Hans-Heinrich Dieter

Kampf gegen IS-Terror   (15.09.2014)

 

Folgt man einer der zahlreichen Formulierungen Präsident Obamas, dann gilt es mit dem „Islamischen Staat“ (IS) ein „Krebsgeschwür“ auszutilgen. Kampf gegen Krebs ist schwierig, erfordert intensive Anstrengungen und oft ein Bündel von Therapien auf der Grundlage eines Therapieplanes, kostet viel Zeit sowie Geld und führt nur langfristig zum Erfolg - wenn überhaupt. Bei der Krebsbekämpfung ist es besonders wichtig, in einem frühen Stadium unverzüglich mit dem Handeln zu beginnen, um Bildung und Streuung von Metastasen zu verhindern. Diesen Grunderfordernissen der Krebsbekämpfung wird die internationale Staatengemeinschaft bisher nicht gerecht.

Denn bisher haben nur die USA durch weit über 100 Luftschläge im Irak die IS-Truppen direkt geschwächt und den raschen Vormarsch verlangsamt. Andere Staaten, wie Deutschland, haben Waffenlieferungen an kurdische Truppen im Nord-Irak langsam anlaufen lassen und beginnen jetzt erst mit der begleitenden Ausbildung der kurdischen und irakischen Soldaten. Großbritannien und Frankreich haben inzwischen zumindest erwogen, die USA bei den derzeit einzig wirksamen Luftangriffen zu unterstützen.

Beim NATO-Gipfel in Newport hat US-Außenminister Kerry dann eine Koalition gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ ausgerufen. Dieser "Kern-Koalition" sollen neben den USA Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Polen, Kanada, Australien und die Türkei angehören. Die Organisation der Koalition, die Ziele möglicher gemeinsamer Anstrengungen, die Art und Koordination der Zusammenarbeit und die Arbeitsteilung sind noch nicht festgelegt. Eine Strategie für den gemeinsamen Kampf gegen den Terror der IS ist noch nicht formuliert. Und eine völkerrechtliche Legitimierung eines umfassenden Kampfes gegen IS - zum Beispiel auch in Syrien - durch die Vereinten Nationen ist noch nicht in die Wege geleitet. Ein Plan zur Bekämpfung der IS soll jedoch noch im September bis zur nächsten UN-Vollversammlung erarbeitet werden. So wichtig schon das Zustandekommen dieser Koalition ist, dem Schutz von wehrlosen Menschen gegen die islamistischen Bestien dient sie erst, wenn sie handelt.

Die deutsche Politik ist in diesem Zusammenhang bisher wie immer reaktiv, defensiv, vielstimmig, unkoordiniert und ineffektiv. Nach einem Treffen in Paris hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier eine deutsche Beteiligung an Luftangriffen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kategorisch ausgeschlossen. Mehrere Außenpolitiker von CDU/CSU hatten sich zuvor dafür ausgesprochen, dass Deutschland sich an dem US-Militäreinsatz in Syrien und im Irak zum Beispiel mit Luftüberwachung beteiligen solle. Kanzlerin Merkel ließ kurze Zeit später durch ihre Sprecherin verbreiten, dass auch sie gegen eine deutsche Beteiligung bei Luftoperationen gegen IS sei. Der Außenminister verwies lapidar auf die geplanten deutschen Waffenlieferungen für die kurdischen Truppen. "Das ist nicht wenig. Es trifft unser Maß an Verantwortung..." Es ist ganz einfach bemerkenswert, wenn nicht peinlich, dass solche Feststellungen ohne erkennbare Absprache zwischen den Verantwortungsträgern, ohne nachvollziehbare sicherheitspolitische Diskussion und ohne Konsultation mit der Koalition, der man ja nun angehören will, getroffen werden. Bevor über die Arbeitsteilung in dieser Kern-Koalition entschieden wurde, verkündet Deutschland, was alles von uns nicht geleistet wird. Von gesteigerter deutscher Verantwortung in der Außen- und Sicherheitspolitik kann da keine Rede sein.

In Paris haben nun heute Vertreter von mehr als 30 Staaten und Organisationen über das weitere Vorgehen gegen die Terror-Organisation "Islamischer Staat" im Irak beraten. Deutschland war vertreten durch Steinmeier. Hochrangig vertreten sind unter anderen Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Jordanien, Kuwait, der Libanon, die Türkei sowie China und Russland. Der Iran war leider nicht beteiligt. In einem gemeinsamen Papier erklären sich die Staaten bereit, mit allen nötigen Mitteln gegen den islamistischen Terror zu kämpfen. Dies schließe auch militärische Hilfe in Absprache mit der Regierung in Bagdad ein. Dem IS soll unter anderem der Zugang zu Finanzierungsquellen erschwert werden. Steinmeier zelebrierte in dem Zusammenhang natürlich eine seiner vielen platten Worthülsen, „eine rein militärische Lösung sei nicht genug“. Konkrete Hilfszusagen einzelner Länder gab es bei der Konferenz natürlich nicht, vielmehr hat die Türkei erklärt, nicht aktiv gegen IS mitwirken zu wollen. Dabei hatte der Gastgeber der internationalen Konferenz zur Sicherheit im Irak, Hollande, dazu appelliert, im Kampf gegen IS "keine Zeit zu verlieren".

Der irakische Präsident Masum bat denn auch eindringlich um zeitnahe Lufteinsätze: "Es ist notwendig, rasch zu intervenieren", sonst werde die IS-Miliz weitere Gebiete erobern. Die USA fliegen solche Luftangriffe gegen IS im Irak und wollen ihr militärisches Vorgehen auf Syrien ausweiten. Frankreich erwägt – natürlich anders als Deutschland - sich an den Luftangriffen zu beteiligen. Die Franzosen wollen am heutigen Montag erste Aufklärungsflüge über dem Irak starten. Deutschland liefert bisher ein wenig militärische Ausrüstung und humanitäre Hilfsgüter in den Irak und glaubt, zumindest im sozialdemokratischen Teil der Koalition, mit der Lieferung von teilweise veralteten Waffen und der Entsendung von 40 Fallschirmjägern als Ausbilder für die Peschmerga-Milizen einen wichtigen, nachhaltigen und endgültigen Beitrag zur Bekämpfung der IS geleistet zu haben. Und von der sicherheitspolitisch sehr zurückhaltenden, wenn nicht schwachen Kanzlerin Merkel ist wohl auch bei den Beratungen mit Teilen des Kabinetts am Donnerstag nicht mehr zu erwarten.

Deutschland verlegt sich lieber auf Gerede und stereotype Worthülsen. Es sei "Zeit zu handeln", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Am Ende werde nicht allein eine militärische Lösung über den Erfolg des Vorgehens gegen die Miliz entscheiden - es komme auf eine breite Koalition aus der Region und der ganzen Welt an – das alles ist übrigens ohne deutsches Zutun zustande gekommen. Deutschland werde sich im Rahmen seiner G7-Präsidentschaft stärker im Kampf gegen IS engagieren – wohl vorwiegend verbal und mit grundsätzlichen Ratschlägen aber keinesfalls militärisch und aktiv handelnd.

Natürlich ist der Kampf gegen IS nicht ausschließlich durch militärisches Handeln zu gewinnen. Zum nachhaltigen Erfolg bedarf es eines vielschichtigen Konzeptes politischer, militärischer, wirtschaftlicher, ideologischer und religiöser Maßnahmen, die durch die Weltgemeinschaft und hauptsächlich auch Regionalmächte gemeinsam und konsequent angewandt werden. Derzeit sind militärische Maßnahmen wie Luftschläge allerdings am erfolgversprechendsten, um den Vormarsch der IS zu stoppen. Ob die USA auf Dauer auf Kampftruppen im Irak verzichten können ist fraglich. Luftschläge gegen IS gewinnen jetzt Zeit für die Organisation weiterer erforderlicher Maßnahmen. Deswegen dürfen wir die „unangenehmen“ Maßnahmen nicht den Amerikanern überlassen, sondern müssen auch Verantwortung übernehmen und uns nicht erneut wegducken oder verweigern. Luftschläge gegen die IS sind derzeit wirksamer als Waffenlieferungen, die in die falschen Hände kommen können. Deswegen kann man sich durch Nichthandeln im Hinblick auf militärische Maßnahmen auch schuldig machen.

Politisches – und das heißt derzeit militärisches - Handeln gegen IS ist gefragt, abseits abgedroschener Worthülsen. Dazu gab es in Paris keinen deutschen und kaum andere konkrete Beiträge. Wenigstens hat Innenminister de Maizière jegliche Aktionen des IS in Deutschland verboten. Er hat zumindest gehandelt, wenn auch eher symbolpolitisch.

(15.09.2014)

 

 

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