Hans-Heinrich Dieter

 Ignoranten   (05.05.2014)

 

Der Grüne Hans-Christian Ströbele hat die OSZE-Beobachtermission, deren Mitglieder vor einigen Tagen in der Ostukraine von prorussischen Separatisten als Geisel genommen wurden, scharf kritisiert. "...die Militärs der Bundeswehr, die das in dieser Situation mit angeordnet haben, haben nicht alle Tassen im Schrank", schimpfte Ströbele auf Phoenix und fügt hinzu: "Das ist unverantwortlich, denn es kann Entwicklungen geben, die Obama und Putin nicht mehr steuern können."

Als Ströbele so losschimpfte, hatte er den sonst immer beschworenen Primat der Politik aus den Augen verloren. Er hatte sich auch offensichtlich noch nicht informieren können, dass die Mission völkerrechtlich durch das Wiener Dokument der OSZE abgesichert ist, die Ukraine als souveräner Staat zu dieser Mission eingeladen und für die Sicherheit der OSZE-Militärbeobachter zu garantieren hat. Ströbele hat auch nicht gewusst, dass Deutschland seine Mission auf Einladung der Ukraine als Teil eines international vereinbarten Beobachtungs-Turnus angetreten hat. Und Ströbele lässt außer Acht, dass die Militärbeobachter diplomatische Immunität genießen und dadurch eine grundsätzliche Absicherung gegeben ist. Dass die Beobachter einem Geiselnahme-Verbrechen prorussischer und von Russland unterstützter Terroristen zum Opfer fallen, war nicht absehbar. Wenn Ströbele allerdings glaubt, es gebe in der Ost-Ukraine Dinge und Vorfälle, die "Putin nicht mehr steuern könne", dann ist er naiv, ignorant oder Teil des russischen Propagandaapparats. Denn inzwischen haben selbst linke Medien erkannt, dass die Entwicklung in der Ost-Ukraine und die bürgerkriegsähnliche Lage dort Produkt einer russischen Kampagne zur Destabilisierung der Ukraine ist. Für Putin war es offenbar nicht mehr als ein kurzes Telefongespräch, die Geiselnahme war beendet und für Putin die Grundlage dafür gelegt, sich medienwirksam als Friedensengel hofieren und sich überschwänglich danken zu lassen.

Der stellvertretende CSU-Vorsitzende Peter Gauweiler kritisierte in gleich einer ganzen Interview-Serie die Mission der OSZE-Militärbeobachter inhaltlich ähnlich diffamierend wie Genossen der Partei "Die Linke" und ähnlich ignorant und dumm wie Ströbele. Gauweiler hatte sich ja schon am politischen Aschermittwoch als Putin-Verehrer entblödet, aber im Bierzelt darf man ja ein wenig "deppert" sein. CDU und CSU-Politiker sowie Seehofer höchst persönlich haben sich von dem Dauer-Querulanten inzwischen distanziert. Gauweiler sollte sich auf Bayern konzentrieren, da kann er weniger Schaden anrichten.

Dass Altkanzler und Gazprom-Lobbyist Schröder alles ignoriert, was ihm nicht nützt, ist sattsam bekannt. Neu ist, dass er ein überaus herzliches Treffen während eines Geburtstagsempfangs im russischen St. Petersburg mit dem Völkerrechtsverletzer und Aggressor in der Krim-Krise und Destabilisator im Ukraine-Konflikt Putin in einer geradezu skurrilen Dreistigkeit genießt, während prorussische Terroristen deutsche OSZE-Militärbeobachter als Geiseln gefangen halten. Und noch dreister ist es, dass er dann versucht, sein aus politischer Sicht eklatantes Fehlverhalten zu kaschieren, indem er vorgibt, die Gelegenheit genutzt zu haben, um für die Bundesrepublik Deutschland Außenpolitik zu machen und sich bei Putin für die Freilassung der Geiseln einzusetzen.

Dem auch eingeladenen außenpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion Mißfelder, der als Privatperson teilgenommen haben will, fällt auch nichts besseres ein als darauf hinzuweisen, dass man jede Gesprächsmöglichkeit nutzen müsse. Mißfelder ist offensichtlich noch etwas unreif und ignoriert, dass er mit seinem Verhalten die deutsche Außenpolitik im Rahmen der EU ohne Mandat konterkariert und er hält die Bürger für so dumm, dass sie glauben könnten, dass ein Putin bereit wäre, bei einem solchen Empfang ein Wort mit einem aus seiner Sicht halbgaren CDU-Politiker wechseln würde, und das auch noch zum Geiselproblem.

Wenn dann Außenminister Steinmeier sagt, "Schröder steht es frei, mit wem er Geburtstag feiert", dann hat er ignoriert, zu welchen Ausreden ehemalige weniger gute SPD-Politiker für "eine instinktlose Teilnahme an einer ebenso instinktlosen Feier" greifen, ohne Rücksicht auf die politischen Bemühungen der Kanzlerin und des Außenministers. Steinmeier ignoriert, dass sein Genosse inzwischen Lobbyist und Geschäftsmann ist.

Und General a.D. Kujat versteigt sich sogar im Interview mit dem Deutschlandfunk zu der Prognose, dass wir dem Altkanzler für sein starkes und natürlich selbstloses Engagement für die Freilassung der Geiseln noch einmal dankbar sein müssten, und ignoriert dabei einfach die Grundintelligenz politisch denkender Bürger. Es wird gute Gründe geben für solche Liebedienerei.

Die Zahl von weiteren Ignoranten - nicht nur zu dieser Thematik - in Politik und Medien ist Legion. Es ist manchmal schon schmerzhaft, mit wie wenig Sachkenntnis öffentlich argumentiert und diskutiert oder wie wenig geschickt Sachverhalte aus reinen partei- und oppositionspolitischen Gründen instrumentalisiert oder verfälscht werden. Und da wundern sich die Politiker über vielfältig entgegengebrachtes Misstrauen!

(05.05.2014)

 

 

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