Hans-Heinrich Dieter

OhnmĂ€chtige EU   (19.02.2019)

 

Zum Auftakt der der 55. MĂŒnchner Sicherheitskonferenz haben Deutschland und Großbritannien zu einer verstĂ€rkten militĂ€rischen Zusammenarbeit in Europa aufgerufen. Bundesverteidigungsministerin von der Leyen stellte fest, dass „die EuropĂ€er mehr in die Waagschale werfen“ mĂŒssten und dass die Forderungen der USA im Hinblick auf mehr Fairness in der Lastenteilung bei den Verteidigungsinvestitionen berechtigt seien. Und die Ministerin betonte, dass die NATO fĂŒr die Sicherheit Europas die grĂ¶ĂŸte Bedeutung habe. Und ihr britischer Kollege Williamson machte deutlich, dass Großbritannien sich auch nach einem Brexit zur gemeinsamen Sicherheitspolitik bekennen wird, dabei mĂŒsse die NATO Fundament fĂŒr die Sicherheit in Europa sein, das durch Russland bedroht wird. Soweit so gut und richtig! Aber wie, was und mit welchem gemeinsamen Ziel sollen „die EuropĂ€er“ mehr in die Waagschale werfen? Und wie steht es um das „Fundament NATO“ fĂŒr den Erhalt der Sicherheit in Europa?

Bundeskanzlerin Merkel spricht lebendig und ungewohnt eindrucksvoll von der Bedeutung des Multilateralismus und hebt hervor, dass der sicherheitspolitische Umbruch der Welt nur gemeinsam – nicht nationalistisch – bewĂ€ltigt werden kann. Ideen fĂŒr die Zukunft Europas prĂ€sentiert sie nicht. PrĂ€sident Macron macht durch seine Abwesenheit deutlich, dass der „deutsch-französische Motor“ in der europĂ€ischen Sicherheitspolitik weitaus weniger rund lĂ€uft, als mit dem Aachener Vertrag posaunt. US-PrĂ€sident Trump zieht es vor, trotz des ausgerufenen Notstandes fĂŒr die USA in Florida Golf zu spielen. So zeigt er, dass er persönlich nicht wirklich viel auf die engen Beziehungen zu Großbritannien, Frankreich und Deutschland gibt, die die amerikanische Außenpolitik seit dem Zweiten Weltkrieg geprĂ€gt haben, und auch wenig Interesse an der transatlantischen Partnerschaft hat. Er lĂ€sst deswegen seinen Vasallen-Vize Pence Unterordnung und Gefolgschaft der europĂ€ischen NATO-Mitglieder – im Stil: wer nicht absolut fĂŒr uns ist, der ist kein Partner und gegen uns! - einfordern. Der Dauergast der MSC und russische Außenminister Lawrow hĂ€lt die DrohgebĂ€rde der nuklearen AufrĂŒstung Russlands wach und versucht, NATO und EU zu spalten. China ist nicht bereit, sich in einen erweiterten INF-Vertrag einbeziehen zu lassen und vertritt auch den Anspruch einer sicherheitspolitischen Großmacht. Und fĂŒr die NATO erteilt GeneralsekretĂ€r Stoltenberg atomarer AufrĂŒstung eine klare Absage und betont die Notwendigkeit, Strategien fĂŒr die hybride KriegsfĂŒhrung des 21. Jahrhunderts zu entwickeln. Das alles steckt noch in den Kinderschuhen.

In der Außen- und Sicherheitspolitik oder bei Energie- sowie Handelsfragen und in beinahe keinem der in MĂŒnchen verhandelten Politikfelder wurden ĂŒbereinstimmende Auffassungen deutlich - von der erkennbaren Bereitschaft, partnerschaftlich und solidarisch zusammenzuarbeiten ganz zu schweigen. Der aggressive Nationalismus der Trump-Administration hat die Welt verĂ€ndert. Und da konnte auch der Versuch des ehemaligen Vize-PrĂ€sidenten Biden, fĂŒr Vertrauen in die USA zu werben, die europĂ€ischen Sorgen nicht lindern. Die NATO ist weiterhin durch die USA als „Fundament der europĂ€ischen Sicherheit“ gefĂ€hrdet! Den EuropĂ€ern wurde ein Spiegel vorgehalten und so mussten sie ihre eigene Machtlosigkeit im Rahmen einer zerfallenden internationalen Ordnung erkennen. Das ist bitter aber selbstverschuldet!

Und was sollen „die EuropĂ€er“ nun in die Waagschale werfen? „Die EuropĂ€er“ gibt es derzeit nicht. Die EuropĂ€ische Union ist durch nationalistische Tendenzen zu gemeinsamem und solidarischem Handeln nicht fĂ€hig. Die EU zersplittert in Ost-West-Interessen sowie Nord-SĂŒd-LeistungsfĂ€higkeit und wird durch den Brexit erheblich geschwĂ€cht. Die EU hat keine gemeinsamen außen- und sicherheitspolitischen Interessen und Vorstellungen, eine EuropĂ€ische Armee ist Illusion! EuropĂ€ische Verteidigungsanstrengungen bleiben mittel- bis langfristig nur im Rahmen der NATO glaubhaft und wirksam. Und ohne strukturelle Reformen wird die EU auch handlungs- und durchsetzungsunfĂ€hig und damit erpressbar sowie Spielball der Groß- und SupermĂ€chte bleiben.

Deswegen muss die NATO als militĂ€risches BĂŒndnis mit grĂ¶ĂŸerem europĂ€ischem Einfluss erhalten werden, das gesamtpolitisch agiert und den Dialog sowie die Zusammenarbeit der Demokratien beiderseits des Atlantiks aktiv hĂ€lt und zur Koordinierung der Politik im Sinne unserer westlichen Wertordnung beitrĂ€gt. Weil aber die europĂ€ischen NATO-Mitgliedstaaten zu wenig fĂŒr ihre Selbstbehauptung und Ă€ußeren Sicherheit tun, bleiben sie vom militĂ€rischen Schutz der Amerikaner abhĂ€ngig und mĂŒssen mittelfristig deren Forderungen erfĂŒllen und den FĂŒhrungsanspruch der USA respektieren, ohne sich weiterhin der Trittbrettfahrerei schuldig zu machen.

Europa muss sich nun entscheiden was es wirklich will. Und die EU muss sich reformieren und weiterentwickeln von einer friedensstiftenden Nachkriegs-Wirtschaftsunion zu einem international handlungsfĂ€higen außen- und sicherheitspolitischen Akteur mit leistungsfĂ€higen politischen Instrumenten, die sie auf der Grundlage einer Gesamtstrategie zur Wirkung bringen kann. Und Deutschland muss in der EU und in der NATO ein glaubhafter und verlĂ€sslicher Partner werden, der seine Vereinbarungen erfĂŒllt, sich bei schwierigen MilitĂ€reinsĂ€tzen nicht verweigert, seine Energiepolitik mit der EU besser abstimmt und sich insgesamt stĂ€rker in eine gemeinsame EU-Politik einbringt.

(19.02.2019)

 

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