Hans-Heinrich Dieter

Macron: richtige europĂ€ische Armee!   (07.11.2018)

 

Frankreichs PrĂ€sident Macron sieht Russland zunehmend als Bedrohung und - nicht erst seit der möglichen AufkĂŒndigung des INF-Vertrages – die USA als einen unsicheren Partner bei der GewĂ€hrleistung der europĂ€ischen Sicherheit. Und bei solchen Überlegungen ist immer wieder die Frage zu beantworten, ob die europĂ€ische Sicherheit vornehmlich europĂ€isch organisiert und gewĂ€hrleistet sein soll, oder ob die Sicherheit Europas sinnvoll nur mit einer europĂ€isierten NATO zu garantieren ist – insbesondere auch wegen der nuklearen AbschreckungsfĂ€higkeiten der USA.

Die Idee ist nicht neu. Im Juli 2017 hat sich Verteidigungsministerin von der Leyen im Vorfeld des deutsch-französischen Ministerrates, bei dem die zukĂŒnftige Sicherheitspolitik ein Schwerpunkt der Agenda war, fĂŒr „eine “Armee der EuropĂ€er” ausgesprochen, die souverĂ€n bleiben aber wesentlich stĂ€rker zusammenarbeiten soll“. Und sie war sich sicher, dass „wir am Ende dieses Jahres die europĂ€ische Verteidigungsunion gegrĂŒndet haben.“ Im Herbst 2017 hat PrĂ€sident Macron in seiner euphorischen Rede in der Sorbonne in Paris Visionen von grundlegenden Weiterentwicklungen der EuropĂ€ischen Union dargelegt und sich begeistert zu Europa bekannt. Er ist in dem Zusammenhang der Meinung, dass Europa bereits zu Beginn des nĂ€chsten Jahrzehnts eine handlungsfĂ€hige Eingreiftruppe, einen gemeinsamen Verteidigungshaushalt sowie eine gemeinsame Einsatzdoktrin braucht und will dazu eine Europaarmee in ErgĂ€nzung zur NATO aufbauen. Aus diesen ganzen Absichten ist bisher nicht viel Konkretes geworden. Denn diese sicher gut gemeinten ReformvorschlĂ€ge ĂŒbersehen, dass es wohl seit 1993 den Begriff einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) gibt, aber keine real definierte und angewandte gemeinsame diesbezĂŒgliche Politik der EU, und deswegen gibt es auch noch keine Grundlage fĂŒr eine gemeinsame Einsatzdoktrin. Es ist nicht bekannt, welche Mitglieder der vielfĂ€ltig zerstrittenen EU sich an einer Europaarmee beteiligen wĂŒrden, und außerdem sind Aufgabenabgrenzungen einer „europĂ€ischen Verteidigungsunion“ zur NATO, oder besser noch eine vertiefte Zusammenarbeit und Aufgabenteilung mit der NATO nicht geklĂ€rt. „Zu Beginn des nĂ€chsten Jahrzehnts“ wird die EU weder eine „handlungsfĂ€hige Eingreiftruppe“, noch einen „gemeinsamen Verteidigungshaushalt“ und auch keine „gemeinsame Einsatzdoktrin“ haben. Von der Leyens AnkĂŒndigungen und Macrons Vorstellungen sind diesbezĂŒglich also höchst illusionĂ€r. Da ist es fĂŒr unsere Sicherheit in Europa daher noch in langer Perspektive sehr gut, dass es die NATO gibt, die durch reale und tatkrĂ€ftige Sicherheitspolitik ĂŒberzeugt.

In seinem Aufruf im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten „100 Jahre nach Verdun“ verlangt Macron nun eine „richtige europĂ€ische Armee“. Die Diktion ist etwas verĂ€ndert, die Forderung bleibt illusorisch, auch wenn sie grundsĂ€tzlich richtig ist. Denn die positiv eingestellten EU-BĂŒrger wollen eine handlungsfĂ€hige Union, hauptsĂ€chlich auf den Problemfeldern Migration und FlĂŒchtlinge, gemeinsame TerrorbekĂ€mpfung, Verteidigungsanstrengungen mit der NATO sowie Klimawandel. Eine ĂŒberlebensfĂ€hige und handlungsstarke EU erfordert aber weniger euphorische Reden zur Weiterentwicklung auf der Basis der derzeitigen Struktur, sondern echte Struktur-Reformen, um die EU wirklich handlungsfĂ€hig zu machen und deswegen wollen die BĂŒrger ĂŒberzeugt werden, dass die EU ĂŒber die dringend notwendigen Reformen wirklich bereit und in der Lage ist, die Probleme anzupacken, nachhaltig zu lösen und das Leben der EU-BĂŒrger zu verbessern.

Dabei muss es derzeit doch wohl in der heillos zerstrittenen EuropĂ€ischen Union darum gehen, zunehmend nationalistisch und unsolidarisch agierende Mitglieder in die Wertegemeinschaft der EU zurĂŒckzuholen. Wenn das nicht gelingt, dann muss sich die EU neu erfinden und mit einem Kerneuropa der leistungsstarken und solidarischen Mitglieder eine tiefer integrierte EU weiterentwickeln und den unsolidarischen Staaten eine Vollmitgliedschaft zu den neuen Bedingungen oder eine privilegierte Partnerschaft anbieten. Auf einer solchen Grundlage kann man dann auch die EU zu einem „Zentrum der wirtschaftlichen Kraft Europas in der Welt“ – und darĂŒber hinaus – weiterentwickeln und nach einem Jahrzehnt sehr harter Arbeit vielleicht auch eine „richtige europĂ€ische Armee“ als starker Faktor im Rahmen der NATO einsatzfĂ€hig machen.

Damit eine solche Zielvorstellung realisiert werden kann, mĂŒsste allerdings das „friedensillusorische“ Deutschland ĂŒberzeugt werden, dass es seine Sicherheits- und Verteidigungspolitik konsequent auf die Verpflichtungen gegenĂŒber der NATO und der EU konzentriert und die dafĂŒr dringend erforderlichen, hohen Verteidigungsinvestitionen auch leistet. Vor 2031 wird die EinsatzfĂ€higkeit der deutschen StreitkrĂ€fte fĂŒr die Landes- und BĂŒndnisverteidigung nicht wiederhergestellt sein. Und die „Grande Armee“ ist nicht grande genug, um allein den Kern einer „richtigen europĂ€ischen Armee“ bilden zu können.

Die NATO ist fĂŒr die Sicherheit Europas noch lange unverzichtbar!

(07.11.2018)

 

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