Hans-Heinrich Dieter

PEGIDA   (09.12.2014)

 

In Dresden werden inzwischen wöchentlich Montags-Demonstrationen der PEGIDA durchgeführt. Am vergangenen Montag haben sich rund 10.000 Bürger zur Kundgebung eingefunden und mit dem Slogan „Wir sind das Volk!“ vor der Islamisierung des Abendlandes gewarnt aber auch eine strengere Asylgesetzgebung gefordert. Gestern fand in Dresden eine ähnlich starke Gegendemonstration eines spontanen Bündnisses gegen Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz statt. Inzwischen sind sowohl die Medien als auch die Politiker aufgewacht. Man weiß jetzt, dass PEGIDA für "Patriotische Europäer gegen eine Islamisierung des Abendlandes" steht. Ãœber die Ziele und Kern-Anliegen der auch in Würzburg, Berlin und Düsseldorf aktiven Gruppierungen wurde noch wenig sachlich und inhaltsschwer berichtet.

Aber wie das so ist in Deutschland, wird PEGIDA sofort und ohne Diskurs als „rechtspopulistisches Bündnis“ bezeichnet, verteufelt und in die rechtsextreme Ecke verbannt. Der nordrhein-westfälische Innenminister Jäger verurteilt die Proteste scharf und wirft den Initiatoren der Demonstrationen vor, sie schürten mit ausländerfeindlicher Hetze Vorurteile und Ängste, außerdem bereite es ihm Sorge, dass Rechtsextremisten aggressiv Stimmung machten. Und der CDU-Innenexperte Bosbach meinte die Bürger vor einer Teilnahme an PEGIDA-Demonstrationen mit dem Allgemeinplatz warnen zu müssen, man sollte sich nicht für extreme politische Ziele instrumentalisieren lassen, die man selbst nicht teile. Die „extremen politischen Ziele“ hat aber noch niemand ernsthaft diskutiert. Aber für sachliche Auseinandersetzungen haben weder zahlreiche Politiker noch viele Journalisten Zeit. Mit Diffamierungen, Verleumdungen, Abdrängen in die rechtsextreme Ecke kommt man vor Mikrofonen und in Medien besser und plakativer rüber. Da stören sachliche Information und Diskussionen allemal. Aber was soll man auch diskutieren, wenn man als abgehobener Politiker das Verständnis für Sorgen und Alltags-Probleme der Bürger verloren hat?

Der zuständige Innenminister de Maizière hält die Bezeichnung "Patriotische Europäer" für "eine Unverschämtheit". Er kann nicht nachvollziehen, dass diese Bürger mit ihrem Grundrecht zur Meinungsfreiheit und unter Nutzung des Demonstrationsrechtes mit dieser Namensgebung wohl zum Ausdruck bringen möchten, dass sie sich engagiert für Zukunft Deutschlands in Europa einsetzen wollen. Diese Menschen werden de Maizières Verunglimpfung als ziemlich unverschämt empfinden. Justizminister Heiko Maas findet die Demonstrationen "widerlich" und sagte, alle politischen Parteien sollten sich klar von den Protesten distanzieren - dann kommen noch stereotype Worthülsen, genauer wird Maas nicht.

Der STERN bezeichnet die Teilnehmer an PEDIGA-Kundgebungen denn auch pauschal: „Eine dubiose Mischung aus Rechtsextremisten, Hooligans und frustrierten und besorgten Wutbürgern ..., Menschen, die sich abgehängt und ausgegrenzt fühlen, die Angst haben, nicht mehr wahrgenommen zu werden von der Politik.“ Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG meint sogar urteilen zu müssen: „Vereint im bislang friedfertigen Hass geht es gegen alles, was den in der Masse emotional erstarkenden Kleinbürgern gegen den Strich geht. Es schüttelt einen. Denkfaule Wutbürger kompensieren ihre Abstiegsängste mittels Demonstrationen gegen Asylsuchende. Das ist beschämend.“ Die journalistische Qualität spricht für sich.

Und hier wird unser Problem sehr deutlich. Denn unter den Demonstranten sind sicher auch sehr zahlreich besorgte und gebildete Bürger aus der Mitte der Gesellschaft, die Angst haben vor radikalen Islamisten, die in Syrien und im Irak gerade mit äußerst brutaler Gewalt einen islamistischen Gottesstaat errichten wollen. Diese Menschen haben auch Angst vor islamistischen Anschlägen, vor Rückkehrern aus dem Krieg, die ihren Frust und ihre Wut hierzulande abladen. Die Bürger wollen keine Straßenschlachten zwischen Kurden und Islamisten in Deutschland. Sie finden schlecht integrierte Bürger mit Migrationshintergrund aber ohne Schulabschluss und Chance auf eine Berufsausbildung, die sich mit Hartz 4 in türkischen Parallelgesellschaften einrichten, nicht gut. Und viele dieser Bürger sind eben nicht der Auffassung des geschichts- und kulturvergessenen ehemaligen Bundespräsidenten Wulff, dass der Islam ein Teil Deutschlands ist.

Diese Ängste, Einstellungen und Auffassungen sind teilweise berechtigt und lassen sich nicht einfach beiseite wischen, indem man die besorgten Bürger verunglimpft, als tumbe Stammtischargumentierer beleidigt und ziemlich platt grundsätzliche Toleranz anmahnt. Die Politik redet vollmundig von Willkommenskultur und hat es jahrelang versäumt, die Integration ausländischer Mitbürger zu fördern und zu fordern. Mit diesem politischen Versagen vor Augen trauen viele Bürger den Politikern die vernünftige Bewältigung des Flüchtlings- und Asylsuchenden-Ansturms nicht zu. Und das schürt Überfremdungsängste, die so lange diffus bleiben werden, wie die Politiker auch in der Kommunikation des Status´ Deutschlands als Einwanderungsland versagen.

Wenn die Politiker das tief gestörte Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung zurückgewinnen wollen, dann müssen sie die Bürger ernst nehmen, sie müssen besser informieren, sie müssen Probleme und Zumutungen für die Bürger erklären sowie Problemlösungen aufzeigen und dabei bereit sein, auch damit verbundene Schwierigkeiten und Nachteile für die Bürger mutig zu benennen. In ihrer Rede vor dem CDU-Parteitag hat Frau Merkel heute gesagt: „Lassen Sie uns die Mutigen in diesen spannenden Zeiten sein“. Schön gesagt, aber an diesen mutigen und guten Politikern mangelt es erheblich, auch in der CDU.

Der Parteichef derAlternative für Deutschland, Lucke, sagte in Berlin, man müsse die Sorgen vieler Menschen ernst nehmen, dass sich islamistisches Gedankengut ausbreiten könnte. Und auch der sächsische Ministerpräsident Tillich plädiert als bisher einzige prominente Stimme etablierter Parteien dafür, zunächst einmal mit den Demonstranten ins Gespräch zu kommen. Das ist zu wenig.

Die teilweise unüberlegten und gereizten Reaktionen verantwortlicher Politiker zeigen, dass sie sich überfordert fühlen und deswegen panisch wirken. Da gehen Bürger zu Tausenden auf die Straße, ohne dass ein Bürgermeister oder eine Menschenrechtsorganisation sie dazu aufgerufen hätten. Die Bürger nutzen ihre Meinungsfreiheit und ihr Demonstrationsrecht. Die Politik wäre gut beraten, sich dieser Entwicklung anzunehmen und sich mit den Problemen der Bürger sachlich auseinanderzusetzen. Die wachsenden Erfolge der UKIP-Bewegung in England zeigen das Versagen der dort etablierten Parteien deutlich. Die wachsende Zustimmung für die Front National in Frankreich sollte auch deutschen Politikern zu denken geben. Die bisher verunglimpften und pauschal verleumdeten Montagsdemonstranten neuer Art sind Wähler von morgen und entscheiden sich dann möglicherweise für Parteien, die heute als rechtspopulistisch verschrien und verteufelt sind, mit denen "man nicht spricht und schon überhaupt nicht koaliert", die sich aber als kommende "Volksparteien" um vox populi und die Sorgen und Ängste der Bürger bemühen wollen - wie sie sagen.

Morgen ist die innere Sicherheit Thema auf dem CDU-Parteitag. Da können die früher einmal konservativen Volksvertreter und Politiker zeigen, wie ernst und mutig sie bereit sind, sich der berechtigten Bürgersorgen anzunehmen. Aber Mut wurde von Frau Merkel heute gefordert, morgen sieht das schon wieder ganz anders aus.

(09.12.2014)

 

 

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