Hans-Heinrich Dieter

Neues Weißbuch für die Bundeswehr

 

Angesichts der seit 2006 vielschichtig veränderten globalen Sicherheitslage ist es hohe Zeit, dass ein neues Weißbuch für die Bundeswehr herausgegeben wird. Das Bundeskabinett hat dieses neue Grundlagendokument zur deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik am 13.07.2016 beschlossen. Das federführend vom Verteidigungsministerium erarbeitete Weißbuch „Zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ gibt grundsätzliche sicherheitspolitische Ziele vor und ist wegweisend für die zukünftige strategische Ausrichtung der Streitkräfte.

Das Weißbuch 2006 spielte in der öffentlichen Debatte nahezu keine Rolle. Das Weißbuch 2006 wurde damals vom Bundeskabinett lediglich billigend zur Kenntnis genommen. Die sicherheitspolitische Diskussion in Deutschland blieb dementsprechend oberflächlich und unzureichend, die angekündigte „Vernetzung der deutschen Sicherheitspolitik“ blieb ein frommer, weitgehend unerfüllter Wunsch, der politische sowie öffentliche Diskurs um Auslandseinsätze der Bundeswehr wurde unehrlich und illusionsbeladen geführt und in Folge haben die "nur von Freunden umgebenen" verantwortlichen Politiker die Bundeswehr in einen ziemlich desolaten Zustand hineingespart. Das Ergebnis ist der „Sanierungsfall“ Bundeswehr.

Verteidigungsministerin von der Leyen hat sich für das Weißbuch 2016 dankenswerterweise in den zwei Jahren der Erarbeitung sehr darum bemüht, die Öffentlichkeit durch Diskussionsveranstaltungen und Expertenworkshops einzubinden. Das neue Weißbuch wurde nun durch die gesamte Bundesregierung beschlossen, das hat eine neue Qualität.

Schon vor dem Kabinettsbeschluss und vor der Herausgabe des Dokuments gab es teilweise heftige und kritische Stellungnahmen zu Einzelaspekten. Die grundlegende Diskussion wurde allerdings bisher ausgespart. Sicherheitspolitik ist heute eine Teilmenge der Außenpolitik und angesichts der Terrorbedrohung, der Cyberkriminalität, der hybriden Kriegsführung und der auch vom Militär zu leistenden humanitären Hilfe nicht ohne Verzahnung mit der Innen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik mit Aussicht auf Erfolg denkbar. Deswegen wäre es an der Zeit gewesen, dass die Federführung für die Erarbeitung eines „Weißbuches der Bundesregierung“ vom Auswärtigen Amt übernommen worden wäre. Denn eine sicherheitspolitische Betrachtung mit zwangsläufig militärischem Schwerpunkt erweist sich schnell als unzureichend und wird dann den neuen und umfassenderen Herausforderungen der vernetzten Sicherheitspolitik nicht voll gerecht.

Und wenn für einen Zeitraum von 10 bis 20 Jahren entschieden werden soll, welche Ziele Deutschland in der Sicherheitspolitik mit welchen Mitteln, in welcher Qualität, in welcher Kooperation und in welchen Bündnissen erreichen will, dann kommt man nicht darum herum sich festzulegen, welche vitalen Interessen Deutschland als Staat, als Gemeinwesen, als Mittelmacht in der Europäischen Union und als Mitglied der NATO hat und mit welchem Gewicht sich Deutschland in den Erhalt der europäischen Sicherheitsarchitektur und in internationale Krisenbewältigung einbringen will. Erst wenn das Auswärtige Amt solche längst überfälligen Dokumente geschaffen und der Deutsche Bundestag über die vitalen deutschen Interessen entschieden hat, sind auch die Grundlagen gelegt für ein Deutsches Weißbuch der Bundesregierung, in dem strategische Aufgaben in der vernetzten Sicherheitspolitik mit den dazu erforderlichen Fähigkeiten, Kräften und Mitteln definiert und zugeordnet werden. Der Entwurf eines solchen Weißbuches darf dann durch den Bundestag nicht nur als ein Papier des Verteidigungsministeriums nur zur Kenntnis genommen werden. Es ist eingehend zu diskutieren und parlamentarisch zu beschließen. Dann ist der Bundestag auch in der Pflicht, die erforderlichen Gelder für entsprechende jeweilige Aufgabenerfüllung der Ressorts zu bewilligen. Nur so kann nach den Erfahrungen der letzten Jahre verhindert werden, dass ein Konsenspapier von eingeschränktem Wert entsteht. Nur auf einer solchen soliden sicherheitspolitischen Grundlage werden wir unserer gestiegenen sicherheitspolitischen Verantwortung, auch für unsere Partner, verlässlich gerecht werden können.

In Deutschland reden wir aber nur von „vernetzter Sicherheitspolitik“ und von der erforderlichen stärkeren sicherheitspolitischen Rolle Deutschlands in der globalen Welt, ohne allerdings die dafür zwingend erforderlichen politischen Rahmenbedingungen zu schaffen. Leider ist mit dem jetzigen deutschen Außenminister zukunftsorientierte, konkrete „vernetzte Sicherheitspolitik“ wohl nicht wirklich möglich. Das liegt sicher aber auch daran, dass sich Kanzlerin Merkel ganz offensichtlich für Sicherheitspolitik nicht interessiert und keine sicherheitspolitischen Richtlinien vorgibt.

Da ist es schon ein Anfang, wenn Frau von der Leyen formuliert: „Wir machen uns nicht größer, als wir sind, wir machen uns aber auch nicht kleiner, als wir sind.“ Und es ist richtig, dass die Ministerin die Bundeswehr vor allem als Bündnisarmee aufstellen will und doch tatsächlich feststellt: „Unsere Bündnisse sind nur so stark, wie wir in sie investieren“ und in dem Zusammenhang darauf hinweist, dass Deutschland unverändert das vereinbarte NATO-Ziel, 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Verteidigung zu investieren, mit nur 1.2 Prozent deutlich verfehlt. Deutschland wird sicherheitspolitisch klein bleiben, wenn es die erforderlichen Investitionen in die sicherheitspolitischen Fähigkeiten weiterhin nur unzureichend leistet. Die erforderlichen Gelder muss der Bundestag bewilligen. Deswegen muss das jetzt von der Bundesregierung beschlossene neue Weißbuch dem deutschen Bundestag zur Entscheidung überlassen werden. Dann würde in unserer parlamentarischen Demokratie zunächst eine verlässliche Grundlage für die zukünftige deutsche Sicherheitspolitik geschaffen, die dann für jede neue Legislaturperiode fortgeschrieben werden sollte.

(14.07.2016)

 

 

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