Hans-Heinrich Dieter

Parlamentsbeteiligung   (18.06.2015)

 

Die „Rühe-Kommission“ hat lange gekreißt und gebar einen wenig zukunftsorientierten Koalitionskompromiss auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Das Parlament wird weiterhin über fast jeden Einsatz der Streitkräfte im Ausland einzeln entscheiden. Die Union ist mit ihrem Versuch, das Verfahren zu vereinfachen und zukunftstauglich zu machen, weitgehend am Widerstand der SPD gescheitert. In Deutschland gibt es weiterhin so hohe Hürden für Militäreinsätze wie in keinem anderen NATO-Mitgliedsland.

Dabei waren sich die Fachleute eigentlich einig, dass das Parlamentsbeteiligungsgesetz von 2004 reformiert werden muss, um Deutschland sowie die NATO und auch die EU sicherheitspolitisch handlungsfähiger zu machen. In Deutschland gibt es aber tiefsitzende Vorbehalte und Ängste sowie ein abgrundtiefes Misstrauen großer Teile der Volksvertreter gegenüber den Streitkräften. Deswegen wird eher unterstellt, dass es um eine Schwächung der Rechte des Parlamentes, um eine Einschränkung der Kontrollmöglichkeiten des Bundestages im Hinblick auf Auswirkungen deutscher Sicherheitspolitik und um die erhöhte Gefahr einer leichtfertigen und unbedachten Nutzung deutschen Militärs ginge. Der Prüfauftrag für die Rühe-Kommission wurde vom Bundestag entsprechend formuliert: Die Kommission hat „zu prüfen, wie auf dem Weg fortschreitender Bündnisintegration und trotz Auffächerung von Aufgaben die Parlamentsrechte gesichert werden können“. Es geht also nicht um Reform, verlässliche sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit in NATO sowie der EU und Zukunftsorientierung, sondern es geht um die Sicherung der vermeintlich gefährdeten Rechte des Parlamentes.

Vom guten Willen der Reformer, die wirklich notwendigen Konsequenzen aus der Entwicklung der NATO und der EU seit 2004 zu mehr Multinationalität, Arbeitsteilung und gegenseitiger Abhängigkeit von verlässlicher gemeinsamer Aufgabenerfüllung ziehen zu wollen, gehen Politiker wohl weniger aus. Wir reden lieber vollmundig von der gestiegenen sicherheitspolitischen Verantwortung Deutschlands in der Welt und von vertiefter Integration sowie von europäischen Streitkräften und wollen die Hürden im Hinblick auf die zuverlässige Erfüllung unserer Bündnisverpflichtungen trotzdem weiterhin besonders hoch halten.

Dabei ist die vertiefte und verstärkte Kooperation z.B. der NATO-Mitgliedstaaten ein langjähriges Thema, das bisher leider ziemlich erfolglos behandelt wurde. Obwohl alle Staaten Schwierigkeiten damit haben, die erforderliche Rüstung zu finanzieren, um ihre jeweiligen Streitkräfte einsatzfähig zu halten, sind Projekte wie „Smart Defence“ oder „Pooling and Sharing“ mehr oder weniger gescheitert, beziehungsweise nicht sehr erfolgreich entwickelt worden.In dieser Lage hat Deutschland selbst ein Konzept in die NATO eingebracht, um „Planung und Entwicklung von militärischen Fähigkeiten“ besser abstimmen zu können. Größere Mitglieder sollen dabei als „Rahmennationen“ Führungsverantwortung für einzelne militärische Fähigkeitsfelder übernehmen, kleinere Mitglieder bringen sich mit ihren Fähigkeiten in diese „Rahmen“ ein. Wenn Deutschland es ernst meint mit einer solchen zukünftig verstärkten Rüstungs-Kooperation und Aufgabenteilung der NATO-Mitglieder, dann müsste grundsätzlich und für die NATO-Mitglieder verlässlich festgeschrieben werden, welche Fähigkeiten Deutschland für NATO-Einsätze auch ohne parlamentarische Zustimmung bereitstellt. Das verträgt sich nicht mit den vorgelegten, unzureichenden Ergebnissen dürftiger, 14-monatiger Kommissionsarbeit.

    1.     Der Parlamentsvorbehalt bleibt bei bewaffneten Auslandseinsätzen der Bundeswehr auf jeden Fall erhalten.

    2.     Die Bundesregierung soll dem Parlament jährlich einen Bericht über die "multilateralen militärischen Verbundfähigkeiten" der Streitkräfte vorlegen. Darin muss deutlich werden, auf welche Fähigkeiten der Bundeswehr die Bündnispartner in der Nato angewiesen sind. Das Parlament soll aber lediglich "zur Kenntnis nehmen, dass sich andere auf uns verlassen". Das ist höchst unverbindlich und steigert die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit Deutschlands im Bündnis nicht.

    3.     Die Bundesregierung soll den Bundestag künftig über geheime Einsätze des Kommandos Spezialkräfte (KSK) nach deren Abschluss informieren. Da durch Mitglieder des Bundestages regelmäßig auch geheimhaltungswürdige Informationen an Medien durchgestochen werden, ist das der Sicherheit der Soldaten abträglich.

    4.     Der Bundestag muss der Entsendung von Führungspersonal in Hauptquartieren und Stäben von EU und NATO nicht mehr zustimmen, allerdings gilt das nur, "sofern sie sich dabei nicht im Gebiet eines bewaffneten Konflikts befinden oder dort eingesetzte Waffen unmittelbar bedienen“. Auch das steigert die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit Deutschlands im Bündnis nicht, denn es geht ja hauptsächlich um multinationale Führungsstäbe in militärischen Konflikten.

    5.     Bundeswehr-Missionen, die der Ausbildung, Erkundung oder humanitären Hilfeleistung dienen, sollen zukünftig nicht mehr durch den Bundestag genehmigt werden müssen. Dass die Soldaten dabei zur Selbstverteidigung befähigt sein sollten und es sich deswegen um einen „bewaffneten Einsatz“ handelt, ist offen gelassen bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Definition „bewaffneter Einsatz“.

Für Auslandseinsätze der Bundeswehr gilt weiter der Parlamentsvorbehalt. Deutschland bleibt für die NATO-Partner bei Einsätzen von multinationalen Verbänden oder auch Hauptquartieren in Krisen und Konflikten ein unsicherer Kantonist. Auf dem Wege zu einer vertieft integrierten NATO oder auch zukünftig europäischen Armee ist Deutschland im Hinblick auf die zuverlässige Erfüllung unserer Bündnisverpflichtungen keinen Schritt weiter. Dafür haben sich die Spesen wohl kaum gelohnt.

(18.06.2015)

 

 

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