Hans-Heinrich Dieter

Panzer für die Parlamentsarmee?

 

So viel „Aufmerksamkeit“ des Parlaments gab es selten für die Bundeswehr.

Verteidigungspolitiker von Union und SPD setzen sich dafür ein, die Bundeswehr mit deutlich mehr Kampf- und Radpanzern als bisher geplant auszustatten. Die Planzahlen von 225 Leopard-Panzern und 190 Radpanzern des Typs Boxer seien angesichts der aktuellen Sicherheitslage – hauptsächlich wegen der Ukrainekrise - nicht mehr angemessen. Die weltweite Sicherheitslage erfordere außerdem ein Umdenken, im Hinblick auf den Stellenwert der Bundeswehr. Und die Abgeordneten gehen noch weiter. Sie fordern eine weitergehende Ausstattung der Truppe mit dem in der Priorität zurückgestuften System „Infanterist der Zukunft“, die Wiederbeschaffung der an die Kurden im Nordirak gelieferten Waffen, bis hin zur Bereitstellung von zusätzlichem Geld für die Materialerhaltung des Großgeräts der Bundeswehr. Ãœber diese Anträge der Verteidigungsexperten der Koalition für den Haushalt 2015 soll der Haushaltsausschuss des Bundestages im November entscheiden.

Da stellt sich natürlich sofort die Frage nach der Grundlage solcher Forderungen und Anträge. Gibt es neue Verteidigungspolitische Richtlinien für Deutschland, hat die Bundeswehr eine neue Konzeption als Grundlage für eine neue Streitkräfte-Struktur erarbeitet, hat man der Bundeswehr die Verantwortung für die Bundeswehrplanung entzogen und nun dem Verteidigungsausschuss zugeordnet oder wollen die Verteidigungsexperten einfach nur die von Wirtschaftsminister Gabriel angekündigte restriktivere Rüstungsexportpolitik ausbalancieren sowie Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann besänftigen? Und es drängt sich die dringende Frage nach der Sach-Kompetenz der das Volk vertretenden „Verteidigungsexperten“ auf.

Kennen die Abgeordneten die gültigen verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR), haben sich die Abgeordneten mit der Konzeption der Bundeswehr eingehend befasst, können die Volksvertreter die Auswirkungen ihrer Anträge und Forderungen auf die Neuausrichtung der Bundeswehr beurteilen und sind die Anträge und Forderungen im Detail durchgerechnet und mit der Forderung an den Finanzminister auf Mehrzuweisung von Finanzmitteln für den Verteidigungshaushalt 2015 verbunden? Die Fragen werden alle negativ zu beurteilen sein. Deswegen ist die „Aufmerksamkeit“ der Abgeordneten für die Streitkräfte eher als heiße „Luftnummer“ zu verstehen. Und in diesem Zusammenhang wird auch offenkundig, wie wenig die Volksvertreter vom Primat der Politik und ihrer Verantwortung verstanden haben.

Wenn die Parlamentarier ihrer Verantwortung gerecht werden wollen, dann sollten sie veranlassen, dass sicherheitspolitische Debatten im Bundestag regelmäßig stattfinden, die Abgeordneten um die aktuelle Definition vitaler deutscher Interessen ringen und über entsprechende Grundzüge sicherheitspolitischer Zielsysteme und Strategien diskutieren. Erst wenn die Ziele deutscher Sicherheitspolitik und die damit verbundenen Herausforderungen feststehen, kann man über Mittel und Maßnahmen entscheiden. Solche Ziele deutscher Sicherheitspolitik sind fortzuschreiben und die damit verbundenen Herausforderungen sind der aktuellen Sicherheitslage anzupassen. Schon deswegen ist eine regelmäßige Diskussion im Bundestag erforderlich.

Nationale sicherheitspolitische Entscheidungen sind aber unzureichend und zu wenig belastbar, solange nicht die deutsche Beteiligung an einer weitergehenden multinationalen militärischen Integration in der Europäischen Union und der NATO und das damit zwangsläufig einhergehende „Pooling“ und „Sharing“ von militärischen Fähigkeiten, Großgeräten und Aufgaben entschieden ist. Die Bundeswehr muss nicht mehr alles können, sondern die Streitkräfte der EU und der NATO müssen gemeinsam über das erforderliche breite Spektrum an Fähigkeiten verfügen und die Bundeswehr muss die von ihr zugesagten Fähigkeiten in hoher Qualität und mit großer Verlässlichkeit jederzeit und schnell verfügbar machen können.

Davon sind wir weit entfernt, weil Deutschland sicherheitspolitisch ohne definierte Ziele und ohne Plan von der Hand in den Mund lebt und die Bundeswehr über Jahre unterfinanziert hat. Wenn die Parlamentarier feststellen: „Die weltweite Sicherheitslage erfordere außerdem ein Umdenken, im Hinblick auf den Stellenwert der Bundeswehr.“, dann ist dem zuzustimmen. Um diesen neuen Stellenwert sollten sich die Abgeordneten parlamentarisch kümmern, denn die Bundeswehr braucht öffentliche Unterstützung aber keine unbegründeten Detailvorgaben.

(17.10.2014)

 

 

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