Hans-Heinrich Dieter

Konsequente NATO   (03.12.2021)

 

Der Machtanspruch und die neuen militärischen Fähigkeiten von China und Russland stellen eine zunehmende Bedrohung der westlichen Welt dar. Während Peking dabei - auch mit dem Seidenstraßenprojekt - die Absicherung der wirtschaftlichen Entwicklung und Gestaltung internationaler Ordnung entlang eigener Interessen im Auge hat, verfolgt Russland handlungsleitend die Destabilisierung und Schwächung der NATO und der EU. Dabei überflügelt das nach Weltmachtstatus strebende China die ehemalige Weltmacht Russland zunehmend im Rahmen weltweiter Einflussnahme. Das machen auch die Kräfteverhältnisse offensichtlich.

China verfügt über zwei Millionen Soldaten, rund 6850 Kampfpanzer und 1600 Jagdflugzeuge. Darüber hinaus hat China die „weltweit größten konventionellen Raketenpotenziale“ – einschließlich Hyperschallraketen mit großer Reichweite von bis zu 2500 Kilometern – und baut seine nuklearen Fähigkeiten systematisch aus. Mit der Aufrüstung der Seestreitkräfte will China das erforderliche Kräftegleichgewicht schaffen, um im südchinesischen Meer seine Interessen auch aggressiv vertreten zu können. Und natürlich ist China zunehmend im Weltraum mit bemerkenswerten weltraumgestützten Aufklärungs- und Wirkfähigkeiten aktiv. In dem Zusammenhang wird auch die Digitalisierung sehr stark gefördert, um so kurz- und mittelfristig eine weltweite digitale Einflussnahme und langfristige Dominanz zu erreichen. Und in diese größte Armee der Welt will China im kommenden Jahr noch fünf Prozent mehr investieren. Die Entsendung der Fregatte „Bayern“ in den Indopazifik soll zusammen mit den USA einer möglichen Blockade internationaler Seewege durch China entgegenwirken – das hat, wenn überhaupt nur eine symbolische Wirkung. Gegenüber der neuen Weltmacht China muss die westliche Welt – die NATO in enger Zusammenarbeit mit der EU – zu einer gemeinsamen vernetzten Sicherheitspolitik finden!

Russland hat unter Putin eine neue „Kalter Krieg“-Lage erzeugt. Dabei sind die Einführung von hochpräzisen, weitreichenden und kaum abfangbaren hypersonischen Wirkmitteln (Hyperschallraketen), die Bemühungen um eine nukleare seegestützte Zweitschlagfähigkeit und die mit hoher Priorität vorangetriebene Modernisierung der 6375 Sprengköpfe des Kernwaffenpotenzials besonders bemerkenswert. Konventionelle russische Streitkräfte sind dadurch befähigt, zeitlich und räumlich begrenzt, Wirkungsüberlegenheit gegenüber der NATO zu erzielen. Diese Entwicklung muss ernst genommen werden, denn Russland unter Putin hat die zeitweilige „Partnerschaft“ aufgekündigt, seine Beteiligung am NATO-Russlandrat ausgesetzt und versteht sich inzwischen als Gegner – wenn nicht sogar als Feind - der westlichen Welt. Da wundert es nicht, dass die Mittelmacht Deutschland einer Untersuchung der Europäischen Union zufolge wie kein anderes EU-Land im Fokus russischer Desinformations-Kampagnen steht – die bei links/grünen und auch AfD-Politikern offenbar Wirkung erzeugt. Außerdem führt Russland Cyber-Attacken gegen EU- und NATO-Staaten aus, wird von den osteuropäischen Staaten als direkte Bedrohung eingeordnet und nutzt jede Gelegenheit, um die EU zu spalten. Die NATO hat die Wiederherstellung der Befähigung der Mitgliedstaaten zur Bündnisverteidigung gemäß Artikel 5 des NATO-Vertrages also sehr begründet gefordert, denn Putin führt einen „hybriden Krieg“ der über den ehemaligen „kalten Krieg“ hinausgeht.

Die NATO und die EU müssen daher gegenüber Russland eine eindeutige und gemeinsame Politik vertreten. Denn Autokraten wie Putin missverstehen Entgegenkommen als Schwäche, die auszunutzen ist. Verhandlungserfolge in einem Dialog mit Russland wird es daher nur aus einer Position westlicher Geschlossenheit und Stärke geben. Da nutzt eine illusorische „strategische Autonomie“ einer außen- und sicherheitspolitisch auf nicht absehbare Zeit handlungseingeschränkte EU wenig!

Und nun hat der Neo-Stalinist Putin im Laufe des Jahres 2021 hybride Aggressivität deutlich verstärkt. Er unterstützt den weißrussischen Autokraten, Wahlbetrüger, Migrantenschlepper und Erpresser Lukaschenko bei seinen Versuchen, die EU zu spalten, indem er illegale Migration in die EU über Polen fördert. Er hat außerdem schon zum zweiten Mal große, hochgerüstete, gefechtsbereite Truppenverbände in geschätzter Stärke von 115 000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren lassen. Die baltischen Staaten, Polen und auch die Ukraine sind verängstigt und die Ukraine geht sogar davon aus, dass es im Januar 2022 zu Angriffshandlungen seitens Russlands kommen könnte.

Da ist es konsequent und richtig, dass NATO-Generalsekretär Stoltenberg am vergangenen Wochenende zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen Litauen und Lettland in Vorbereitung auf das NATO-Außenministertreffen besucht hat und die baltischen Staaten, Polen und die Ukraine der Solidarität und nötigenfalls der Unterstützung durch die NATO versichert hat. Darüber hinaus hat die EU inzwischen die Sanktionen gegenüber Belarus deutlich verschärft und da die NATO keine Sanktionen verhängen kann, ist das ein gutes Beispiel für eine richtige und wichtige Zusammenarbeit.

Im Zusammenhang mit der Drohkulisse an der russisch-ukrainischen Grenze sicherten die NATO-Außenminister der Ukraine Solidarität zu und Stoltenberg warnte Russland vor aggressiven Maßnahmen und kündigte Putin massive politische und wirtschaftliche Maßnahmen an. Das kann so weit gehen, dass die NATO die Zusammenarbeit mit der Ukraine verstärkt und die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine durch Waffenlieferungen verstärkt. Zu dem von der Ukraine gewünschten NATO-Beitritt wird es aber auf absehbare Zeit nicht kommen.

Putin will mit seinen aggressiven hybriden Maßnahmen gegen seine Nachbarn die NATO und die EU provozieren, die Nachbarstaaten verängstigen, eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens – also die unterstellte Erweiterung der NATO nach Osten - auf jeden Fall verhindern und innenpolitisch seinen vermeintlichen Machtzuwachs demonstrieren. Dem muss Einhalt geboten werden, denn es darf ja wohl nicht sein, dass Putin seinen souveränen Nachbarstaaten verbindliche Auflagen für die Gestaltung ihrer außen- und sicherheitspolitischen Zukunft machen und notfalls militärisch durchsetzen kann. Da muss die NATO konsequent Grenzen aufzeigen und sichern!

Da ist es hilfreich, dass US-Außenminister Blinken Russland am Mittwoch (1.12.) beim NATO-Außenministertreffen in Riga mit „ernsten Konsequenzen“ für den Fall einer russischen Aggression gegen die Ukraine gedroht hat. Laut Blinken würde die amerikanische Antwort aus hochwirksamen Wirtschaftssanktionen bestehen, von denen Washington bisher abgesehen habe. Außerdem soll auf Anregung von Stoltenberg wegen der russischen Truppenbewegungen unweit der ukrainischen Grenze aber bereits jetzt ein Krisenmechanismus ausgelöst werden, um ein gemeinsames Lagebild und angemessene Reaktionsmöglichkeiten entwickeln zu können.

Die Spannungen im östlichen Europa zwischen Russland und der NATO nehmen zu. Zu der „albtraumhaften militärischen Konfrontation“, vor der Putins Wadenbeißer Lawrow öffentlich warnt, wird es aber nicht kommen, das kann sich Russland gegen eine konsequente NATO und entschlossene USA nicht erlauben!

(03.12.2021)

 

http://www.hansheinrichdieter.de/html/neuenato-strategie.html

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte