Hans-Heinrich Dieter

Neuausrichtung deutscher Außenpolitik   (02.02.2014)

 

Zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz hat Bundespräsident Gauck aus seiner Sicht Anmerkungen zur Rolle Deutschlands in der Welt gemacht. Es war insgesamt eine sehr nachdenklich Rede, die hoffentlich auch in der Praxis deutscher Außen- und Sicherheitspolitik nachwirkt.

Gauck skizziert eine globalisierte Welt mit schnellen Abläufen und rasanten Entwicklungen, gekennzeichnet durch die rasche Abfolge von Krisen, Bürgerkriegen, Katastrophen und belastet durch weltweite Kriminalität und Terrorismus.

„Im Zuge dieser Entwicklungen zu glauben, man könne in Deutschland einfach weitermachen wie bisher“ überzeugt das Staatsoberhaupt nicht. Und Gauck greift die grobschlächtige Kritik auf, Deutschland sei der Drückeberger der Weltgemeinschaft und ducke sich bei schwierigen Fragen allzu oft weg.

Im Umgang mit dieser Kritik stellt er selbstkritische Fragen: „Tun wir, was wir könnten, um unsere Nachbarschaft zu stabilisieren, im Osten wie in Afrika? Tun wir, was wir müssten, um den Gefahren des Terrorismus zu begegnen? Und wenn wir überzeugende Gründe dafür gefunden haben, uns zusammen mit unseren Verbündeten auch militärisch zu engagieren, sind wir dann bereit, die Risiken fair mit ihnen zu teilen? …Welche Rolle wollen wir in den Krisen ferner Weltregionen spielen?“ Sein Fazit: „Die Bundesrepublik sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substantieller einbringen.“

In diesen Zusammenhängen vermisst der Bundespräsident eine grundsätzliche Diskussion über deutsche Außen- und Sicherheitspolitik. „Dabei brauchen wir solche Debatten – im Bundestag und überall: in Kirchen und Gewerkschaften, bei der Bundeswehr, in den Parteien und Verbänden… Das Nachdenken über Existenzfragen gehört in die Mitte der Gesellschaft.“ Und: “Das Gespräch darüber, wie, wo und wann wir unsere Werte und unsere Sicherheit verteidigen wollen, führt uns zu mehr Klarheit über Maß und Ziel von Deutschlands internationalem Engagement.“

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen greift diese „Schützenhilfe“ auf und versprach – gleich für die Große Koalition - größere internationale Verantwortung wahrzunehmen. „Gleichgültigkeit ist keine Option für Deutschland.“ sagt sie angesichts von Krisen und Konflikten in Nah und Fern. Aber sie schränkt auch ein: „Wenn wir über die Mittel und die Fähigkeiten verfügen, haben wir auch die Verpflichtung und die Verantwortung zu handeln.“ Sie sagt aber nicht aufgrund welcher außen- und sicherheitspolitischer Interessen, in welcher Qualität, mit welcher Schwerpunktsetzung solche „Verpflichtungen“ zu erfüllen und „Verantwortung“ durch Deutschland wahrzunehmen sind.

Außenminister Steinmeier stellt fest: "Deutschland ist eigentlich zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren", und ergänzt fast in der Wortwahl des Bundespräsidenten, Deutschland müsse bereit sein, sich außen- und sicherheitspolitisch früher, entschiedener und entschlossener einzubringen. Und er will Deutschland zum Impulsgeber für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik machen, der Einsatz von Militär dürfe dabei aber immer nur das letzte Mittel sein.

Zwischen Reden auf der Münchner Sicherheitskonferenz und realer Politik in Berlin gibt es naturgemäß Unterschiede. Aber der Außenminister und die Verteidigungsministerin werden in dieser Legislaturperiode von europäischen und internationalen Partnern an ihren Worten gemessen werden – und dann wird Deutschland im Hinblick auf die geweckten Erwartungen möglicherweise als zu leicht befunden werden, weil die politischen Voraussetzungen und die militärischen Fähigkeiten für ein stärkeres internationales Engagement noch nicht hinreichend geschaffen sind.

Wenn die „reale Politik“ allerdings die Anregung des Bundespräsidenten aufgreift und eine intensive sicherheitspolitische Diskussion und öffentliche Debatte darüber führt, nach welchen Kriterien Deutschland sich zukünftig - auch militärisch - in der Welt engagieren will und welches unsere vitalen Interessen, was unsere Ziele in der deutschen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik im europäischen und internationalen Rahmen sind, sowie welche Konzepte und Strategien dafür entwickelt werden müssen, dann kann sich aus einer sehr zurückhaltenden, wenig souveränen deutschen Außenpolitik eine fundierte und vernetzte deutsche Außen- und Sicherheitspolitik entwickeln, die der Rolle Deutschlands in der Welt entspricht. Dazu gehört dann allerdings auch, dass die Instrumente deutscher Außen- und Sicherheitspolitik entsprechend befähigt werden und die politischen Rahmenbedingungen für ein verlässliches Engagement geschaffen werden. Wir brauchen „Klarheit über Maß und Ziel von Deutschlands internationalem Engagement.“ Das wird politisch und gesellschaftlich sehr spannend werden.

(02.02.2014)

 

Weitere Klartexte zum Sachverhalt:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/weltweitesengagement.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/eu-sicherheits-undverteidigung.html

 

 

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