Hans-Heinrich Dieter

Kontinuierliches Staatsversagen

 

Philip Plickert hat 2021 eine überarbeitete und erweiterte Neuausgabe seines Bestsellers von 2017, „Merkel eine kritische Bilanz“, herausgegeben. 24 renommierte Autoren befassen sich mit unterschiedlichen Politikfeldern und politischen Ereignissen, die Zeugnis von Merkels Versagen in 16 Regierungsjahren ablegen. Herausgeber Plickert fasst das sehr treffend so zusammen: „Lässt man die 16 Merkel-Jahre Revue passieren, findet man mehrere planlose Entscheidungen und abrupte, opportunistische Wenden – mit gravierenden Konsequenzen für Deutschlands gesellschaftliche Stabilität und Wohlstand. Das von ihren Spin Doctors gezeichnete Bild einer Kanzlerin, die alle Dinge vom Ende her denkt, die kühl-naturwissenschaftlich die Konsequenzen, Chancen und Risiken abwägt, ist Fiktion. Vielmehr hat Merkel in entscheidenden Phasen – in der Euro-Krise, bei der Energiewende und in der Asylkrise – ohne Plan gehandelt. Sie fuhr auf Sicht‘ und hat sich dabei mehrfach verirrt. Bei der Energiewende ließ sie sich von Ängsten in Medien und Bevölkerung leiten. In der Migrationskrise hat sie kopflos gehandelt und nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa ein gewaltiges Problem aufgeladen.“ Und die Bilanz fällt so grottenschlecht aus, dass sie mit dem Schimpfwort von der „Abrissbirne aus der Uckermark“ in Verbindung gebracht wird.

Merkel hat in 16 Jahren mehrfach zum Staatsversagen beigetragen und Deutschland geschwächt und in den 16 Jahren ihrer Kanzlerschaft hat „Mutti Merkel“ sich als eiskalte, machtorientierte Politikerin offenbart, die weder Muttereigenschaften besitzt noch wirkliche Empathie zeigen kann – und mit der Vergrünung und Sozialdemokratisierung der CDU hat sie ihrer Partei langfristig mehr geschadet als genutzt.

Das von Merkel initiierte und vom Bundestag geduldete Staatsversagen, das mit der undurchdachten Energiewende zum Nachteil der deutschen Wirtschaft und zum Schaden für die deutschen Bürger begann, sowie dann beim staatlichen Kotrollverlust im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 einen folgenschweren Höhepunkt erreichte, setzt sich in der Corona-Pandemie fort und wird jetzt durch die katastrophalen Entwicklungen in Afghanistan ganz offenkundig.

Bei der Bewältigung der Pandemie hat die Merkelregierung wieder einmal keinen Plan entwickelt und schon überhaupt keinen Plan B, ist erneut „auf Sicht gefahren“ und hat sich durchgewurstelt, ohne aus den Erfahrungen mit der ersten Welle zu lernen und entsprechend zu handeln. Merkel ist „das Ding entglitten“, wie sie selbst im Januar 2021 sagte. Bei Anwendung mehrerer trübsinniger Lockdowns in Verbindung mit sozialistisch anmutender Staatswirtschaft hat sie die Marktwirtschaft beeinträchtigt, die Gastronomie geschädigt, die Kunst und Kultur vernachlässigt sowie Kinder, Schüler und Jugendliche vernachlässigt, darüber hinaus auch viele ältere Menschen isoliert. Die Schulen und Kitas sind vor der vierten Welle immer noch nicht für den Präsenzunterricht und -betrieb eingerichtet. Und natürlich hat Merkel das Parlament ausgebootet, um ihre „alternativlose Politik“ ohne hinderlichen demokratischen Diskurs durchsetzen zu können – der Bundestag hat das mit sich machen lassen und sich so mitschuldig gemacht.

Und die derzeitige Afghanistan-Katstrophe ist ein Ergebnis schlechter Außen- und Sicherheitspolitik in der Regierungszeit von Merkel. Nach 9/11 wollte man durch eine Intervention verhindern, dass von Afghanistan nie wieder Terror gegen die westliche Welt ausgeht und dachte, dieses Ziel sei dadurch zu erreichen, dass man Al-Kaida-Führer ausschaltet. Der damalige Verteidigungsminister Struck formulierte das so: „Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt!“ Um den Terror in Afghanistan zu überwinden, muss man aber auch die Taliban-Terroristen und Al-Kaida aktiv bekämpfen und ausschalten. Die deutschen Soldaten hatten diesbezüglich keinen Auftrag und nicht die erforderlichen Mittel. Die deutschen Soldaten waren für Terrorbekämpfung nicht ausgerüstet und die dazu befähigten deutschen Spezialkräfte hatten nur einen Aufklärungsauftrag. Deutschland und allen voran der Unfähigste aller deutschen Verteidigungsminister*innen Jung hat sich lange geweigert, die Realität anzuerkennen, dass deutsche Soldaten sich in Afghanistan im Kriegseinsatz befanden. Und deswegen konnten die deutschen Soldaten auch nichts unternehmen, um „Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch (wirklich) zu verteidigen“. Die Folge war, dass der Norden Afghanistans, also der deutsche Verantwortungsbereich, zum Rückzugsgebiet der Taliban wurde und die Terroristen eine gute Ausgangsposition für die Rückeroberung Afghanistans hatten. Und der NATO ist es auch nicht gelungen, die Taliban zu zerschlagen.

In Afghanistan hat die westliche Staatengemeinschaft ab 2001 auch mit dem naiven Ziel interveniert, aus einer vom Islam dominierten, unterentwickelten, mittelalterlichen Stammesgesellschaft eine rechtsstaatliche „Westminster-Demokratie“ mit guter Staatsführung zu machen – und ist gescheitert. Afghanistan will nicht nach westlicher Façon selig werden, Afghanistan will unser Geld. Nach fast 20 Jahren kostenintensiven militärischen Einsatzes sowie humanitärer und wirtschaftlicher Investitionen terrorisieren die erstarkenden Taliban weiterhin das afghanische Volk, ist die Korruption nicht im Griff und wurde die Drogenproduktion weiter ausgebaut. Neben den Taliban-Terroristen ist außerdem der Islamische Staat aktiv und auch Al-Kaida hat in Afghanistan wieder Fuß gefasst. Positive Perspektiven gibt es nicht und von demokratischen Strukturen ist das Land noch weit entfernt.

Und wen „lassen wir im Stich“? Wir haben nach intensiven personellen (59 gefallene Soldaten) und materiellen (über 12 Milliarden Euro) Investitionen über den Zeitraum von 20 Jahren eine vom Islam dominierte, unterentwickelte, mittelalterliche Stammesgesellschaft verlassen, die nicht daran interessiert ist, nach unseren demokratischen Vorstellungen zu leben. Die Afghanen entwickeln Loyalität nur zu ihrer Sippe und zu ihrem Clan. Die Taliban repräsentieren das Wesen und die Werte von mehr Afghanen, als es die Zentralregierung in Kabul je vermocht hätte, sonst wäre der Machteinfluss der Zentralregierung nicht schon zu Zeiten der westlichen Präsenz derart gravierend eingeschränkt gewesen. Und große Teile der Zivilbevölkerung haben die Taliban unterstützt oder zumindest geduldet, sonst wäre die Guerrillakriegführung gegen die Sicherheitskräfte nicht so erfolgreich gewesen. In den Augen dieser Afghanen sind auch die deutschen Soldaten „Besatzer“, die man sich wegwünscht! Und die Sicherheitskräfte sind deswegen so eingeschränkt einsatzfähig, weil immer wieder große Teile der vom Westen ausgebildeten Soldaten und Polizisten „ausgebildet und bewaffnet“ zu den Taliban übergelaufen sind. Dass der Zusammenbruch dieser feigen und unfähigen Sicherheitskräfte so schnell erfolgen würde und die westliche Welt überrascht hat, zeigt wie wenig wir von der muslimischen Kultur verstanden haben. Insgesamt ist das Versagen der westlichen Welt dadurch begründet, dass wir keinen wirklichen, an der Realität ausgerichteten Plan als Grundlage für ein Konzept und eine gemeinsame Strategie hatten und Al-Kaida, die Taliban und später den IS nicht unter Aufbietung aller Kräfte zerschlagen und unschädlich gemacht haben. Verteidigungsministerin Kramp- Karrenbauer hat noch im April 2021 gesagt: „Wir verlassen Afghanistan mit Stolz. Wir haben alle Aufträge erfüllt, die uns vom Parlament gegeben wurden.“ Inzwischen weiß sie es besser und hat mehrfaches Versagen eingeräumt. Die „wandelnde Plattitüde“ Maas ist zu feige, sich selbstkritisch zu äußern und verweist schäbig auf vermeintliche Fehler des BND und die Kanzlerin äußerte sich zu Afghanistan – wie immer – nur phrasenhaft. Und Deutschland redet seit 2005 von „vernetzter Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik“ unter Federführung des Außenministers – zum Handeln fehlte den vorwiegend SPD-Außenministern allerdings die politische Kraft und wohl auch das intellektuelle Vermögen. Und es fehlte an einer außen- und sicherheitspolitisch interessierten Kanzlerin, die ihre verpflichtende Richtlinienkompetenz in der Außenpolitik zum Wohle des deutschen Volkes verantwortungsbewusst hätte zur Geltung gebracht haben müssen!

Und das Ergebnis dieses Versagens ist, dass die deutschen Politiker in Panik sind, so viele Afghanen wie möglich vor den Taliban retten wollen. Ob die Fluchtgründe stichhaltig sind, ist unter den derzeitigen Rahmenbedingungen in Kabul und Umgebung nicht zu überprüfen und es droht eine afghanische Flüchtlingswelle mit einhergehendem Kontrollverlust und der Überlastung unserer Sozialsysteme, Gerichte und Sicherheitssysteme. Denn schon die derzeit in Deutschland befindlichen Afghanen sind nur sehr schwer zu integrieren und vielfach straffällig geworden. Derzeit leben in Deutschland schon über 30 000 abschiebepflichtige Afghanen. Das ist jetzt schon mehr als genug!

Der Schaden, den Merkel in 16 Jahren angerichtet hat, muss dringend analysiert, bewertet und behoben werden. Ein „Weiter so!“ darf es nicht geben. Dazu muss die parlamentarische Demokratie mit der so wichtigen Gewaltenteilung wieder „gelebt“ und die CDU wieder eine an der Zukunft und an der Sozialen Marktwirtschaft orientierte Volkspartei der Mitte werden. Die CDU muss möglichst mit der FDP koalieren und Deutschland mit Plänen, Konzepten und Strategien wieder zu einem funktionierenden Rechtsstaat machen, in dem das Recht und die Freiheit der Bürger auf der Grundlage des Grundgesetzes gewährleistet werden. Dazu muss Grün/Rot/ROT unbedingt verhindert werden!

(22.08.2021)

 

Bei Interesse lesen Sie auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/schlechteaussenpolitik.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/konzeptionslos.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/verschlafen.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/alternativlos.html

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte