Hans-Heinrich Dieter

Niedergang unserer parlamentarischen Demokratie   (03.02.2018)

 

Deutschland ist als parlamentarische und repräsentative Demokratie verfasst. Damit leben wir als Staatsbürger und mündige Demokraten schon lange ziemlich gut und hinreichend erfolgreich. In unserer „aus den Fugen geratenen“ und global organisierten und funktionierenden Welt werden aber in den letzten Jahren Defizite, Fehler, Versäumnisse und auch Versagen im politischen Alltag offenkundig, die zu massivem Vertrauensverlust der verantwortlichen Politiker geführt haben. Dieses Vertrauen muss unbedingt zurückgewonnen werden - aufgrund der politischen Rahmenbedingungen wird das aber nicht ganz einfach sein!

Nach Grundgesetz Art. 20 geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. In unserer parlamentarischen Demokratie hat das Parlament die Regierung im Auftrag des Volkes zu kontrollieren. Das Parlament wird gebildet durch die gewählten Volksvertreter. Die Regierung darf das Parlament nicht beeinflussen. Die Abgeordneten werden für parlamentarische Arbeit zum Wohl des deutschen Volkes bezahlt. In ihrer Parlamentsarbeit sind sie nach dem Grundgesetz ihrem Gewissen verantwortlich und nicht der jeweiligen Partei. Verfahren direkter Demokratie sind auf Bundesebene – aus guten Gründen – auf Ausnahmen beschränkt. Die Praxis unserer parlamentarischen und repräsentativen Demokratie hat sich aber vom Grundgesetz entfernt - mit negativer Auswirkung.

Denn man kann sagen, dass Deutschland als parlamentarische Demokratie durchaus in gewissem Maße zur Parteiendemokratie „verkommen“ ist, weil es die Parteien sind, die den politischen Prozess weitgehend beherrschen und nicht das Parlament. Das hängt auch mit der langjährigen Verantwortlichkeit der „Volksparteien“, teilweise in großen Koalitionen, zusammen. Die Regierungsparteien haben über ihre - einer strengen Parteidisziplin und rigidem Fraktionszwang unterworfenen – Abgeordneten-Parteifreunde oder -genossen die Gewissheit, dass ihre jeweilige Regierungsabsicht im Parlament bestätigt wird. Das verhindert tatsächliche Diskussion und ein „dem Wohl des deutschen Volkes“ verpflichtetes Ringen um die jeweils beste Sachentscheidung, denn es geht vorwiegend nicht um das Wohl des deutschen Volkes, sondern eher um das Parteiwohl und das Verteidigen der jeweiligen Partei- oder Koalitionsmehrheit. Die „verkommene Debattenkultur“ im Deutschen Bundestag, als Ergebnis dieser Missstände, wird mit Recht beklagt!

Dadurch wird Regierungshandeln weder verantwortungsbewusst kontrolliert noch korrigiert, wenn es gilt, Schaden vom Volk abzuwenden. Bei der selbstherrlich von Merkel entschiedenen, volksverdummend mit Fukushima begründeten Energiewende ohne Konzept  und ohne Abstimmung mit der EU, hat das Parlament das Regierungshandeln nicht hinterfragt, sondern abgenickt - zum volkswirtschaftlichen Nachteil Deutschlands.

Im Herbst 2015 hat Merkel mit ihrer konzeptionslosen „Willkommenskultur“ Flüchtlinge aller Art geradezu angelockt und damit die Krise verstärkt – eine grandiose politische Fehlleistung. Als dann auch Frau Merkel allmählich – zwischen der Vielzahl von Selfies - aufgefallen ist, dass die menschenwürdige Behandlung und Versorgung sowie die Registrierung der schieren Zahl der ankommenden Flüchtlinge von den überforderten Behörden nicht zu bewältigen war, hat sie, ohne Rücksprache mit Österreich, die Grenze schließen lassen. Eine Absprache mit der Europäischen Kommission oder mit EU-Partnern fand bei dieser einseitigen Aussetzung des Schengen-Abkommens nicht statt. Die EU und unsere Partner waren mit Recht über diesen brutalen Richtungswechsel der deutschen Politik verwundert, enttäuscht und verärgert. Hier wurde das Handeln Merkels dann endlich zu einer „beispiellosen politischen Fehlleistung“! Das Parlament hat die Regierung Merkel weder kontrolliert noch korrigiert, sondern das selbstherrliche Handeln Merkels abgenickt und sich so im Hinblick auf den unverantwortlichen Kontrollverlust des Staates zum Schaden seiner Bürger mitschuldig gemacht.

Und nun warten die Bürger schon lange auf die erfolgreiche Regierungsbildung. Und das Parlament hat auch unverantwortlich lange auf eine Regierungsbildung gewartet. Erst jetzt – vier Monate nach der Wahl - werden die 23 Fach-Ausschüsse gebildet und damit der Bundestag arbeits- und kontrollfähig gemacht. Man wollte wohl einen Koalitionsvertrag und den Zuschnitt der Ministerien sowie die Entscheidungen über die jeweiligen Verantwortungsträger abwarten. Das macht aber wenig Sinn, wenn auch geschäftsführende Ressorts kontrolliert werden müssen. Das Parlament darf nicht zur Herstellung der parlamentarischen Handlungsfähigkeit auf einen Koalitionsvertrag warten, mit dem dann die „Meinungen“ der Koalitions-Abgeordneten vertraglich schon vorfestgelegt und dann über den Fraktionszwang eingefordert werden. Denn die Abgeordneten sind vom Grundsatz her frei und nur ihrem Gewissen verantwortlich! Außerdem sind ein Teil der Fachausschüsse, der Auswärtige Ausschuss, der Verteidigungs- sowie der EU- und der Petitionsausschuss sogar grundgesetzlich verankert und dabei hat der Verteidigungsausschuss das besondere Recht, bei Bedarf eigenständig einen Untersuchungsausschuss zu bilden. Die Regelungen sind gesetzlich wohl begründet und daher ist die augenblickliche „Hängepartie“ auch nicht hinzunehmen. Mit dieser pflichtvergessenen Hängepartie ist das Parlament seiner Verantwortung nicht gerecht geworden und hat Vertrauen verspielt.

Und nun spielt die SPD unserer parlamentarischen Demokratie einen zusätzlichen üblen Streich. Sollte ein Koalitionsvertrag zustande kommen, dann sollen die Parteimitglieder entscheiden, ob sich die SPD an der Koalition beteiligen und Regierungsverantwortung übernehmen darf. Das ist schlimmer als Parteiendemokratie, denn das ist Parteibasisdemokratie, die gegen unser demokratisches System verstößt.

Denn in unserer Demokratie sind die Abgeordneten die gewählten Vertreter des ganzen Volkes. Ihr Auftrag ist es, eine Regierung zu bilden, die dem Wohl des Volkes zu dienen hat. Deswegen ist ein im Detail ausgearbeiteter Koalitionsvertrag grundsätzlich auch nicht erforderlich. Die Abgeordneten der Parteien, die zu einer Regierungsbildung bereit sind, müssten sich eigentlich nur über die Ziele der gemeinsamen Arbeit zum Wohl des deutschen Volkes einig sein und endlich mit verantwortungsbewusster Arbeit anfangen.

Und man stelle sich den Irrsinn eines Mitgliederentscheids einmal praktisch vor. Die Parteibasis der SPD setzt sich nicht nur aus intelligenten und politisch hinreichend gebildeten Mitgliedern zusammen. Die Problemstellungen sind heute so komplex, dass sie von sicher zahlreichen Abgeordneten nur nach intensiver Sacharbeit und weiterführender Diskussion verstanden werden. Wie sollen dann die weniger intelligenten Mitglieder an der Basis sinnvoll über einen vielseitigen detaillierten Vertrag sinnvoll und verantwortungsbewusst abstimmen? Außerdem ist jeder einzelne Abgeordnete Vertreter des ganzen Volkes und auch wenn er Parteimitglied ist, kann er durch ein Mitgliedervotum der Parteibasis grundsätzlich nicht gebunden und zum Vollstrecker des Parteibasiswillens degradiert werden.

Wir dürfen unsere parlamentarische und repräsentative Demokratie nicht zu Parteibasisherrschaft verkommen lassen.

(03.02.2018)

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