Hans-Heinrich Dieter

Merkel, Person des Jahres 2015

 

Anfang November 2015 setzte das US-Magazins „Forbes“ Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Platz 2 der Liste der einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt, direkt hinter dem „mächtigsten Mann der Welt“ Russlands Präsident Wladimir Putin. Dass Merkel noch vor Präsident Obama rangiert, wird von den Journalisten damit begründet, dass im letzten Jahr seiner Präsidentschaft sein Einfluss schrumpft und seine Zustimmungsraten in den USA dauerhaft unter 50 Prozent liegen. Im Ausland werde er von Merkel in Europa und von Putin im Nahen Osten übertrumpft. Da kann sich jeder selbst ein Urteil bilden, was er von solch fadenscheinigen Begründungen zu halten hat.

Interessant wäre aber zu wissen, woran denn der „Einfluss in der Welt“ gemessen wird. Putin nimmt Einfluss durch aggressive neoimperialistische Politik, ruiniert dabei die russische Wirtschaft, verletzt das Völkerrecht der Ukraine, führt einen hybriden Krieg gegen die Ukraine, bricht einen neuen Kalten Krieg mit der westlichen Welt vom Zaun, blockiert den UN-Sicherheitsrat und unterläuft, in Verfolgung seiner eigenen geopolitischen Ziele, durch seinen militärischen Einsatz in Syrien den Kampf der westlichen Koalition gegen den Islamischen Staat. Wertfrei ist ihm der größte negative Einfluss auf eine friedliche Entwicklung der Welt nicht abzusprechen. Aber um unsere Werte scheint es „Forbes“ auch nicht zu gehen.

Die Recherche von „Forbes“ bezüglich des Einflusses von Kanzlerin Merkel in der Welt scheint sehr oberflächlich gewesen zu sein. Deutschland ist eine europäische Mittelmacht mit der größten Wirtschaftskraft in der Europäischen Union. Deutschland ist eines von 28 gleichberechtigten Mitgliedern in der EU und in der NATO und verfügt über unzureichend interventionsfähige und einsatzbereite Streitkräfte. Deutschland will seiner gestiegenen außen- und sicherheitspolitischen Verantwortung in der Welt erst zukünftig gerecht werden, die Kanzlerin hat diese Absicht bisher nicht tatkräftig gefördert. Deutschland hat jüngst seine eigenen Vorstellungen in die Lösung der Griechenlandkrise eingebracht und in der Flüchtlingskrise eher eine Politik gemacht, die die EU spaltet. Am Ende wird es das freundliche Gesicht der Kanzlerin sein, das den Ausschlag gegeben hat.

Nun hat das US-Nachrichtenmagazin „Time“ Bundeskanzlerin Merkel als „Kanzlerin der Freien Welt“ zur Person des Jahres 2015 gekürt. Als Begründung wird hauptsächlich auf Merkels Umgang mit der Flüchtlingskrise verwiesen. Die Recherche auch dieser US-Journalisten ist offensichtlich dürftig und sehr oberflächlich gewesen. Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT aus Amsterdam kommentiert kurz und bündig: „An Angela Merkel kam man in diesem Jahr nicht vorbei. Die deutsche Bundeskanzlerin ging voran bei der Lösung der Eurokrise und der Verhinderung eines Grexit, sie führte die diplomatische Offensive im Kräftemessen zwischen der Ukraine und Russland und sie ließ eine Million Flüchtlinge in ihr Land.“ Kurz heißt auch in diesem Fall noch nicht gut.

Die Eurokrise ist noch nicht gelöst und hier haben weniger die Persönlichkeit der Kanzlerin als die Wirtschaftskraft Deutschlands und die Beharrlichkeit und klare Linie des Finanzministers die EU-Politik positiv beeinflusst. Ob ein Grexit nicht doch die weitaus bessere Lösung gewesen wäre, wird die mittelfristige Zukunft der EU zeigen. Die mit der EU nicht abgesprochenen Alleingänge von Merkel und Hollande in der Ukraine-Krise haben zum Minsk-Abkommen geführt. Das Abkommen ist bisher noch nicht hinreichend umgesetzt, auch weil Deutschland und Frankreich gegenüber Putins Russland nicht über das erforderliche Gewicht verfügen und keine Sanktionsmöglichkeiten haben. Hier wirkt sich eher die EU aus, die zuvor von Merkel brüskiert wurde. Und Merkel zu loben sowie als „Kanzlerin der Freien Welt“ zu „ehren“, weil sie eine Million Flüchtlinge nach Deutschland gelassen hat, ist wohl eher durch die Freude darüber verursacht, dass man sich im Ausland ein wenig darüber freut, dass man dadurch entlastet wurde und das wirtschaftlich mächtige Deutschland längerfristig geschwächt wird.

Denn Merkels Entscheidung im September 2015, Flüchtlinge aus Ungarn nicht registriert ins Land zu lassen, ist eine beispiellose politische Fehlleistung gewesen. Mit dieser Entscheidung wurden die Regeln der Dubliner Vereinbarung gebrochen, auf die die Kanzlerin sonst so vehement pocht. Dann waren wir durch die schiere Anzahl der ankommenden Flüchtlinge überfordert und haben die Flüchtlinge nicht registriert weiterreisen lassen. Dadurch haben wir erneut gegen die EU-Regeln verstoßen. Wir haben es hier ganz offensichtlich mit wiederholter politischer Fehlleistung zu tun. Wenn Kanzlerin Merkel dann öffentlich feststellt, dass Flüchtlinge aus Syrien auf keinen Fall zurückgeschickt werden, dann ist das wie ein Persilschein für alle Asylsuchenden aus dem Bürgerkriegsland und den Flüchtlingslagern der angrenzenden Staaten. Unser Asylrecht sieht aber vor, dass jedes Asylgesuch einer Einzelfallprüfung zu unterziehen und nach Recht und Gesetz zu entscheiden ist. Wenn dann Ministerpräsidenten und Kommunalpolitiker von Ãœberforderung sprechen und zum Ausdruck bringen, dass wir in Deutschland im Hinblick auf die Flüchtlinge die Kontrolle verloren haben, dann kontert unsere neuerdings gefühlsdominierte Bundeskanzlerin öffentlichkeitswirksam: „Wir schaffen das!“ und „Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte kennt keine Obergrenze.“

Mit ihren Aussagen hat Frau Merkel Millionen syrische Menschen, die derzeit in der Türkei, im Libanon, in Jordanien ausharren, ganz zu schweigen von denen, die in Afrika und auf dem Sprung über das Mittelmeer sind, geradezu angelockt. Damit hat sie eine Krise beschleunigt, die jetzt nur noch schwer zu bewältigen sein wird, und sie hat Teile der EU-Mitgliedstaaten gegen Deutschland aufgebracht. Da darf man mit Fug und Recht von einer politischen Fehlleistung sprechen! Nach Schätzungen der Polizei sind 300.000 unregistrierte Flüchtlinge derzeit in Deutschland unkontrolliert unterwegs oder untergetaucht. Wie viele Terroristen durch den Islamischen Staat mit der Welle eingeschleust wurden, ist nicht bekannt, denn die Behörden halten sich mit Informationen zurück.

Kanzlerin Merkel hat in der Flüchtlingskrise bisher konzeptionslos, planlos, kopflos zum Nachteil der deutschen Bevölkerung gehandelt und wirkt in der ständigen Wiederholung ihres Spruches „Wir schaffen das!“ hilflos.

Dass sie mit dieser Politik als „Kanzlerin der Freien Welt“ und Person des Jahres 2015 den islamistischen Mörder, Terroristen und Schwerverbrecher Al Bagdadi auf Platz 2 und den rechtsradikalen Politclown Trump auf Platz 3 verdrängt hat, ist irgendwie nicht ehrenwert. Wer möchte schon mit solchen Un-Personen verglichen und in eine Reihe gestellt werden.

Bei solchen Fehlentscheidungen der jeweiligen Jury von „Forbes“ und „Time“ muss man froh sein, dass das Nobel-Komitee nicht den Obama-Fehler wiederholt und Frau Merkel auch noch den Friedens-Nobelpreis verliehen hat.

(10.12.2015)

 

 

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