Hans-Heinrich Dieter

Libyen aktuell   (13.10.2013)

 

Zwei Jahre nach dem Sturz Gaddafis gestalten sich die Verhältnisse in Libyen immer chaotischer. Die Machtstruktur in Libyen zerfällt, in der Verwaltung herrscht Chaos, das Land zerbricht. Die Zentralregierung ist hilflos, die Sicherheitskräfte sind schlecht ausgebildet, nur unzureichend einsatzfähig und unzuverlässig.

Die lokalen Milizen sind stark bewaffnet und sehr aktiv im Kampf um Autonomie vom offiziellen Tripolis und untereinander um die Machtaufteilung und Profite aus meist kriminellen Geschäften. Die vorübergehende Entführung des Ministerpräsidenten ist in der chaotischen Gemengelage nur ein Beispiel für die Macht- und Hilflosigkeit der Übergangsregierung. Die Versuche, die Milizen zu entwaffnen, sind bisher fehlgeschlagen. Programme zur Integration der Milizen in die Sicherheitskräfte waren Flops. Militante Islamisten treiben in den Sicherheitskräften ihr Unwesen, Terrorverdächtige können sich unbehelligt bewegen. Die Kriminalität in der Hauptstadt hat deutlich zugenommen. Eine wochenlange Besetzung von Ölterminals durch bewaffnete Gruppen hält das Land in Atem und bringt staatliche finanzielle Not mit sich. Die Südgrenzen sind ungesichert. Im Süden Libyens herrschen Stammesmilizen, die an dem Treiben der Schleuserbanden, die Flüchtlinge an die Küste bringen und ihrem Schicksal im Mittelmeer überlassen, kräftig mitverdienen. Und im Süden haben sich auch Dschihadisten aus dem Norden Malis eingenistet und verdienen nicht schlecht mit dem Handel aus den reich bestückten Waffenlagern. Auf lange Sicht kann es in Libyen nur Stabilität geben, wenn die Milizen aufgelöst werden. Doch dazu ist die Regierung zu schwach.

Das Chaos und der Druck auf die libysche Regierung wurden nun verstärkt durch die Kommandoaktion von US-Spezialkräften zur Ergreifung des Al-Kaida-Terroristen Abu Anas al Libi. Anti-westlich eingestellte Gruppierungen erheben den Vorwurf, dass sie gemeinsame Sache mit den Amerikanern gemacht hat, bzw. nicht in der Lage ist, ihre eigenen Bürger vor dem Zugriff aus dem Ausland zu schützen und die Souveränität Libyens zu wahren. Mit solchem Unmut über die schwache Regierung vertieft sich das Misstrauen in Libyen gegenüber dem Westen. Damit verringern sich auch die westlichen Einflussmöglichkeiten und die Separatisten im Osten des Landes um Benghasi, wo meist islamistische Milizen herrschen und die Zentralregierung kaum mehr etwas zu sagen hat, können gut begründet weiter die Angst vor westlichem Eingreifen schüren. Und die Chancen der Kräfte, die am Sturz der Zentralregierung arbeiten - islamistische Muslimbrüder, Milizenführer aus den einstigen Revolutionshochburgen wie Misrata oder den Sicherheitskräften angehörende Salafisten wie der Chef des Obersten Sicherheitskomitees von Tripolis, Hashim Bishr – wachsen erheblich. Eine schlimme Entwicklung!

In Libyen siegte bei den Wahlen, anders als in Tunesien oder Ägypten, keine religiöse Partei, sondern ein laizistisches Bündnis. Das hat aber diese schlimme Entwicklung leider nicht verhindert. Um die Zukunft der libyschen Bevölkerung muss man sich deswegen Sorgen machen.

Wir müssen uns aber immer wieder vor Augen führen, dass der Erfolg der Milizen gegen Gaddafi nur möglich wurde durch die massive Luft-Unterstützung der Rebellen seitens der NATO, durch Ausbildungsunterstützung für die Rebellen z.B. von Frankreich, Italien und Großbritannien und durch umfangreiche Waffenlieferungen von Qatar und auch mehreren NATO-Mitgliedern an undefinierte Rebellengruppen ohne einheitliche legitimierte Führung - entgegen dem vom UN-Sicherheitsrat verhängten Waffenembargo. Wenn heute auch teilweise die „Falschen“ immer noch bewaffnet sind, dann ist das von den waffenliefernden Staaten mit zu verantworten. Angesichts dieser Mitverantwortung der westlichen Welt für die chaotischen Zustände müsste man sich nicht nur Sorgen machen, sondern auch helfen und den Aufbau staatlicher Strukturen fördern. Der Großteil der libyschen Bevölkerung will eine solche „westliche Bevormundung“ aber nicht. Auch dieses arabische/muslimische Problem kann also langfristig nur von der arabischen/muslimischen Welt gelöst werden.

(13.10.2013)

 

 

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