Hans-Heinrich Dieter

Versagen der parlamentarischen Demokratie   (14.10.2018)

 

In unserer parlamentarischen Demokratie hat das Parlament die Regierung im Auftrag des Volkes zu kontrollieren. Bei der Wahrnehmung dieser wichtigen demokratischen Pflicht versagt der Deutsche Bundestag! Weil es die Parteien sind, die den politischen Prozess weitgehend beherrschen und nicht das Parlament, kann man durchaus sagen, dass Deutschland als parlamentarische Demokratie in gewissem Maße zur Parteiendemokratie „verkommen“ ist.

Das hängt auch mit der langjährigen Verantwortlichkeit der „Volksparteien“, teilweise in großen Koalitionen, zusammen. Die Regierungsparteien haben über ihre - einer strengen Parteidisziplin und rigidem Fraktionszwang unterworfenen – Abgeordneten-Parteifreunde oder -genossen die Gewissheit, dass ihre jeweilige Regierungsabsicht im Parlament bestätigt wird. Das verhindert tatsächliche Diskussion und ein „dem Wohl des deutschen Volkes“ verpflichtetes Ringen um die jeweils beste Sachentscheidung, denn es geht derzeit vorwiegend nicht um das Wohl des deutschen Volkes, sondern eher um das Parteiwohl und das Verteidigen der jeweiligen Partei- oder Koalitionsmehrheit.

Bei der selbstherrlich von Merkel entschiedenen, volksverdummend mit Fukushima begründeten Energiewende ohne Konzept und ohne Abstimmung mit der EU, hat das Parlament das Regierungshandeln nicht hinterfragt, sondern abgenickt - zum volkswirtschaftlichen Nachteil Deutschlands.

Im Herbst 2015 hat Merkel mit ihrer konzeptionslosen „Willkommenskultur“ Flüchtlinge aller Art geradezu angelockt und damit die Krise verstärkt – eine grandiose politische Fehlleistung. Als dann auch Frau Merkel allmählich – zwischen der Vielzahl von Selfies - aufgefallen ist, dass die menschenwürdige Behandlung und Versorgung sowie die Registrierung der schieren Zahl der ankommenden Flüchtlinge von den überforderten Behörden nicht zu bewältigen war, hat sie, ohne Rücksprache mit Österreich, die Grenze schließen lassen. Eine Absprache mit der Europäischen Kommission oder mit EU-Partnern fand bei dieser einseitigen Aussetzung des Schengen-Abkommens nicht statt. Die EU und unsere Partner waren mit Recht über diesen brutalen Richtungswechsel der deutschen Politik verwundert, enttäuscht und verärgert. Hier wurde das Handeln Merkels dann endlich zu einer „beispiellosen politischen Fehlleistung“! Das Parlament hat die Regierung Merkel weder kontrolliert noch korrigiert, sondern das selbstherrliche Handeln Merkels abgenickt und sich so im Hinblick auf den unverantwortlichen Kontrollverlust des Staates zum Schaden seiner Bürger mitschuldig gemacht.

Und die „Parlamentsarmee“ Bundeswehr ist durch teilweise unfähige oder durchsetzungsschwache Verteidigungsminister unter der Richtlinienkompetenz der Kanzlerin und dem Spardiktat der jeweiligen Finanzminister zum „Sanierungsfall“ kaputtgespart worden. Dadurch sind riesige Ausrüstungslücken entstanden, die die Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte nachhaltig beeinträchtigen. Das Parlament hat dieses, die Sicherheit Deutschlands beeinträchtigende Regierungshandeln zugelassen und sich an der Parlamentsarmee geradezu „versündigt“, und sich nicht einmal durch alarmierende Worte des einen oder anderen verantwortungsbewussten Wehrbeauftragten beeindrucken lassen. Der Bundestag hat die Haushaltshoheit und entscheidet damit auch endgültig über den Verteidigungshaushalt. Der damit verbundenen Verantwortung sind sich viele Parlamentarier ganz offensichtlich nicht bewusst. Und diese Parlamentarier schicken dann die unterfinanzierte und unzureichend ausgerüstete Bundeswehr in die Auslandseinsätze!

Und nun stellt der Bundesrechnungshof in einem vertraulichen, dem SPIEGEL vorliegenden Bericht vom 7. August fest, dass unter der politischen Leitung von Ministerin von der Leyen teilweise regel- oder rechtswidrig millionenschwere Verträge mit Beraterfirmen, allen voran McKinsey, geschlossen wurden. Das wundert nicht, denn von der Leyen hat ja zu Beginn ihrer Amtszeit die bekannte McKinsey-Partnerin Katrin Suder als Rüstungs-Staatssekretärin verpflichtet. Nachdem sie sich für die Beraterfirmen verdient gemacht hat, ist sie inzwischen ausgeschieden, sicher auch, weil die „Trendwende Rüstung“ bisher wenig erfolgreich ist. Ein Geschmäckle hinterlässt das schon.  Dass Sohn David von der Leyen führender Mitarbeiter (sogenannter Associate) ist, der am Gewinn des Unternehmens beteiligt ist, erzeugt dann schon einen unguten Geschmack. Mit diesen Ermittlungen des Bundesrechnungshofs über Ungereimtheiten und Regelwidrigkeiten bei millionenschweren Beraterverträgen des Ministeriums befasste sich am 27.09.2018 auch der Haushaltsausschuss des Bundestages. „Die teils schwerwiegenden Vorwürfe müssen sehr schnell aufgeklärt werden“, meint der SPD-Haushälter Rohde. „Ich erwarte, dass das Wehrressort jetzt grundsätzlich alle Auftragsvergaben an Unternehmensberater untersucht“, fordert der Grünen-Haushälter Lindner. „Wenn das Ministerium und die Koalition eine Aufklärung weiter blockieren, müssen die Vorgänge auf anderer Ebene, zum Beispiel in einem Untersuchungsausschuss, geklärt werden“, sagt der FDP-Haushälter Dürr. Da kann man nur hoffen, dass das Parlament diesmal seiner Kontrollpflicht genügt und bei nachgewiesenem Fehlverhalten auch schnell politische Konsequenzen gezogen werden.

Und nun steigert eine Aussage des bisher enttäuschend wenig wirkungsvollen Bundestagspräsidenten Schäuble den Politikerverdruss. Nachdem sein Vorgänger Lammert mit einem Reformbemühen zur Begrenzung der Zahl der Bundestagsabgeordneten auf den gesetzlich festgeschriebenen Umfang von 598 Sitze kläglich gescheitert war, wollte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble einen neuen Vorstoß zur Wahlrechtsreform unternehmen. Schäuble sieht nun aber offenbar kaum noch Chancen, die von ihm geforderte Wahlrechtsreform noch vor der nächsten Bundestagswahl 2021 umzusetzen und schlägt stattdessen vor, die Reform für das Jahr 2025 ins Auge zu fassen. Sein Scheitern begründet er mit den stark unterschiedlichen Auffassungen der im Parlament vertretenen Parteien. Die Abgeordneten werden für parlamentarische Arbeit „zum Wohl des deutschen Volkes“ bezahlt. In ihrer Parlamentsarbeit sind sie nach dem Grundgesetz ihrem Gewissen verantwortlich und nicht der jeweiligen Partei. Derzeit hat das Parlament 709 Abgeordnete aufgrund von Ãœberhang- und Ausgleichsmandaten. Damit ist der heutige Bundestag der vom Umfang – nicht von der Leistungsfähigkeit – her größte in der Geschichte der Bundesrepublik und eines der größten Parlamente der westlichen Welt. Nach Ermittlungen des Bundesrechnungshofes kostet der Bundestag 2019 über 970 Millionen Euro, also fast eine Milliarde. Und bei der nächsten Wahl ist – ohne Wahlrechtsreform – zu erwarten, dass der Umfang der Sitze bei 800 liegen wird, mit entsprechenden Kostensteigerungen.

Angesichts des vielfältigen Politikversagens und der unzureichenden Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrollpflichten des Bundestages gegenüber der Regierung ist ein solcher Umgang mit Steuergeldern dem Bürger mit gesundem Menschenverstand nicht mehr positiv zu vermitteln.

(14.10.2018)

 

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