Hans-Heinrich Dieter

Maulhelden   (24.08.2013)

 

Der mutmaßliche Giftgaseinsatz in den Vororten von Damaskus ruft sie wieder auf den Plan, die Maulhelden jeglicher Couleur.

Sabrina Fritz, wohl eine der "Sicherheitsexpertinnen" der ARD, schreibt zum Beispiel unter der Überschrift "USA bringen Truppen in Stellung":"Doch nachdem die Bilder und Beweise immer erdrückender werden, dass die syrische Regierung Giftgas in den Vororten von Damaskus einsetzte, nachdem Aufnahmen von Menschen mit Krämpfen und Erstickungsanfällen im Netz zu sehen sind, scheint in Washington ein Umdenken stattzufinden." Frau Fritz will den Eindruck erwecken, dass eine amerikanische Intervention kurz bevorsteht und dass es nahezu erwiesen ist, dass die syrische Regierung tatsächlich Giftgas eingesetzt hat. Sie müsste es eigentlich besser wissen, also will sie wohl vorsätzlich irreführen. Andere Medien machen die westliche Welt für das Flüchtlingselend der syrischen Kinder verantwortlich und zücken die moralische Keule, ohne jeweils aufzeigen zu können, welche politische Perspektive oder auch militärische Lösung wirklich zur Linderung des Leids der von beiden Bürgerkriegsparteien geschundenen Bevölkerung beitragen könnte.

Washington sagt klipp und klar, dass die Umstände des Giftgaseinsatzes vom vorigen Mittwoch bei Damaskus noch nicht geklärt sind. Nicht umsonst wird angestrebt, dass die UN-Inspektoren vor Ort den Vorfall prüfen. Und Generalstabschef Martin Dempsey wird heute im Weißen Haus erwartet, um der Regierung verschiedene Militäroptionen darzulegen.

Der iranische Präsident Hassan Rohani verurteilt einen möglichen „Einsatz von Chemiewaffen“ in Syrien und Regierungskreise ergänzen, es gebe „Beweise“, dass „Terrorgruppen“ hinter dem Angriff stünden.

Bisher warnt Präsident Obama denn auch vor militärischen Abenteuern. Die Amerikaner sollten sich nicht in „sehr teure und komplizierte“ Einsätze ziehen lassen, meint er. Zudem würde ein Alleingang ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats womöglich gegen internationales Recht verstoßen, fügt Obama zurecht an.

Der unverbesserliche republikanische Senator John McCain hingegen drängt Obama seit langem nassforsch zum militärischen Eingreifen. „Wir können die Start- und Landebahnen zerstören und 40 oder 50 Flugzeuge (der syrischen Luftwaffe) zerstören“, sagte der ehemalige Vietnamkämpfer und meint, die Rebellen könnten mit Raketen versorgt werden, damit sie eine Flugverbotszone einrichten können. Dies würde keinen einzigen amerikanischen Soldaten in Gefahr bringen. Man merkt sofort an solchem oberflächlichen Maulheldentum, dass McCain nicht in Verantwortung ist und dass seine militärische Erfahrung schon etwas länger zurückliegt.

Der immer etwas aufgeregt wirkende Außenminister von Frankreich Laurent Fabius und sein britischer Kollege William Hague wiederum beschuldigen das Regime al Assad öffentlich, chemische Kampfstoffe eingesetzt zu haben und verweisen auf sehr vage "plausible Erklärungen", die derzeit nichts anderes sind als Behauptungen, Unterstellungen und Annahmen. Das hält Fabius aber nicht davon ab, großspurig von einer französischen "Reaktion der Stärke" zu sprechen. Wenn man sich die finanziellen, wirtschaftlichen und militärischen Möglichkeiten Frankreichs und Großbritanniens vor Augen hält, bleibt nur der Schluss, dass die UN-Sicherheitsrats-Mitglieder ihre Bedeutung für die Weltpolitik verbal untermauern und die eigene Bevölkerung von den innenpolitischen Problemen ablenken wollen, wie schon bei der großmäuligen Ankündigung von Waffenlieferungen an Syrien im Alleingang, aus denen nichts geworden ist.

Die augenblickliche Diskussion macht im Zusammenhang mit der Causa Libyen deutlich, dass wir aus der Geschichte nur wenig lernen. Das wenig anspruchsvolle Ziel war „Gaddafi muss weg“. Der damalige Erfolg der Milizen gegen Gaddafi war nur möglich durch das von Frankreich initiierte einseitige Eingreifen von einer „Koalition der Willigen“ in den Bürgerkrieg und später durch die massive Luft-Unterstützung der Rebellen seitens der NATO, durch Ausbildungsunterstützung für die Rebellen z.B. von Frankreich, Italien und Großbritannien und durch umfangreiche Waffenlieferungen von Qatar und auch mehreren NATO-Mitgliedern an undefinierte Rebellengruppen ohne einheitliche legitimierte Führung - entgegen dem vom UN-Sicherheitsrat verhängten Waffenembargo. Außerdem hat die NATO durch ihre Bombardierungen von staatlichen und militärischen libyschen Einrichtungen die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich die Rebellen aus Gaddafis Lagern und Arsenalen bedienen konnten. Wenn heute auch teilweise die „Falschen“ immer noch bewaffnet sind, dann ist das von den waffenliefernden Staaten und von der NATO mit zu verantworten.

Das Ziel „Gaddafi muss weg“ wurde erreicht. Aber die Erfahrungen mit den Waffenlieferungen an die libyschen Milizen sind in der Rückschau insgesamt negativ, denn man darf objektiv einfach auch nicht außer Acht lassen, dass man mit der Bewaffnung der Rebellen im Bürgerkrieg immer Aufständische auch gegen einen Teil der Zivilbevölkerung bewaffnet sowie die dann gut bewaffneten Rebellen während des Bürgerkrieges und danach nicht zu kontrollieren sind. Die Milizen haben sich in den Waffenarsenalen mit schultergestützten Flugabwehrraketen versorgt, die nun unkontrolliert in Nordafrika verfügbar sind, auch für Islamisten und Terroristen in der Sahel-Zone. In Libyen kam es damals zu Massakern und zahllosen Menschenrechtsverletzungen durch die Milizen und das neue Staatsgefüge ist zu schwach, um eine stabile Sicherheitslage zu gewährleisten und die wirtschaftliche Lage des Landes und der Menschen zu verbessern. Ob die Intervention die Lage der libyschen Bürger auf längere Sicht und nachhaltig verbessern wird ist offen.

Die syrische Opposition ist eine zerstrittene Gemengelage aus unterschiedlichen Gruppen religiöser und ideologischer Prägung ohne ein gemeinsames politisches Ziel, ohne gemeinsame Strategie und ohne gemeinsames Konzept, wenn man einmal von dem intellektuell ebenfalls sehr wenig anspruchsvollen Ziel, „Assad muss weg!“, absieht. Diese Opposition ist zunehmend unterwandert von einflussreichen und kampferprobten nicht-syrischen islamistischen Terrorgruppierungen, wie die der Al Kaida nahestehende Al-Nusra-Front. Der Bürgerkrieg ist unentschieden mit derzeit größeren Erfolgsaussichten für Assad. Die aus der Sicht der Islamisten „Nichtgläubigen“. Alawiten, Schiiten und Christen, freut das, denn die beobachten sehr genau, was derzeit mit den koptischen Christen in Ägypten passiert und haben ganz einfach Angst um ihr Leben, sollte die Opposition den militärischen Sieg davontragen und auf der Grundlage der Scharia einen „Gottesstaat“ errichten.

Wenn man sich nun den Misserfolg im Irak, die Folgen des Bürgerkrieges in Libyen mit der NATO auf Seiten der Aufständischen und den stark unzureichenden Erfolg in Afghanistan vor Augen führt, ist es gut verständlich, dass die Vereinigen Staaten interventionsmüde sind. Der amerikanische Präsident zaudert nicht, sondern macht vorsichtige Politik. Obama weiß, dass Russland und China eine Intervention jeglicher Art in Syrien bisher ablehnen. Der Iran unterstützt Syrien massiv und die Arabische Liga hat sich bisher als unfähig erwiesen, in dem Konflikt mäßigend einzugreifen. Auch die Arabische Liga ist zerstritten und die unterschiedlichen Lager verfolgen ihre eigenen Macht-Interessen abseits von Überlegungen zum zukünftigen Wohl des syrischen Volkes. Und bisher haben weder die UN, noch die EU, noch die USA definiert, was denn aus Syrien werden soll, wenn man die Opposition massiv mit Waffen unterstützen oder militärische Ziele und Objekte von symbolischer politischer Bedeutung mit Marschflugkörpern zerstören und eine Flugverbotszone einrichten würde. Der militärische Erfolg im syrischen Bürgerkriegssumpf ist höchst ungewiss, die Dauer einer Militärintervention ist nicht absehbar, weil man ja nach herbeigeführtem/-gebombtem Erfolg der "Opposition" die "nichtgläubigen Bürger" langfristig und nachhaltig vor den Islamisten schützen müsste. Außerdem hätte man, dem Vorschlag McCains folgend, alle Hände voll zu tun, die den Rebellen überlassenen Raketen unter Kontrolle zu bekommen.

Solange Ziele, Absichten und Erfolgsaussichten einer militärischen Intervention nicht definiert sind, sollte man den Maulhelden mit Argumenten entgegentreten, sie auf die Faktenlage verweisen und sie entlarven. Frankreich und Großbritannien können keine militärischen Alleingänge mit Erfolg durchhalten. Eine "Koalition der Willigen" garantiert noch keinen Erfolg, insbesondere für das syrische Volk. Die Europäische Union ist ein unbedeutender Akteur auf der politischen Welt-Bühne und hat nicht den politischen Zusammenhalt und die erforderlichen militärischen Fähigkeit für ein Eingreifen. Wenn eine militärische Intervention unausweichlich wird, dann können nur die USA mit Alliierten auf der Grundlage einer UN-Resolution versuchen, der syrischen Bevölkerung auf Dauer zu helfen. Dafür fehlen aber bisher, allem medialen Gerede zum Trotz, jegliche politischen Voraussetzungen.

(24.08.2013)

 

 

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