Nationalstaaten-Team „auf eigene Faust“ und in eigenem Interesse versuchen, den Ukraine-Konflikt zu entschärfen. Und Deutschland vermittelt dabei zusätzlich den Eindruck noch nicht erkannt zu haben, dass es kein schnelles Zurück mehr zu solchen Zeiten gibt, in denen die Europäer Russland noch als vertrauenswürdigen Partner betrachten konnten.

Besuche der deutschen Kanzlerin in den osteuropäischen Staaten oder in der Ukraine mit klaren öffentlichen Aussagen zur Einschätzung russischer Politik, plausiblen Appellen an die Konfliktparteien, abgesprochenen Aussagen zu Möglichkeiten der EU, Aufzeigen von Verantwortlichkeiten und Maßnahmen der NATO sowie Zusagen deutscher Unterstützung sind sehr viel wirkungsvoller und auch glaubwürdigere Mittel der Politik als vielfaches erfolgloses Telefonieren. Allerdings ersetzen auch solche wichtigen und hilfreichen Besuche nicht eine verantwortungsbewusste und engagierte Politik der EU.

Die Europäische Union hat ein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine und eine gemeinsame Sanktionspolitik gegenüber Russland. Das reicht aber nicht. Die EU muss sich endlich ihrer Verantwortung stellen und mit dem Gewicht der Mehrheit ihrer Mitglieder gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik machen. Deswegen sollten „Friedensgespräche“ zwischen den Konfliktparteien durch die EU im Zusammenwirken mit der OSZE in die Wege geleitet oder zumindest begleitet werden und nicht durch einzelne Mitgliedstaaten ohne beschlossenes Mandat. Die EU macht derzeit im Ukraine-Konflikt das Gegenteil von bella figura!

(24.08.2014)

 

 

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