Hans-Heinrich Dieter

Schlimmes und peinliches Versagen   (04.12.2019)

 

Die Ergebnisse der neuen PISA-Studie sind für Deutschland katastrophal. Deutschlands Schüler sind in vielen Bereichen zurückgefallen. Zum Beispiel beim Lesen auf das Niveau von 2009 und in der Mathematik sogar unter das Niveau von 2003.  In den schon immer schwach beherrschten Natur-wissenschaften ist der Leistungsabfall sogar noch gravierender. Und die schlimmste Nachricht macht einfach nur traurig und wütend: mittlerweile erreichen in unserer föderalen Bildungswüste mehr als 20 Prozent der 15-Jährigen nicht einmal Lese- und Schreibfähigkeiten auf Grundschulniveau. Die Zahl der Analphabeten, der Schulabgänger ohne Abschluss, der Nicht-Ausbildungsfähigen und der Studienabbrecher wird wohl wachsen!

Bildungswissenschaftler und verantwortliche Politiker beeilen sich zu betonen, dass Deutschland doch immerhin über dem OECD-Mittel liegt und heben – die abgedroschene These - hervor, dass die Ungleichheit und Schere zwischen Arm und Reich auch auf dem Bildungssektor wächst: „Kinder aus reichem Haus schneiden besser ab als Kinder aus eher sozialschwachen Haushalten, und zwar deutlich stärker als früher und auch deutlich größer als im OECD-Durchschnitt.“ Da fehlt nur noch, dass die Kinder gebildeter und bildungsbemühter Eltern in der Schule gemobbt werden!

Dieses schlimme und peinliche Staatsversagen ist nicht zu entschuldigen, denn der Reformbedarf ist spätestens seit dem PISA-Schock 2003 sattsam bekannt. Die Ursachen sind vielfältig. Die Länder haben deutlich zu wenige Lehrer, weil offensichtlich Statistiken über Pensionsalter und Lehramtsnachwuchs nicht richtig ausgewertet und entsprechende Maßnahmen nicht ergriffen wurden. Als Folge sind die Klassen häufig zu groß, es kommt zu erheblichem Schulstundenausfall, abgemagerte Not-Lehrpläne werden gebastelt und auch nicht immer realisiert und eine Individualförderung für leistungsschwache Schüler ist da kaum realisierbar. Und dieser personelle Notstand ist auch noch unter sehr schlechten materiellen Rahmenbedingungen zu bewältigen: Schulen in schlechtem baulichem sowie hygienischem Zustand und mit unzureichender Ausstattung für die Lehre. Nicht nur in digitaler Hinsicht ist Deutschland inzwischen ein Entwicklungsland in peinlichem Zustand! Unser nationales Problem: der Reformbedarf – wie in anderen Bereichen auch – ist bekannt und der Reformstau nicht zu übersehen, geeignete Maßnahmen werden in unserem „Weiter so!“-Trott aber nicht ergriffen!

Deswegen wird es schwer werden, diese Missstände zeitgerecht zu beheben. In den Bildungssektor muss auf jeden Fall deutlich mehr investiert werden. Der Lehrerberuf muss attraktiver gestaltet werden. Bildungsferne und sozialschwache Eltern müssen angehalten werden, ihren Kindern zumindest die deutsche Sprache besser zu vermitteln und sie zum Lesen anzuhalten, damit sie leichter gefördert werden können. Auch die leistungsstärkeren Kinder müssen individuell gefördert werden, denn auch der zukünftige Fachkräftemangel wird nicht dadurch behoben werden können, dass das Leistungsniveau in den Schulen durch sozialistische Gleichmacherei auf einen niedrigeren Level gedrückt wird. Und die Schulpflicht ist ohne Ausnahmen durchzusetzen, denn Schulschwänzer von heute sind potenzielle Sozialleistungsempfänger von morgen.

Und in diesem Zusammenhang sollte unser föderales Bildungssystem überdacht werden. Nicht wenige – hauptsächlich rot-grün oder links/rot/grün regierte -Länder sind ganz offensichtlich in der Schulpolitik überfordert. Deswegen ist es in Zeiten globaler Problembewältigung jede Mühe wert, unsere kleinstaatliche Bildungsgemengelage durch ein modernes, bundesweit einheitliches Schulsystem zu ersetzen.

Die Zeit drängt, denn peinliches Versagen der größten Volkswirtschaft in Europa in der Bildungspolitik darf sich nicht fortsetzen. Und Versagen in der Bildungspolitik ist nicht nur peinlich für das ehemalige „Land der Dichter und Denker“, sondern schlimm für die nachwachsende Generation. Ich habe sechs Enkel – davon drei bereits schulpflichtig -, ich interessiere mich für die schulischen Rahmenbedingungen und mache mir berechtigte Sorgen.

(04.12.2019)

 

 

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