Hans-Heinrich Dieter

Reservisten gegen Terroristen?   (28.07.2016)

 

Deutschland erlebt eine schlimme Serie von Terroranschlägen, Amokläufen und Gewaltverbrechen. Die Bevölkerung ist verunsichert und hat Angst. Das Vertrauen der Bürger in den Staat schwindet, denn es wird immer deutlicher, dass die Politik und die staatlichen Institutionen ihren Schutz nur unzureichend gewährleisten können. Darüber hinaus erscheint die Kanzlerin der großen Mehrheit der Bevölkerung mit ihrem verstockten bis bornierten Mantra: „Wir schaffen das!“ inzwischen höchst unglaubwürdig. Das ist eine für die Politik sehr gefährliche Situation.

Die Politiker in Bund und Ländern wollen deswegen handlungsfähig und aktiv wirken und verfallen dabei nicht selten in Aktionismus. Unterschiedliche Möglichkeiten der Problemlösung werden meist öffentlich und medienwirksam diskutiert - nicht alle schnellen Ideen sind durchdacht, wie zum Beispiel die reflexhafte erneute Diskussion um die Rolle der Bundeswehr und ihren Einsatz im Inneren zeigt.

Verteidigungsministerin von der Leyen hatte im Zusammenhang mit der Terror-Lage in München eine Feldjägereinheit in Alarmbereitschaft versetzen lassen, obwohl die vom Verfassungsgericht 2012 verfügte „Ausnahmesituation katastrophischen Ausmaßes“ als Rahmenbedingung für den Einsatz „militärischer Kampfmittel“ im Inneren erkennbar nicht gegeben und auch nicht zu erwarten war. Seitdem wird die Diskussion breit gefächert geführt. Da ist auch die Rede von der Aufstellung einer „Reservistentruppe“ aus ehemaligen Polizisten und Soldaten, um die Polizei zu unterstützen. Dann wird über eine „Reservistenarmee“ nach dem Vorbild der US-Nationalgarde nachgedacht, obwohl unsere Rechtsgrundlagen diesbezüglich grundsätzlich anders gestaltet sind. Da wird überlegt, ob Soldaten der Bundeswehr beim Schutz der Grenzen unterstützen sollen und so weiter… Dabei wird übersehen, dass das Grundgesetz unverändert von der klaren Trennung der Zuständigkeiten für Innere und Äußere Sicherheit ausgeht und für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren sehr enge Grenzen setzt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2012 ändert daran nichts, denn es zeigt nur auf, dass ein Einsatz militärischer Kampfmittel als „letztes Mittel“ in einer „Ausnahmesituation katastrophischen Ausmaßes“ verfassungskonform wäre. Das ist keine handhabungssichere Grundlage, um die Rechtmäßigkeit eines hoheitlichen, bewaffneten Einsatzes von Soldaten im Inneren zu begründen. Deswegen fordern ja auch alle verantwortungsbewussten Politiker und Bürger eine eindeutige Grundgesetzänderung für einen eventuellen, zukünftigen Einsatz der Bundeswehr im Inneren, die Rechtssicherheit schafft. Diese erforderliche Grundgesetzänderung ist bisher an der ablehnenden Haltung der SPD gescheitert.

Sehr viel sinnvoller ist die Forderung nach mehr und besser ausgerüsteter Polizei. In den vergangenen Jahren wurden die Polizeikräfte von Bund und Ländern aus finanziellen Gründen drastisch reduziert. Die Sicherung der EU-Innengrenzen wurde für weitgehend verzichtbar gehalten und das Personal abgebaut. Deswegen überlegt man ja auch jetzt, abseits von „Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes“, die Bundeswehr zur Grenzsicherung einzusetzen. Durch den Personalabbau bei den Sicherheitskräften der letzten Jahre hat sich ein gewaltiger Ãœberstundenberg ergeben, der abgebaut werden muss. Deswegen sucht man jetzt nach Aushilfskräften, die die Lücken verfehlter Politik füllen sollen. Diese Diskussion zeigt, dass man ohne eine eindeutige Regelung im Grundgesetz nicht auskommen wird.

Darüber hinaus ist die Frage der Sinnhaftigkeit eines Einsatzes von Bundeswehrsoldaten im Inneren zu beantworten. Die Bundeswehr hat nach der überhasteten Aussetzung der Wehrpflicht erhebliche Personalersatzprobleme. Die Bundeswehr ist seit Jahren unterfinanziert, hat entsprechende Einsatzfähigkeitslücken, einen erheblichen materiellen Modernisierungsbedarf und ist - offiziell unwidersprochen - nach Aussagen des Bundeswehrverbandes ein „Sanierungsfall“. Seit dem 1. Januar 2016 gilt für die Bundeswehr - als Unikum europäischer Streitkräfte - die Europäische Arbeitszeitrichtlinie. Das hat einzelne Einheiten bereits an den Rand ihrer Funktionsfähigkeit gebracht. Die Soldaten der Bundeswehr sind für die Gewährleistung der äußeren Sicherheit mit Kriegswaffen ausgerüstet und für deren Gebrauch ausgebildet. Bis ein Polizist in hoheitlichem Auftrag eine einfache Faustfeuerwaffe führen darf, ist er drei Jahre lang intensiv, vor allem auch im Hinblick auf die Rechtssituation beim Gebrauch von Waffen zur Gewährleistung der inneren Sicherheit ausgebildet. Ein Soldat der Bundeswehr kann nach Grundausbildung und relativ kurzer Zusatzausbildung als Maschinengewehrschütze zur Gewährleistung der äußeren Sicherheit eingesetzt werden, natürlich unter anderen rechtlichen Rahmenbedingungen. Polizei und Bundeswehr können derzeit bei Einsätzen im Inneren nur sehr eingeschränkt miteinander kommunizieren, weil die Funkgeräte nicht kompatibel sind. Eine mögliche Zusammenarbeit ist bisher nicht geübt. Daraus folgt, dass ein Einsatz der Bundeswehr im Inneren derzeit aufgrund von personellen und materiellen Defiziten, aufgrund dafür unzureichender Ausbildung und wegen unzureichender Rechtssicherheit nicht sinnvoll ist.

Wenn zukünftig ein Einsatz der Bundeswehr im Inneren von einer parlamentarischen Mehrheit für erforderlich und zweckmäßig gehalten wird, dann sollte mit einer Grundgesetzänderung Rechtssicherheit hergestellt und auf dieser Grundlage die personellen, materiellen und einsatzbefähigenden Voraussetzungen für den Einsatz von Soldaten im Inneren geschaffen werden.

Mit Lückenbüßern, Hilfspolizisten sowie mit unzureichend ausgebildeten Reservisten und pensionierten Polizisten wird man die Qualität des Schutzes der Bürger vor Terroristen, professionellen Killern und lebensmüden, kriminellen Psychopaten nicht verbessern können. Kampf gegen Terrorismus erfordert Professionalität!

(28.07.2016)

 

 

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