Hans-Heinrich Dieter

Schweres Fahrwasser   (08.10.2014)

 

Die eingeschränkte Einsatzbereitschaft der Bundeswehr beschäftigt die deutsche und internationale Politik sowie die bundesdeutsche Öffentlichkeit. Die Medien ergehen sich teilweise in Hohn und Spott und alle zeigen sich erstaunt über das Ausmaß der Fähigkeitsdefizite der Streitkräfte, das Maß an Missmanagement und über die stark eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Rüstungsindustrie.

Dabei war den Politikern seit Jahren klar, dass die Bundeswehr unterfinanziert ist und von der Substanz lebt, dass Deutschland die Vereinbarungen mit der NATO, mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Verteidigungsfähigkeit zu investieren, nicht einhält, dass die Bundeswehr seit über 20 Jahren von einer kostenaufwendigen Struktur in die andere geschickt wird, dass die Streitkräfte in zahlreichen materialintensiven Auslandseinsätzen, darunter auch der Kriegseinsatz in Afghanistan, engagiert sind und gleichzeitig – nach einem misslungenen Bundeswehrreformansatz – einer unzureichenden und wohl nicht tragfähigen Neuausrichtung unterzogen werden, die ebenfalls anschubfinanziert werden muss und auch darüber hinaus Geld kostet.

Die streitkräftegemeinsame neue Struktur muss nun möglichst bald eingenommen werden. Die Material- und Ausrüstungsplanung ist auf Grundlage des neuen Fähigkeitsprofils umzusetzen, schwierige Vertragsverhandlungen mit der Rüstungsindustrie zur Reduzierung der Beschaffungen waren und sind zu führen - bisher wenig erfolgreich. Die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr ist für die laufenden Einsätze und darüber hinaus zu gewährleisten, ohne den Beitrag zur Haushaltskonsolidierung aus den Augen zu verlieren. Der geeignete Nachwuchs für die Bundeswehr muss in hinreichender Zahl gewonnen und in einer attraktiven Bundeswehr gehalten werden. Und die Streitkräfte sind hochmotiviert im Einsatz zu führen und gleichzeitig für die ungeliebte Neuausrichtung zu gewinnen. Diese Aufgabenfülle ist mit zunehmend weniger verfügbarem Personal nur schwer fehlerfrei zu bewältigen. Diese Auftragslage müsste den sicherheitspolitisch verantwortlichen Volksvertretern bekannt sein.

Auch die dringende Notwendigkeit, das Rüstungsmanagement zu reorganisieren und zu reformieren, ist spätestens seit den mutigen und größtenteils guten sowie zukunftsorientierten Vorschlägen der Weise-Kommission im Jahr 2010 bekannt. Zu Guttenberg hat den Bericht allerdings damals nur zur Kenntnis genommen aber nicht berücksichtigt. Wenn man die Vorschläge der Weise-Kommission zur Neuordnung des Rüstungswesens der Bundeswehr umgesetzt hätte, könnte man die Kosten für das jetzige KPMG-Gutachten gespart haben.

Dass die Bundeswehr sich in schwerem Fahrwasser bewegt, war jedem sicherheitspolitisch interessierten Bürger bekannt. Der Wehrbeauftragte der Bundeswehr berichtet dem Parlament seit Jahren, dass die Streitkräfte an die Grenzen der Belastbarkeit und Einsatzbereitschaft stoßen. Die verantwortlichen Parlamentarier haben aber für die Parlamentsarmee Bundeswehr nicht mit dem erforderlichen Verantwortungsbewusstsein Konsequenzen gezogen. Das sollten die Volksvertreter bei ihren Schuldzuweisungen immer berücksichtigen. Der Primat der Politik hat nicht nur mit politischer sondern auch auch mit realer Verantwortung zu tun. Die militärischen Führer müssen sich allerdings auch früher, deutlicher und fordernder - gegebenefalls auch öffentlich - zu Wort melden und auf Missstände hinweisen und dürfen nicht hinter dem Primat der Politik in Deckung gehen. 

Die Wiederherstellung der vollen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr wird Zeit und Geld kosten. Die Einsatzverpflichtungen müssen gewährleistet sein und die NATO-Vorgaben baldmöglichst wieder erfüllt werden. Dafür brauchen die Streitkräfte politische Unterstützung. Und die Streitkräfte brauchen nicht immer neue und zusätzliche Aufträge, sondern klare Vorgaben, welche deutschen sicherheitspolitischen Interessen zukünftig vorrangig sind, welche militärischen Fähigkeiten zukünftig unbedingt von der Bundeswehr erbracht werden müssen und welche Fähigkeiten europäisch oder von der NATO vorgehalten werden sollen.

Für Medien sind schlechte Nachrichten gute Nachrichten. Das Gute an den schlechten Nachrichten über die Bundeswehr ist, dass die Einsatzbereitschaftsproblematik der Öffentlichkeit bekannt geworden ist, eine an der Sache orientierte öffentliche Diskussion über die zukünftigen Verteidigungsausgaben geführt werden muss, die Notwendigkeit einer effizienteren europäischen Kooperation bei Rüstungsprojekten deutlich geworden ist, das Rüstungsmanagement reformiert und die Rüstungsindustrie stärker in die Pflicht genommen wird und dass Verteidigungsministerin von der Leyen erfolgreich handeln muss. 

(08.10.2014)

 

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http://www.hansheinrichdieter.de/html/eu-sicherheits-undverteidigung.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/kritikanderbundeswehrreform.html

 

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