Hans-Heinrich Dieter

Kampf gegen IS   (14.08.2014)

 

Die Naivität vieler deutscher Politiker und Journalisten hinsichtlich der Bekämpfung der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) ist bemerkenswert. Von dem sehr späten aber umso abrupter ausgebrochenen moralischen Impetus hingerissen, einen Völkermord an den Jesiden verhindern zu wollen, reden sie mit viel medialem Getöse und Selbstdarstellungen - gegen deutsche Gesetze und Richtlinien - unkoordinierten, noch an keinem Bedarf orientierten deutschen Waffenlieferungen an nicht genau definierte Gruppierungen der Kurden das Wort und nehmen hin, dass so Waffen in die Hände einer Bürgerkriegspartei oder auch in die Hände der kurdischen Terror-Organisation PKK fallen. Das Ganze wirkt ein wenig so wie Klein-Fritzchen sich den Kampf gegen den Terror vorstellt. Aber um den erfolgreichen Kampf gegen IS scheint es bei solch laienhaftem Verhalten auch nicht zu gehen, sondern um die Beruhigung des schlechten Gewissens.

Der Kampf gegen islamistischen Terror beginnt damit, dass man die Gefahr, die von der dschihadistisch-salafistischen Terrororganisation IS, die derzeit im Irak und in Syrien operiert, ernst nimmt, die Gefahr analysiert, die Bereitschaft der EU und der westlichen Welt, möglichst gemeinsam gegen den Terror vorzugehen, weckt, gemeinsame Konzepte dafür entwickelt, koordiniert nachrichtendienstlich tätig wird, die IS einer ständigen Drohnenaufklärung unterzieht, gezielte Tötungen von Führungspersonal der IS vorbereitet, Spezialkräfte für Krisenlage bereithält und ein Instrumentarium für gemeinsames, koordiniertes Handeln schafft. Diese wichtigen Grundlagen sind bisher nicht gelegt.

Als die Terrormiliz IS, damals noch ISIS, begann ihre Interessen im syrischen Bürgerkrieg zu verfolgen, haben die westlichen Entscheidungsträger diese Terroristen als eine von vielen mehr oder weniger radikalen Rebellengruppen gesehen und wenig beachtet. Waffenlieferungen in der früheren Phase des Syrienkrieges wären auch an IS gegangen. Andere Staaten in der Region haben IS entweder direkt als Sponsoren und Geldgeber unterstützt oder eher indirekt gewähren lassen, um Assad zu schaden. Die Gefahr, die von Anfang an von IS ausging, wurde nicht erkannt und die Chancen einer frühzeitigen Bekämpfung wurden dementsprechend vertan.

Als IS im Nordirak angriff, wurde die westliche Welt durch die Brutalität und Grausamkeit dieser islamistischen Bestien aufgeschreckt. Man war entsetzt, dass im Namen Allahs solche massenhaften Verbrechen verübt wurden und sah das Ganze zunächst als Problem des Irak an. Die irakischen Streitkräfte haben denn auch den Vormarsch auf Bagdad zunächst gestoppt. Die USA mit Interessen, Verbindungen, Verantwortung und nachrichtendienstlichem Engagement im Irak haben als erste, wenn auch ein wenig halbherzig agiert, um nicht in den irakischen Bürgerkrieg hineingezogen zu werden. Die europäischen Staaten haben die Entwicklung der Terrorismusszene auch im Irak verschlafen, auf die USA verwiesen und sind erst aufgewacht, als Völkermord an den Jesiden drohte. Mit den USA hat nur Großbritannien humanitäre Hilfe per Lufttransport abgestimmt, Kanzlerin Merkel hat nach einer Woche die USA für die Luftunterstützung gegen die IS gelobt, großartig! Auf EU-Ebene war nichts zeitgerecht abgestimmt, eine gemeinsame Vorgehensweise wurde nicht vereinbart, geschweige denn die Koordination der Hilfen, von humanitär bis militärisch. Dementsprechend gebärden sich die europäischen Staaten mit ihren Politikern wie ein Hühnerhaufen, der sich ungeordnet etwas herauspickt, was ihm gerade passt, und hektisch herumhüpft. In Folge werden die vorwiegend sowjetisch ausgerüsteten Kurden als Bürgerkriegspartei ohne Absprache mit der Staatsgewalt des Irak alle möglichen westlichen Waffen und militärische Ausrüstung bekommen, an denen sie nicht ausgebildet sind und für die möglicherweise keine nachhaltige Logistik aufgebaut werden kann. Dabei besteht an Infanteriewaffen wohl kein Mangel. Was die Kurden brauchen sind schwere Bewaffnung, Kampfflugzeuge, Hubschrauber und Drohnen. Solches Gerät ist weder schnell bereitzustellen, noch kann eine vernünftige Ausbildung in dieser Krisensituation gewährleistet werden.

Darüber hinaus ist IS nicht durch die Kurden alleine aufzuhalten, sondern nur durch koordinierte Operationen mit den irakischen Streitkräften und unterstützt durch die Regionalmächte. Das erfordert große politische Anstrengungen, denn hier wäre es erforderlich, Saudi Arabien, Katar und auch andere Golfstaaten dazu zu bringen, die Förderung der IS einzustellen, die sunnitischen Milizen müssten dazu gebracht werden, die IS nicht mehr gewähren zu lassen und mit den irakischen Streitkräften gegen die IS vorzugehen. Dazu müssten die sunnitischen Milizen in die irakischen Streitkräfte eingebunden werden. Der Iran müsste unter eindeutigen Bedingungen dafür gewonnen werden, in einer Krise an der Seite der irakischen Streitkräfte und unter Kontrolle der USA gegen die IS einzugreifen. Die eine oder andere solcher Maßnahmen wurde sicher von den USA eingeleitet. Von einer gemeinsamen Politik der westlichen Welt unterstützt durch die internationale Staatengemeinschaft unter Führung der UN kann noch keine Rede sein.

Wenn der Kampf gegen den IS-Terror irgendwann durch die Staatengemeinschaft mit Aussicht auf Erfolg aufgenommen werden soll, dann reichen sicherheitspolitische und militärische Maßnahmen nicht aus. Islamischem Fundamentalismus, Dschihadismus und Salafismus jeglicher Spielart muss mit Hilfe der muslimischen Bürger und Gemeinden in den westlichen Staaten der Boden entzogen werden. Islamisten muss unter Nutzung des rechtlichen Spielraums das Handwerk gelegt und Terroristen müssen unschädlich gemacht werden. Darüber hinaus muss die internationale Staatengemeinschaft islamistische Organisationen in Problemstaaten wie Libyen und Afghanistan ständig überwachen, um ein mögliches Festsetzen des IS in failing states und instabilen Ländern schon im Ansatz zu verhindern. Wenn IS, Al-Qaida, Al-Shabab, Boko Haram und andere Terror- und Verbrecherbanden sich erst einmal festgesetzt haben und in der Lage sind, die Bevölkerung in großem Stil durch Terror in Geiselhaft zu nehmen, sind sie nur sehr schwer und mit immensem Aufwand zu bekämpfen, wenn überhaupt noch.

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist im Irak noch lange nicht gestoppt und inzwischen im Norden der syrischen Provinz Aleppo zu einer strategisch wichtigen Region nahe der türkischen Grenze vorgerückt. IS nähert sich der NATO und die Türkei, die die IS bisher offenbar in Grenznähe gewähren ließ, ist möglicherweise bald zum Handeln gezwungen. Die EU-Außenminister werden morgen zu einem Sondertreffen in Brüssel zusammenkommen. Dabei wollen die EU-Staaten über die Bedingungen diskutieren, unter denen Waffenlieferungen im Irak-Konflikt erlaubt sind. Es ist zu bezweifeln, dass diese Diskussionen erfolgreich und zeitgerecht zum Kampf gegen IS beitragen, denn dabei geht es noch nicht um Koordination und gemeinsames Handeln, sondern um die rechtlichen Rahmenbedingungen. Unkoordinierte Waffenlieferungen können nur ein kleiner Beitrag zur Lösung des Problems sein und geraten möglicherweise in die falschen Hände. Der Kampf gegen die Terrormiliz IS muss von der internationalen Staatengemeinschaft und von der EU viel grundsätzlicher, umfassender und verantwortungsvoller aufgenommen werden. Im Irak kann derzeit als Übergangslösung nur massive Luftunterstützung der US-Streitkräfte zeitgerecht gegen IS helfen. Diese Luftunterstützung sollte bei Bedarf durch Luftstreitkräfte der NATO-Staaten verstärkt werden.

Die Gewalt und das Chaos in Libyen überfordert aktuell Armee und Polizei. Libyen läuft Gefahr, in den Status eines failed state abzurutschen. Es ist bereits erkennbar, dass IS mit ersten Gewehren bei Fuß steht, um ein Kalifat im Maghreb zu errichten. Das libysche Parlament hat deshalb die internationale Gemeinschaft um ein Eingreifen gebeten. Es gibt kaum ein treffenderes Beispiel für unkontrollierte und deswegen unverantwortliche westliche Waffenlieferungen an die falschen Rebellen mit den jetzt deutlich werdenden katastrophalen Auswirkungen.

Es ist hohe Zeit, dass sich die UN des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus annehmen und dabei von der westlichen Welt sowie möglichst auch von allen Veto-Mächten des Sicherheitsrates engagiert unterstützt werden.

(14.08.2014)

 

 

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