Hans-Heinrich Dieter

Kirchliche Verfehlungen   (14.09.2018)

 

3677 Minderjährige sind in der katholischen Kirche Opfer sexueller Vergehen geworden. Das zeigt die vorab bekannt gewordene Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz. Die tatsächlichen Zahlen bleiben weiter unklar, da wichtige Personalakten vernichtet wurden oder Akteneinsicht verwehrt wurde. Die Missbrauchsstudie der Bischofskonferenz legt also nur einen Teil der systematischen sexuellen Gewalt gegen Kinder offen.

Der Untersuchung zufolge wurden für den Zeitraum zwischen 1946 und 2014 insgesamt 3677 sexuelle Vergehen an Minderjährigen protokolliert, knapp 63 Prozent davon an Jungen. Die 1670 aktenkundigen Täter waren überwiegend Priester: 1429 Diözesanpriester und 159 Ordenspriester. Mehr als die Hälfte der Opfer sei zum Tatzeitpunkt unter 14 Jahre alt gewesen, in etwa jedem sechsten Fall sei es zu unterschiedlichen Formen von Vergewaltigung gekommen, heißt es in der Studie.

Für den Mitbegründer des „Eckigen Tisches“, Matthias Katsch, sind die Ergebnisse „erschreckend“. Er kämpft im Interesse der Opfer für die vollständige Aufarbeitung des Missbrauchsskandals: „Die Kirche in Deutschland ist genauso wie ihre Schwesterkirchen in den USA, Australien, Irland und vielen anderen Ländern der Erde, in denen die katholische Kirche vertreten ist, in ein System aus Missbrauch und Vertuschung verstrickt und hat es über Jahrzehnte verstanden, die Öffentlichkeit darüber zu täuschen“. Und auch die Studie zeige nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit, denn „Akten wurden vernichtet, viele Fälle sind nicht richtig dokumentiert worden, die Aktenführung ist konfus“. … „Die Opfer von Canisius-Kolleg, Kloster Ettal, den Regensburger Domspatzen und all der anderen Internaten, Schulen, Heime sind in dieser Studie nicht berücksichtigt worden,“ und auch die vielen Ordensgemeinschaften seien zudem gar nicht untersucht worden. Auch erfahre man weder Namen von Tätern, noch würden verantwortliche Bischöfe identifiziert, die das System aus sexuellen Übergriffen und Vertuschung über Jahrzehnte gedeckt und perfektioniert hätten, kritisiert Herr Katsch und hält eine wirklich unabhängige Untersuchung deshalb nach wie vor für unabdingbar: „Jetzt ist klar: Eine Organisation von Tätern und Vertuschern kann sich nicht selbst aufarbeiten.“

Und Herr Katsch ist mit seiner Meinung nicht allein. Lisi Maier, die hauptamtliche Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend sieht in ihrer Kirche Strukturen am Werk, die sexualisierte Gewalt gegen Kinder begünstigen und Aufklärung verhindern. Zugleich werde das Thema Sexualität tabuisiert und totgeschwiegen: „Es gibt Strukturen in der katholischen Kirche, die sexualisierte Gewalt begünstigen. Diese müssen aufgedeckt werden. Dazu leistet die aktuelle Studie auch ihren Beitrag – auch wenn noch nicht alle Ergebnisse bekannt sind.“ … “Besonders kritisch sehe ich Männerbünde innerhalb der Kirche. Das sind etwa Karrierenetzwerke, bei denen sich die Teilnehmer gegenseitig unterstützen. Diese Netzwerke verhindern Aufklärung, also muss man sie aufbrechen.“

Wenn kriminelle Triebtäter nicht transparent und nachvollziehbar zur Rechenschaft gezogen worden sind und werden, dann darf man der katholischen Kirche die „quasi Selbstaufklärung“ nicht überlassen. Der Staat müsste der Kirche helfen, indem er die Aufklärung im Sinne der Missbrauchsopfer selbst übernimmt. Dazu müsste das kirchliche „Selbstbestimmungsrecht“ im Grundgesetz angepasst, das Kirchenrecht teilweise geändert und die Kirchen als öffentliche Institutionen der normalen Strafgerichtsbarkeit unterworfen werden, wenn es um die Aufklärung und Ahndung von Vergehen und Verbrechen geht. Denn das sind keine vermeintlich „inneren Angelegenheiten“ der Kirchen, die man im eigenen Interesse unter den Tisch kehren oder lediglich disziplinarisch regeln kann. Darüber hinaus muss man feststellen, dass die Kirchen das Recht auf eine „Sonderstellung“ in allgemeinrechtlichen Fragen verwirkt haben.

Und diese katholische Kirche, die „in ein System aus Missbrauch und Vertuschung verstrickt“ ist und die Öffentlichkeit darüber täuscht, und in der kriminelle Triebtäter offenbar nicht hinreichend zur Rechenschaft gezogen werden, maßt sich auch noch an, Flüchtlingen illegal Kirchenasyl zu gewähren, für das es keine geltende Rechtsgrundlage gibt. Und die Kirche ist auch noch stolz auf diesen - verharmlosend als „zivilen Ungehorsam“ bezeichneten - Rechtsbruch!

Deswegen ist es hohe Zeit, dass die gesetzlichen Regelungen, die teilweise der Weimarer Reichsverfassung entnommen sind, angepasst werden. Das braucht Zeit, muss aber dennoch zum Wohle unserer Gesellschaft in Angriff genommen werden. Die Kirchen dürfen keine „Sonderrechte“ mehr haben. Das Ziel muss es sein, Staat und Kirche klar zu trennen und die Kirchen geltendem Recht und Gesetz unterzuordnen, wie das in anderen Demokratien auch gehandhabt wird. Religiöser Glaube und Kirchenzugehörigkeit sind reine Privatangelegenheit mündiger Bürger!

Und wenn man schon solche weitreichenden aber erforderlichen Schritte geht, dann sollte man auch gleich das Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungsrecht der Kirchen nach Art 140 GG, das z.B. auch die ungleichen und teilweise ungerechten arbeitsrechtlichen Regelungen für Mitarbeiter der Kirchen festlegt, auf den Prüfstand stellen.

(14.09.2018)

 

Bei Interesse lesen Sie auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/besonderekirchenrechte.html

 

 

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