Hans-Heinrich Dieter

Missbrauchsskandal   (12.01.2021)

 

Die Katholische Kirche hat im Zusammenhang mit den Missbrauchsskandalen massiv an Vertrauen verloren und kann nicht mehr als moralische Instanz in Deutschland angesehen werden. Der vermeintliche „Reformpapst“ Franziskus hat im Februar 2019 das Thema aufgegriffen, auf einer Kinderschutzkonferenz in Rom halbherzig behandelt und deswegen auch nicht zu einem die Opfer und auch die Opferorganisationen befriedigenden Abschluss gebracht. Der Papst hat enttäuscht!

Die deutschen katholischen Bischöfe haben sich mit dem Thema Mitte März 2019 ebenfalls bei ihrer Frühjahrsvollversammlung befasst. Man will Priester, die Missbrauchstäter geworden sind, schneller aus dem kirchlichen Dienst entlassen können. Der deutsche Missbrauchsbeauftragte Bischof Ackermann sagte in diesem Zusammenhang: „Wir bleiben dran, dass im Sinne der Professionalisierung und Beschleunigung solcher Verfahren eigene Gerichte eingerichtet werden.“ Gemeint sind kirchliche Disziplinargerichte – das ist aber nicht hinreichend und keine Lösung zur Bekämpfung des erkannten Ausmaßes krimineller Energie in der Katholischen Kirche. Das Ergebnis der katholischen Frühjahrsvollversammlung ist enttäuschend!

Und im April 2019 veröffentlichte auch noch der ehemalige Papst Benedikt XVI. im „Klerusblatt“, einer Verbandszeitschrift bayerischer Kleriker, Theorien zur Ursache für den Kindesmissbrauch in der Kirche. Dabei versucht er, die gesellschaftlichen Bedingungen, die sexuellen Missbrauch von Minderjährigen möglich gemacht hätten, zu analysieren und macht dabei die 68er Revolution dafür verantwortlich. Auch wenn es richtig ist, dass die hochsexualisierten 68er-Aktivisten Pädophilie betrieben oder gerechtfertigt haben (Cohn-Bendit ist ein Beispiel von vielen) und die Grünen die Aufarbeitung dieser schlimmen Vergangenheit bisher nicht – wie versprochen – geleistet haben, kann ein solch empörender „Entschuldigungsversuch“ die Katholische Kirche nicht reinwaschen! Aufklärung und Ahndung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche darf solchen „Benedikts“ nicht überlassen werden, mutmaßliche Verbrecher sind der unabhängigen Justiz zu überantworten. Der emeritierte Papst Benedikt ist mehr als enttäuschend!

Auch Matthias Katsch, Mitbegründer des „Eckigen Tisches“ zur Aufarbeitung des Skandals war und ist tief enttäuscht über die bisherige Aufklärungsarbeit: „Die Kirche in Deutschland ist genauso wie ihre Schwesterkirchen in den USA, Australien, Irland und vielen anderen Ländern der Erde, in denen die Katholische Kirche vertreten ist, in ein System aus Missbrauch und Vertuschung verstrickt und hat es über Jahrzehnte verstanden, die Öffentlichkeit darüber zu täuschen. … Akten wurden vernichtet, viele Fälle sind nicht richtig dokumentiert worden, die Aktenführung ist konfus“. Deswegen darf man der katholischen Kirche auch die „Selbstaufklärung“ nicht überlassen, denn es gibt offensichtlich in der Kirche Strukturen und Netzwerke, die sexualisierte Gewalt gegen Kinder begünstigen und Aufklärung verhindern sowie das Thema Sexualität tabuisieren und totschweigen.

Vor dem Hintergrund massiver und zahlreicher Missbrauchsvorwürfe auch im Erzbistum Köln hatte Kardinal Woelki schon 2018 sein Wort gegeben, „dass wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln die Vorgänge aufklären und auch Verantwortliche benennen werden“. Das solle „ungeschönt und ohne falsche Rücksichten“ geschehen. Dazu hat er eine Studie in Auftrag gegeben. Nach Vorlage der Missbrauchsstudie hat Woelki die Studie wegen rechtlicher Bedenken zurückgehalten – er hat sich geweigert, das Gutachten zum sexuellen Missbrauch durch katholische Priester zu veröffentlichen. Dann wurde bekannt, dass Woelki dadurch selbst in einen Missbrauchsskandal verstrickt ist, dass er 2015 Missbrauchsvorwürfe gegen einen Pfarrer aus Düsseldorf nicht dem Vatikan in Rom gemeldet hat – ein ziemlich offensichtlicher Fall von Vertuschung. Nach zunehmender Kritik an seinem Verhalten, kündigte Woelki dann an, das Gutachten doch für Betroffene, interessierte Einzelpersonen und Journalisten öffentlich zu machen. Vor Beginn der Veranstaltung wurden allerdings die geladenen Journalisten aufgefordert, sich schriftlich zu verpflichten, die Informationen nicht weiterzugeben und für ihre Aufklärungsarbeit zu verwenden. Die Journalisten haben diese ungeheuerliche Zumutung nicht akzeptiert und die Veranstaltung verlassen.

Ein katholischer Pfarrer aus Dormagen hat Woelki daraufhin öffentlich kritisiert, jede „Glaubwürdigkeit verspielt“ zu haben. Das war Anlass für den Kölner Generalvikar, dem kritischen Priester dienstrechtliche Konsequenzen anzukündigen. Das wiederum war Anlass für die Reformgruppe „Wir sind Kirche“ festzustellen, dass die „Loyalitätspflicht gegenüber der Kirchenleitung nicht total sein kann.“ Und sie warfen der Kirchenleitung vor, „mit den Mitteln totalitärer Systeme, nämlich mit Gewalt, jeden Widerspruch gegen das eigene Versagen niederwalzen“ zu wollen. So verhalten sich amtierende katholische „Seelsorger“, denen es offensichtlich nur um die eigene Seele und die ihrer teilweise kriminellen Priesterbrüder geht Die Missbrauchsskandale sind erweitert durch einen Woelkiskandal!

Die Kirche ist offensichtlich ungeeignet, die Skandale aufzudecken und die Straftäter angemessen zur Rechenschaft zu ziehen. Der Staat muss also der Kirche helfen, indem er die Aufklärung im Sinne der Missbrauchsopfer selbst übernimmt. Dazu müsste das kirchliche „Selbstbestimmungsrecht“ im Grundgesetz angepasst, das Kirchenrecht teilweise geändert und die Kirchen als öffentliche Institutionen der normalen Strafgerichtsbarkeit unterworfen werden, wenn es um die Aufklärung und Ahndung von Vergehen und Verbrechen geht. Denn das sind keine vermeintlich „inneren Angelegenheiten“ der Kirchen, die man im eigenen Interesse unter den Tisch kehren oder lediglich disziplinarisch regeln kann. Darüber hinaus muss man feststellen, dass die Kirchen inzwischen jegliches moralisches Recht auf eine „Sonderstellung“ in allgemeinrechtlichen Fragen verwirkt haben.

Und da die deutsche Evangelische Kirche auch nicht frei ist von Missbrauchsvorwürfen und sich zum Beispiel im Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Kirchenasyl sowie der Seenotrettung anmaßt, Politik zu machen, sollte man auch das zum Anlass nehmen, die in Deutschland längst fällige Trennung zwischen Kirche und Staat zu vollziehen. Denn es kann nicht sein, dass die deutsche Gesellschaft für mögliches politisches und juristisches Fehlverhalten christlicher Kirchen in Haftung genommen wird.

Die Kirchen in Deutschland dürfen deswegen keine „Sonderrechte“ mehr haben. Das Ziel muss es sein, Staat und Kirche klar zu trennen und die Kirchen geltendem Recht und Gesetz unterzuordnen, wie das in anderen Demokratien auch gehandhabt wird. Religiöser Glaube und Kirchenzugehörigkeit sind reine Privatangelegenheiten mündiger Bürger!

(12.01.2021)

 

Bei Interesse an der Thematik lesen Sie auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/problemseenotrettung.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/entmachtungderkirchen.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/kirchlicheverfehlungen.html

 

 

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