Hans-Heinrich Dieter

NATO-Ministertagung   (24.10.2013)

 

Die Verteidigungsminister der NATO hatten bei ihrer Herbsttagung in Brüssel reichlich Themen. Es ging natürlich um die Folgemission der NATO in Afghanistan, "Resolute Support", und geradezu zwangsläufig um vertiefte und verstärkte Kooperation im Verteidigungsbündnis der Zukunft.

Zu Afghanistan nach 2014 hat die NATO nun einStrategic Planning Assessment vorgelegt, das zwar keine Zahlen für zukünftige Kontingente festschreibt, aber für die NATO-Soldaten jegliche Teilnahme an Kampfmissionen und die Begleitung von Operationen der afghanischen Sicherheitskräfte nach 2014 strikt ausschließt und geringstmögliches Risiko bei Ausbildungsaufträgen vorsieht. Dieses Strategiepapier ist sicher ein Anfang aber noch wenig weiterführend, denn die Voraussetzungen für eine Folgemission sind eine gültige UN-Resolution und ein formales Truppenstatut, das zum Beispiel die Bekämpfung von Al Qaida-Terroristen auf afghanischem Boden durch die internationalen Truppen erlaubt, sowie die Immunität der internationalen Soldaten garantiert und verhindert, dass sie möglicherweise der Scharia ausgeliefert sind. Hier kommen die USA und Afghanistan nicht weiter. Und deswegen gibt es auch noch keine Festlegungen zu der Beteiligung von US-Truppen. Und so lange es diese Zahlen nicht gibt, stocken die Planungen für den NATO-Folgeeinsatz, die natürlich mit der derzeit laufenden Rückverlegung koordiniert werden müssen, und schon deutlich hinter den Zeitlinien sind. Ende November soll der Entwurf eines solchen Truppenstatuts der Loya Jirga zu Billigung vorgelegt werden. Sollte das Truppenstatut abgelehnt werden, ist damit zu rechnen, dass die internationalen Truppen bis Ende 2014 Afghanistan komplett verlassen.

Wenn es nur um Karsai ginge, der tatsächlich zum Ausdruck bringt, der Einsatz der NATO hätte Afghanistan viel Leid, aber keine Vorteile gebracht, wenn man nur das korrupte System Karsai, die islamistischen Taliban, die Warlords sowie Clanchefs und die Machenschaften der kriminellen Drogenbosse im Auge hätte, wäre ein schnellstmöglicher Totalabzug die richtige Lösung. Die übernommene Verantwortung der westlichen Welt für eine positive Entwicklung der afghanischen Bevölkerung verbietet allerdings einen solchen Schritt. Die internationale Staatengemeinschaft darf die Afghanen nicht wieder den Taliban überlassen. Dazu muss aber Afghanistan die Hilfe auch der NATO wollen und dafür ist ein Truppenstatut dringend und unerlässlich. Es ist erstaunlich, dass sich die NATO in die diesbezüglichen Verhandlungen nicht erkennbar eingebracht hat. Noch hat die NATO im Hinblick auf "Resolute Support" also vorwiegend für die Schublade gearbeitet.

Die vertiefte und verstärkte Kooperation der NATO-Mitgliedstaaten ist ein langjähriges Thema, das bisher ziemlich erfolglos behandelt wurde. Obwohl alle Staaten Schwierigkeiten damit haben, die erforderliche Rüstung zu finanzieren, um ihre jeweiligen Streitkräfte einsatzfähig zu halten, sind Projekte wie "Smart Defence" oder "Pooling and Sharing" mehr oder weniger gescheitert beziehungsweise nicht sehr erfolgreich entwickelt worden. Die Hauptursache dafür liegt bei den schwer oder nicht überwindbaren Souveränitätsansprüchen der Staaten hinsichtlich ihrer Verteidigungspolitik. In dieser Lage hat Deutschland ein Konzept in die NATO eingebracht, um "Planung und Entwicklung von militärischen Fähigkeiten" besser abstimmen zu können. Größere Mitglieder sollen dabei als "Rahmennationen" Führungsverantwortung für einzelne militärische Fähigkeitsfelder übernehmen, kleinere Mitglieder bringen sich mit ihren Fähigkeiten in diese "Rahmen" ein. Viele NATO-Mitglieder sind mit diesem Konzept nicht "glücklich" und Generalsekretär Rasmussen hat die deutsche Initiative lediglich "begrüßt" - das heißt mehr oder weniger, dass daraus nichts wird. Dabei kommen die NATO-Mitglieder um eine stärkere Zusammenarbeit nicht herum, wenn sie ihre Streitkräfte einsatzfähig halten und die sehr weitgehende Abhängigkeit von Fähigkeiten der US-Streitkräfte reduzieren wollen.

Eigentlich ganz gut gedacht von Deutschland. Aber gut gedacht ist noch nicht gut gemacht. In der deutschen Sicherheitspolitik ist ein solches Konzept noch nicht diskutiert. Es ist auch nicht bekannt, dass das Kabinett geschweige denn das Parlament sich schon mit solchen Fragen auseinandergesetzt haben. Unsere Freunde in der NATO beobachten uns durchaus und wissen also, dass das eingebrachte Konzept politisch noch ziemlich substanzlos ist und messen der Sache deswegen auch kaum Gewicht bei. Und wenn Deutschland solche Vorschläge macht, dann fällt allen Mitgliedern ein, dass Deutschland bei NATO-Einsätzen besonders ausgeprägt vom Parlamentsvorbehalt abhängig ist. Und damit ist klar, dass man sich bei Bedarf ggf. nicht auf das Bereitstellen von militärischen Fähigkeiten durch Deutschland verlassen kann. Das schafft kein Vertrauen und unterminiert die Glaubwürdigkeit solcher deutscher Initiativen.

Wenn Deutschland es ernst meint mit einer zukünftigen verstärkten Rüstungs-Kooperation der NATO-Mitglieder , dann muss das Thema Teil der Koalitionsverhandlungen werden. Es ist dann grundsätzlich und für die NATO-Mitglieder verlässlich festzuschreiben, welche Fähigkeiten Deutschland für NATO-Einsätze auch ohne parlamentarische Zustimmung bereitstellt. Dazu muss der Parlamentsvorbehalt neu geregelt werden. Das Erarbeiten der politischen Grundlagen für diese Thematik verträgt keinen Aufschub, weil uns die "Führungsmacht USA" mehr und mehr abhandenkommt.

Vertiefte und verstärkte Rüstungskooperation verträgt keine "unsicheren Kantonisten"!

(24.10.2013)

 

 

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