Hans-Heinrich Dieter

Qual der Wahl      (13.01.2013)

 

Viele Politiker in Deutschland beklagen stark eingeschränktes Vertrauen und mangelnden Respekt der Bürger gegenüber den Volksvertretern und den Parteifunktionären. Tatsächlich rangieren die Politiker an letzter Stelle der Beliebtheitsskala der Berufsgruppen. Statt sich zu beklagen, sollten unsere Politiker alles dafür tun, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und sich den Respekt der Wähler durch Leistung zu verdienen. Wenn man sich die Parteienlandschaft und das politische Tagesgeschehen anschaut, dann wird das mit dem verfügbaren Personal im Politikgetriebe, insbesondere im Bundestagswahljahr 2013, nicht leicht werden.

Die CDU ist inzwischen ein Kanzlerinnenwahlverein geworden. Parteitage scheinen mehr der Akklamation zu dienen als der demokratischen Meinungs- und Strategiebildung. Die Kanzlerin hat mit der CDU die hektische, unüberlegte, innenpolitisch und wahlkampftaktisch motivierte und stümperhaft vorangetriebene Energiewende, die der deutschen Wirtschaft Wettbewerbsnachteile bringt, zu verantworten. Da gibt es keine Widerworte. Die Solarsubventionen schießen ins Kraut und plündern die Geldbörsen der Bürger. Der Ausbau des Leitungsnetzes kommt nicht voran, die erforderlichen Speicherkapazitäten werden nicht zeitgerecht geschaffen und die Energieversorgung ist teilweise gefährdet. Die CDU überzeugt die Wähler in den Städten nicht und hat insofern Glück als die deutsche Bevölkerung überaltert und so der CDU Wähler erhalten bleiben. Leistungsfähiges Personal ist offenbar nur eingeschränkt vorhanden, das wird besonders deutlich, wenn ein solch bekannter und anerkannter Politik-Versager wie Franz Joseph Jung mit über 80% in den erweiterten CDU-Vorstand gewählt wird. Die CDU ist in einigen Ländern wie Berlin zu schwach und zu sehr am Posten-Erhalt interessiert, um politische Standpunkte zu vertreten und eigenständige Politik zu machen. Anders ist es nicht zu verstehen, dass die CDU-Fraktion geschlossen dem Versager Wowereit ("Arrogant, Abgehoben, Unfähig") das Vertrauen ausspricht und ihn zum Schaden für Berlin im Amt hält. Da fällt es schwer, bei der CDU ein Kreuz zu machen.

Die CSU ist auf Bayern fixiert und vertritt ziemlich rücksichtslos auch auf Bundesebene vorwiegend bayerische Interessen. Der hochflexible Oberpopulist Seehofer hat außerhalb Bayerns ein Glaubwürdigkeitsproblem und ein Teil seiner „Parteifreunde“, Söder, Ramsauer, zu Guttenberg und andere, mögen ihn auch nicht mehr. Im Augenblick gibt es aber keine wirkliche Alternative zu diesem sauberen bayerischen Löwen, der opportunistisch auch mal gegenüber Merkel als schnurrendes Kätzchen auftreten kann. Und selbst Gescholtene kuschen und lassen es zu, dass unflätiges Verhalten des Parteivorsitzenden auf Klausurtagungen undiskutiert bleibt. Selbst Franz Joseph Strauß wird unmerklich den Kopf schütteln. Da ist der Wähler außerhalb Bayerns froh, dass er diese Alternative gar nicht erst hat.

Die SPD bedauert sich selbst derzeit am meisten. Sie hat einen Parteivorsitzenden, der den Bürgern als Kanzlerkandidat nicht zu vermitteln ist. Die SPD hat einen Fraktionsvorsitzenden, den die SPD da an sich nicht haben wollte und der zu handzahm ist, um erneut als Kanzlerkandidat antreten zu können. Und die „altehrwürdige“ sozialdemokratische Partei hat mit Steinbrück einen höchst unglaubwürdigen und großmäuligen Kanzlerkandidaten, bei dem man sich ständig fragen muss, ist er nun der vortragsreisende Raffke und Nebeneinkünfte-Millionär, der seine Pflichten als Abgeordneter des deutschen Bundestages eklatant vernachlässigt hat, oder spricht gerade der gekürte Arbeiterführer mit dem beschädigten sozialen Kompass? Genau wie die Banker und Wirtschaftsbosse oder auch nur die Publicity-geilen Altvorderen von klammen Gemeinden, die glaubten, einen versierten finanzkundigen Politiker und politischen Visionär für überteuertes Geld zu hören, werden die Wähler im Laufe des Jahres 2013 erkennen, dass Steinbrück keinen Pfifferling wert ist, denn er hat offensichtlich mehr Profitinteressen als gewachsene Ãœberzeugungen. Die SPD hatte in Baden Württemberg eine Kultusministerin, die jüngst wegen Unfähigkeit entlassen werden musste. In Nordrhein Westfalen stellen die Sozialdemokraten eine beliebte Ministerpräsidentin, die aber die Schulden und Probleme des Landes nicht in den Griff bekommt, und nur beliebt sein reicht eigentlich nicht. Wowereit (SPD) ist wegen offensichtlicher und auch selbst erkannter Unfähigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender für den Bau des Großflughafens BER aus der Verantwortung geflohen, will aber als Regierender Bürgermeister in der Verantwortung bleiben, weil er nach seinen Worten keiner ist, der aus der Verantwortung flieht. Der Ministerpräsident von Brandenburg, Platzeck (SPD), bisher Aufsichtsratsmitglied und mitverantwortlich für das „grauenhafte Desaster“ an der Großbaustelle, will nun Aufsichtsratsvorsitzender werden („eine Pfeife wird dann von der bisherigen stellvertretenden Pfeife ersetzt“, unschön aber sicher treffend). Kurt Beck (SPD) hat Pleiten, Pech und Pannen beim Nürburgringprojekt zu verantworten und hat auch deswegen die Flucht in den teilweisen Ruhestand gesucht. Wenn man sich das über Jahre von der SPD regierte Bremen anschaut, dann könnte man auch im Detail nachweisen, dass die Genossen es einfach nicht können. Warum sollte der politisch gebildete Bürger in eine solche Partei mit solchen Politikern Vertrauen haben?

Die einzige liberale Partei Deutschlands, die FDP, zeigt zur Unzeit Lust an der Selbstzerfleischung. 2009 zog die Partei mit 15% siegestrunken aber ohne Plan in die Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU, hat auch liberale Inhalte in den Vertrag eingebracht und auch dafür gekämpft, aber glücklos, ungeschickt und von Merkel oder Seehofer immer wieder ausgebremst. Nun macht die FDP, vorwiegend selbstverschuldet, Klimmzüge an der 5%-Hürde und beschäftigt sich mit endlosen parteischädigenden Personaldebatten und Intrigen, anstatt den Bürgern plausibel und glaubhaft liberale Gesellschaftsthemen zu vermitteln. Die FDP ist eben nicht nur eine „Klientel-Partei“ der Anwälte, Apotheker und Ärzte, sondern sie ist die Partei der die steuerliche Hauptlast tragenden Mittelschicht, die das Vertrauen in die Wirtschaftskompetenz der SPD und der sozialdemokratisierten CDU verloren hat, und darf sich auch deswegen nicht auf eine Steuersenkungspartei reduzieren lassen. Die FDP muss als Bürgerpartei eines vereinfachten zukunftsorientierten Steuersystems wahrgenommen werden. Die Parteimitglieder müssen den Wählern klar machen, dass es die FDP war, die gegen die Datenspeicherung, den großen Lauschangriff und das unsägliche Luftsicherheitsgesetz gekämpft und so die Bürgerinnen und Bürger vor einem ausufernden Ãœberwachungsstaat geschützt hat. Die FDP ist unverzichtbares freiheitliches Korrektiv und hat so einen wichtigen Platz in der Parteienlandschaft zur Wahrung der Bürgerrechte. Allein es fehlt das geeignete Personal für die Vermittlung solcher politischer Inhalte. Der Parteivorsitzende Rösler ist stark beschädigt. Wenn er sich, wie beim Dreikönigstreffen, grundsätzlich und zukunftsorientiert um liberale Inhalte bemüht, wird er von den Medien verspottet oder bewusst falsch verstanden und von den Delegierten nicht gehört, weil die mit platten aber deftigen Parolen und Mut-Mach-Sprüchen befriedigt werden wollen. Dirk Niebel wirkt bei seinen Königsmordversuchen irgendwie proletenhaft, Proleten passen aber eher zur SPD. Rainer Brüderle sollte berücksichtigen, dass er bei Wegfall der "medialen Reizfigur" Rösler schnell wieder zur "weinseligen medialen Witzfigur" werden könnte. Und die eitlen Altvorderen heizen den stillosen Umgang miteinander teilweise auch noch an, der eigentliche langjährige Verursacher der Krise, Westerwelle, hält sich diplomatisch zurück, der sehr eitle Ehrenvorsitzende greift nicht ein, die Delegiertenmasse folgt eher Parolen und Einpeitschern und der nicht minder eitle "Hoffnungsträger" Lindner sitzt in einer der vorderen Reihen und grinst abwartend. Mit solchen Parteispitzen kann man das Vertrauen einer größeren Zahl von Bürgern nicht zurückgewinnen.

Die Grünen verkaufen sich als die „neuen Bürgerlichen“, wollen aber natürlich nicht zu diesem Lager gerechnet werden. Die Partei der ehemaligen Ökopaxe hat sich weiterentwickelt. Sogar Altkommunisten wie Trittin und Kretschmann gefallen sich heute eher im „staatsmännischen“ Nadelstreifen als in den Turnschuhen des ungelernten Arbeiters und „Putzgruppen-Schlägers“ Fischer. Einige Medien sehen in den Grünen sogar schon eine liberale Partei. Andere halten die Öko-Freaks für durchaus liebenswerte und gelegentlich auch kreative Spinner, die aus der 68er Bewegung hervorgegangen sind. Wieder andere sehen in den Grünen die modernen Spießer, und es ist deswegen auch nicht erstaunlich, dass die Grünen gerade im Land der Kehrwoche, Baden Württemberg, große Erfolge verzeichnen. Die grüne Partei hat teilweise auch wortgewaltige Politiker und das gleicht dann solche schrillen Vertreterinnen wie Claudia Roth aus. Diese Partei hat das unbestrittene Verdienst, wichtige ökologische Themen in den politischen Vordergrund gebracht zu haben. Allerdings haben sie ihre Erfolge auch der Angstmacherei vor allen möglichen Umweltgefahren zu verdanken und man hat den Eindruck, dass die Grünen an technischem Fortschritt und an Weiterentwicklung nicht interessiert sind, denn sie leben politisch gut mit Problemen, mit Angst vor der Technik und Atomkraft sowie mit subventionierter Mülltrennung. „German Angst“ hat grüne Ursprünge.

Die inhaltsleeren, politikunfähigen und deswegen jetzt versagenden "Piraten", die von einigen Medien als "sympathische Alternative" und gar "neue liberale Partei" hochgeschrieben und hochgeredet wurden, werden sich verzichtbar machen. Für politisch gebildete Bürger, die am Wohl der Gesellschaft und nicht an Protestattituden interessiert sind, bieten die Piraten keine politischen Lösungen. Die Piraten sind nicht mehr der Rede wert.

Die Linke als Nachfolgepartei der SED und Sammelbecken für unverbesserliche Wärter des ehemaligen „Staatsgefängnisses DDR“ muss von unserem demokratischen System ausgehalten werden. Die Zahl der Bürger, die mit Honecker glaubt: „Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf!“ wird auch in den neuen Bundesländern kleiner. Das liegt aber auch an solch charakterlich schwierigen Politikern wie Lafontaine.

Die Politiker aller Parteien haben es sehr schwer, Glaubwürdigkeit und Vertrauen zurückzugewinnen. Einen Politiker wie Christian Wulff verarbeiten die Bürger nicht so schnell. Das Versagen von Politikern in Aufsichtsräten ist zu offenkundig und ein zu häufiges Phänomen. Die Politiker verschleißen sich wegen der ständigen Wahlkämpfe aufgrund unseres unausgewogenen ausgeuferten föderalen Systems in einer Zeit, wo globale Probleme globale und nicht kleinstaatliche Lösungen fordern. Die Eitelkeit von Parteipolitikern aller Couleur führt dazu, dass kaum ein Mikrofon ausgelassen wird und es ist ein Missstand unserer „Mediendemokratie“, dass politische Ideen sofort „medienwirksam“ vermarktet und in Talkshows zerredet werden, bevor sie überhaupt im Parlament hinreichend diskutiert werden konnten. Unter diesen Rahmenbedingungen und mit immer schwieriger verständlichen politischen Zusammenhängen wird es den politisch Verantwortlichen nur schwer gelingen, das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen und der schädlichen Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Deswegen wird es dem Bürger schwer gemacht, sein Wahlrecht auszuüben, denn es bleibt im Grunde immer nur die Wahl des kleineren Ãœbels. Wenn die europäische Schulden- und Finanzkrise einigermaßen beruhigt ist und Europa zu einer funktionierenden Union strukturiert wird, sollten wir auch unser System überdenken. Der politische Zustand Europas und Deutschlands lassen allerdings keine schnelle Behebung der Defizite erwarten.

(13.01.2013)

 

 

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