Hans-Heinrich Dieter

Politische Geschäfte führen!   (27.11.2017)

 

Die Koalitionsfindung und Regierungsbildung werden sich noch quälend lange hinziehen und das jeweilige parteifixierte Verhalten der sich zuhauf öffentlich präsentierenden Politiker straft sie jeweils Lügen, wenn sie ständig behaupten, Verantwortung übernehmen zu wollen, und sagen: „es geht um die Zukunft unseres Landes und nicht um die Partei!“ Die Politikerverdrossenheit wird noch weiter steigen, wenn nicht erkennbar auch politisch Vernünftiges in dieser Zeit geleistet wird.

Die geschäftsführende Kanzlerin Merkel will sich zwar „nicht erpressen lassen“, aber doch ziemlich unbedingt eine Große Koalition mit der SPD bilden, um eine stabile Mehrheit im Parlament zu haben. Eine Minderheitsregierung, bei der im Parlament diskutiert werden und intensiv um die jeweilige Sache gerungen werden und Mehrheiten erreicht werden müssten, um politische Entscheidungen fällen zu können, traut sich Merkel offenbar nicht zu. Denn dann müsste sie ja auch erklären, was sie jeweils will, welchen konkreten Plan sie hat und welches Konzept die Sache zum Erfolg führen soll. Diese Fähigkeiten hat sie in ihren 12 Jahren Kanzlerschaft nicht gezeigt, konnte ihre „Politik auf Sicht“ machen und sich mit Rückendeckung des Kanzlerwahlvereins CDU/CSU und des jeweiligen Koalitionspartners auf politische Floskeln, Allgemeinplätze und manchmal auch Phrasen beschränken. Eine zukünftige Große Koalition wird aber nun nicht leicht zu bilden sein und für die CDU/CSU im Hinblick auf politische Ziele und Inhalte teuer werden. Die AfD wird die sich daraus ergebenden Chancen zu nutzen wissen – oder sich marginalisieren. Die quälend lange Zeit bis möglicherweise Ostern 2018 muss deswegen insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie in der Europapolitik genutzt werden.

Und da eine neue Große Koalition aus CDU/CSU und SPD mehrheitlich angestrebt wird, ergeben sich auch Chancen. Denn die derzeit geschäftsführende Regierung aus CDU/CSU- und SPD-Ministern hat exakt dieselben Rechte wie eine „normal eingesetzte“ und vereidigte Regierung. Sie darf politische Entscheidungen treffen, Gesetze initiieren und auch den Haushalt einbringen. Dass es bisher Praxis war, keine Entscheidungen zu treffen, die eine nachfolgende Bundesregierung binden würden, sollte in unserer derzeitigen politischen Situation keine Gültigkeit haben, denn die Parteien der geschäftsführenden Regierungsverantwortlichen haben eine stabile Mehrheit im Bundestag. Die „alte“ GroKo kann also stabil weiterregieren.

Denn Deutschland muss sich in die derzeitigen Weiterentwicklungsbemühungen der EU inhaltlich verbindlich einbringen können und Brexit-Entscheidungen in unserem Sinne verbindlich beeinflussen. Deutschland muss seine NATO-Verpflichtungen und die Entwicklung gemeinsamer europäischer Sicherheits- und Verteidigungsanstrengungen in Ergänzung zur NATO mitgestalten und seine internationalen Verpflichtungen verlässlich und auf der Grundlage von Parlamentsentscheidungen erfüllen. Deswegen darf sich das Parlament auch nicht mit einer provisorischen Arbeitsfähigkeit zufriedengeben, sondern muss die volle Arbeitsfähigkeit unverzüglich herstellen und dazu alle erforderlichen Ausschüsse handlungsfähig einsetzen. Keine rechtliche Grundlage hindert den Bundestag daran und die Parteien der „alten“ GroKo können für eine faire und alle Parteien berücksichtigende Führung und Besetzung der jeweiligen Ausschüsse sorgen.

An Problemstellungen der äußeren Sicherheit lässt sich das gut verdeutlichen. Die Bundeswehr ist zum Sanierungsfall kaputtgespart worden. Um die riesigen Ausrüstungslücken allmählich schließen und die Einsatzfähigkeit wiedererlangen zu können, darf keine Zeit verloren werden. Ohne den Verteidigungsausschuss und ohne einen Haushaltsauschuss werden keine Beschaffungsvorhaben gebilligt und der verfügbare Haushaltsrahmen wird dann auch aufgrund des Zeitverlustes nicht ausgeschöpft – zum erheblichen und wiederholten Nachteil der Bundeswehr.

Die vielfachen Auslandseinsätze der Bundeswehr müssen neu entschieden werden oder verlängert werden und die Parlamentsarmee Bundeswehr muss vom Grundbetrieb bis zu den Auslandseinsätzen einer parlamentarischen Kontrolle unterzogen werden können. Dafür müssen geschäftsführende Minister die erforderlichen Vorlagen erarbeiten lassen und ein handlungsfähiger Verteidigungsausschuss gem. Art 45a des Grundgesetzes die Kontrolle ausüben.

Es wurde bisher schon zu viel Zeit verloren. Die politischen Geschäfte müssen endlich verantwortlich und verlässlich geführt werden!

(27.11.2017)

 

 

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