Hans-Heinrich Dieter

Jüdischer Staat Israel   (02.12.2014)

 

Ein ehemaliger Direktor des jüdischen Inlandsgeheimdiestes Shin Beth hat die politische Lage Israels mit drastischen Worten beschrieben: Israel wird derzeit regiert von Pyromanen unter Führung eines Egomanen. Das israelische Kabinett hat nun einen Gesetzentwurf zur verfassungsmäßigen Verankerung des Charakters Israels als "Nationalstaat des jüdischen Volks" auf den Weg gebracht. 14 "Pyromanen" haben für das Gesetz gestimmt, 6 liberale Minister um Justizministerin Zipi Livni und Finanzminister Lapid waren dagegen. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass der jüdische Charakter Israels verankert wird und das jüdische Recht einen höheren Stellenwert erhält. Arabisch soll als zweite offizielle Sprache Israels abgeschafft werden.

Der "Egomane" Netanjahu sagte, die Kabinettssitzung einleitend: "Die einen wollen, dass die Demokratie Vorrang hat vor dem jüdischen Charakter unseres Landes, die anderen geben dem jüdischen Charakter mehr Gewicht als der Demokratie. Nach den Grundsätzen des Gesetzes, das ich heute anstrebe, sind diese beiden Prinzipien gleichwertig." Generalstaatsanwalt Jehuda Weinstein warnte allerdings eindringlich vor einer Schwächung des demokratischen Charakters Israels. Und die 1,6 Millionen arabischen Bürger Israels befürchten natürlich, dass das Gesetzesvorhaben eine Grundlage für weitere Diskriminierungen werden könnte, denn schon heute genießen sie nicht in allen Lebensbereichen dieselben Rechte wie jüdische Israelis. Man muss sich fragen, was die mehrheitlich rechtsradikale Regierung in der ohnehin angespannten Lage mit diesem Gesetz eigentlich erreichen will.

Die Palästinenser haben Israel in den Oslo-Verträgen von 1993 als Staat anerkannt. Dieser Staat Israel ist in der israelischen Unabhängigkeitserklärung als jüdischer und demokratischer Staat definiert, in dem alle Bürger unabhängig von Religion, Rasse und Herkunft vor dem Gesetz gleich sind. Die Anerkennung dieses Staates durch die Palästinenser war damals verbunden mit dem israelischen Versprechen, innerhalb von fünf Jahren einen palästinensischen Staat zu gründen. Dieses Versprechen hat Israel nicht eingelöst. Die Anerkennung Israels als rein „jüdischer Staat“ lehnen die Palästinenser allerdings ab, denn das ist dann ein Staat, in dem auch keine arabischen Israelis mehr leben oder höchstens als „Israelis zweiter Klasse“ leben können. Ein"Nationalstaat des jüdischen Volks" verhindert außerdem die Rückkehr oder Entschädigung der Palästinenser – bzw. deren Nachkommen - die bei der Staatsgründung Israels vertrieben wurden. Von Kritikern wird deswegen nicht zu Unrecht der Vorwurf des Rassismus mit einer Zukunft Israels als "Apatheidsstaat" erhoben.

Der israelische Historiker Tom Segev vertritt in einem Interview des Deutschlandfunks die Auffassung, dass Israel in der jüngeren Vergangenheit immer jüdischer und immer antidemokratischer geworden ist. In Israel habe man es in den letzten zehn Jahren versäumt, die Demokratie zu pflegen. Den Grund sieht er darin, dass die meisten Israelis und Palästinenser nicht mehr an die Politik und an Frieden glauben würden. Und dem israelischen Außenminister Avigdor Lieberman wirft er vor, im Grunde "eine rassistische Ideologie" zu vertreten und auf dieser Grundlage zu versuchen, die israelischen Araber auszuschließen.

Denn dieser ultranationalistische Politiker hat am Freitag auf seiner Facebook-Seite vor allem Palästinenser aus Jaffa und Acre am Mittelmeer zum Wegzug ermuntert: "Diejenigen, die entscheiden, dass ihre Identität palästinensisch ist, sollen ihre israelische Staatsbürgerschaft aufgeben können, sie sollen wegziehen und Bürger eines künftigen Palästinenserstaates werden können." Eine solche Stärkung des rein jüdischen Charakters Israels - oder auch Reduzierung von Minderheiten - will er mit wirtschaftlichen Anreizen schmackhaft machen. Angesichts solcher politischer Tendenzen glaubt Tom Segev, "dass die Hauptgefahr im Moment für die Zukunft Israels nicht vom Iran oder von den Palästinensern stammt, sondern von uns selber, von innen her. Die israelische Demokratie ist in einer wirklichen Gefahr."

Auf der Grundlage von national-religiöser Grundhaltung und friedensfeindlicher Siedlungspolitik von "Pyromanen" vom Kaliber Liebermans/Bennets/Ariels wird eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen mit dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung immer unwahrscheinlicher. Und es drängt sich der Eindruck auf, dass Netanjahu weniger friedenspolitische Ziele im Auge hat als das persönliche Ziel der Wiederwahl als Parteivorsitzender und als Regierungschef. Finanzminister Yair Lapid bestätigt das, wenn er feststellt, Premier Benjamin Netanjahu handle "ohne jede Rücksicht auf nationale Interessen. Die Bedürfnisse der weiten Öffentlichkeit stehen auf seiner Prioritätenliste an letzter Stelle." Für eine Wiederwahl als Parteivorsitzender braucht er die Unterstützung der Radikalen in seiner Partei und später die rechtsradikalen Siedler, die Nationalreligiösen und die Ultraorthodoxen.

Mündige israelische Bürger, die Frieden wollen und objektiv urteilen können, müssen aktiv für Frieden sowie den Erhalt des an demokratischen Werten orientierten Staates Israel kämpfen, und das bedeutet auch, die Abwahl der Regierung Netanjahu herbeizuführen. Sie werden bald Gelegenheit dazu haben, denn die Regierungskoalition droht zu zerbrechen, weil der wichtigste Koalitionspartner Netanjahus, Lapids Partei Yesch Atid, die Koalition aufkündigen will. Neuwahlen sind 2015 also wahrscheinlich. Doch als mögliche Alternativen zu Netanjahu stehen nur als beliebte "Hoffnungsträger" Radikale wie der Wirtschaftsminister Naftali Bennett oder Falken wie der ehemalige Kommunikationsminister Mosche Kahlon zur Verfügung. Liberale, demokratische und kritische Politiker wie Livni und Lapid sind selten und derzeit nicht mehrheitsfähig und nachdenkliche Stimmen wie die Tom Segevs werden in Israel nicht gerne gehört. Aufgeklärte israelische Bürger befürchten deswegen, Israel könnte auch nach den nächsten Wahlen kein wirklicher Wandel bevorstehen – sondern nur ein weiterer Ruck nach rechts. Schade um dieses schöne und wichtige Land im Nahen Osten.

Bundeskanzlerin Merkel hat das Existenzrecht Israels als Teil deutscher Staatsräson bezeichnet. Dabei ist sicher das Israel der Unabhängigkeitserklärung als jüdischer und demokratischer Staat gemeint, in dem alle Bürger unabhängig von Religion, Rasse und Herkunft vor dem Gesetz gleich sind. Wenn sich Israel zu einem Staat mit stark eingeschränkter Demokratie entwickeln und nicht konstruktiv an einer Friedenslösung mitwirken sollte, muss Deutschland seine Politik gegenüber Israel neu definieren. Dann sollten wir die Politik der Europäischen Union unterstützen und gegebenenfalls Palästina als Staat anerkennen wie bereits Schweden sowie symbolisch Großbritannien, Irland und Spanien. Heute will das französische Parlament über eine symbolische Anerkennung Palästinas abstimmen. Da Israel von sich aus derzeit zu friedensorientiertem Wandel nicht fähig zu sein scheint, ist politischer Druck von außen unerlässlich.

2018 wollen wir gerne wieder eine Reise durch Israel machen - aber nicht in ein rassistisches Israel.

(02.12.2014)

 

Lesen Sie auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/friedensfeindlichesiedlungspol.html

http://www.md-office-compact.de/Israel.htm

 

 

 

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