Hans-Heinrich Dieter

Sehr traurig - aber wahr!   (05.05.2018)

 

Die Bundeswehr ist im größten Einsatzbereitschaftstief ihrer Geschichte. Das macht einen ehemaligen hochengagierten und überzeugten Soldaten traurig. Ankündigungsministerin von der Leyen hat unermüdlich von eingeleiteten Trendwenden Personal, Material, Rüstung und Infrastruktur gesprochen, in der Realität sind die Ergebnisse mehr als ernüchternd.

Die Bundeswehr hat zu wenige einsatzfähige Heeres-Divisionen, um die NATO-Zusagen zu erfüllen. Im Augenblick kämpft die Brigade, die als nächste die Aufgabe der NATO-Speerspitze (Very High Readiness Joint Task Force, VJTF) im Baltikum übernehmen soll, als Bittstellerin bei anderen Verbänden um Waffen, Ausrüstung und Gerät – und die für eine Krisensituation erforderliche Munition könnte ohnehin nicht hinreichend verfügbar gemacht werden.

Die Lage der Hauptwaffensysteme der Luftwaffe ist dramatisch schlecht, Euro-Fighter und Tornados sind übers Jahr zu weniger als 30% flugfähig, die Tornados entsprechen von ihrer technischen Ausstattung nicht mehr den NATO-Normen und wenn es um realen Kampfeinsatz geht, sind von den 128 Euro-Fightern nur vier einsatzfähig, weil für die anderen die erforderlichen Luftkampfraketen fehlen. Die Luftwaffe kann die deutschen NATO-Zusagen an einsatzbereiten Kampfflugzeugen nur zu einem sehr geringen Anteil erfüllen.

Die Marine hat ebenfalls zu wenige einsatzbereite Kampfschiffe. Von den nur sechs verfügbaren U-Booten sind derzeit alle sechs nicht einsatzfähig – um nur die gravierendste Einsatzbereitschaftslücke zu nennen. Die Bundeswehr leidet unter einer finanzierungsbedingten gravierenden Modernisierungs- Verschleppung und zusätzlich unter einem Instandsetzungsstau. Man muss feststellen, dass die Trendwenden Material und Rüstung bisher erfolglos sind.

Der desolate Stand der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr hat natürlich auch gravierende Auswirkungen auf das Personal und seine Moral. Mit der Trendwende Personal soll der Wettbewerb mit der Zivilwirtschaft um die besten Köpfe gewonnen und die Bundeswehr auf 198 000 Soldaten und Soldatinnen aufgestockt werden. Trotz massiver Werbemaßnahmen standen Ende Februar lediglich 179.753 Berufs- und Zeitsoldaten sowie freiwillig Wehrdienstleistende zur Verfügung. Der neue Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum (CIR) hat massive Probleme, das erforderliche IT-Personal zu verpflichten. Der Mangel an einsatzbereiten Flugzeugen der Luftwaffe verzögert „den Erwerb von fliegerischen Grundfähigkeiten junger Luftfahrzeugbesatzungen“ oder einfach ausgedrückt, der fliegerische Nachwuchs kann nicht effektiv ausgebildet werden und für die ausgebildeten Piloten sind nicht genug Flugstunden verfügbar, um alle nach NATO-Kriterien „combat ready“ zu halten. Das führt zu erheblichem Frust. Seit Jahresbeginn haben sieben Eurofighter-Piloten ihre Entlassungspapiere eingereicht. Dabei sind schon jetzt von 235 Planstellen für Jetpiloten nur rund 150 besetzt. Und 2017 büßten 19 von 129 Hubschrauberpiloten ihre Fluglizenzen ein, weil sie das Soll an Realflugstunden nicht erfüllen konnten - das ist mehr als jeder zehnte Pilot. Und der Marine fehlt in starkem Maße Fachpersonal - auch dieser Mangel hindert Schiffe am Auslaufen. Das sind – wenige von sehr vielen - traurigen, peinlichen, und sehr kostspieligen Sachverhalten, die auch zu einem Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Bundeswehr führen. Die „Trendwende Personal“ der Ankündigungsministerin ist bisher erfolglos.

Und sie wird aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, denn welcher kluge Kopf und welcher leistungsfähige, intelligente Mensch verpflichtet sich zum Dienst in nicht einsatzfähigen Streitkräften, deren NATO-Bündnisfähigkeit zur Debatte steht, denen die Bevölkerung höchstens ein freundliches Desinteresse entgegenbringt, die erkennbar schlecht und erfolglos politisch geleitet werden, die von verantwortungsarmen Politikern unserer parlamentarischen Demokratie zum „intensiven Sanierungsfall“ kaputtgespart wurden und die für immer mehr Auslandseinsatzverpflichtungen nicht hinreichend ausgerüstet und ausgestattet sind, um ihre Aufträge erfolgreich erfüllen zu können?

Und nun kündigt von der Leyen den erneuten Umbau der Streitkräfte an. Die Bundeswehr soll aufgrund der veränderten sicherheitspolitischen Lage wieder stärker auf die Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtet werden. In dem Zusammenhang fordert die Ministerin in dieser Legislaturperiode 12 Milliarden zusätzlich für die Bundeswehr. Von der Leyen zeigt sich hier erneut als – wenig vertrauenswürdige, vollmundige – Ankündigungsministerin. 2010 hat die NATO bereits ein neues strategisches Konzept der NATO verabschiedet, mit dem die Bündnisverteidigung wieder gleichrangig neben weltweite Einsätze gestellt wird. Deutschland hat 2010 dem Konzept zugestimmt, aber gleichzeitig die Bundeswehr mit ausschließlichem Schwerpunkt Auslandseinsätze umstrukturiert – da konnte man mehr sparen! Und im Weißbuch von 2016 ist schon festgehalten, dass Bündnis- und Landesverteidigung wieder gleichrangig neben den Auslandseinsätzen steht. Die Konzeption der Bundeswehr, die jetzt vorgelegt werden soll, konkretisiert lediglich die damalige Debatte.

Deutschland hat 2010 dem neuen NATO-Konzept zugestimmt und hat das Konzept wenig verantwortungsbewusst unterlaufen, um Geld zu sparen. 2014 hat Deutschland die Entscheidung der NATO mitgetragen, dass die Verteidigungsinvestitionen der Mitgliedsländer bis 2024 auf allmählich 2 Prozent am jeweiligen Brutto-Inlandsprodukt gesteigert werden sollen, hat sich aber bisher um diese Steigerung nicht bemüht und dümpelt derzeit bei peinlichen 1,2 Prozent herum. Von der Leyen weiß also schon lange um den sehr großen Finanzierungsbedarf zur Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr und hat das auch teilweise formuliert, aber sie hat real keine adäquate Steigerung des Verteidigungshaushaltes erreicht. Sie hat vielmehr eklatant versagt und in den Koalitionsverhandlungen für die aktuelle GroKo einen lächerlichen Zuwachs von jährlich 250 Millionen Euro akzeptiert. Darüber hinaus wird es nun mit der SPD kaum eine Steigerung geben. Das sind sehr schlechte Perspektiven für die Bundeswehr, für die deswegen Anspruch und Wirklichkeit auch in Zukunft deutlich auseinanderklaffen werden.

Es gilt auch in Zukunft der Primat der Politik über das Militär. Viele Politiker sind sich aber der Verantwortung, die mit diesem Primat verbunden ist, nicht bewusst und handeln deswegen auch nicht verantwortungsvoll im Sinne einer einsatzfähigen Bundeswehr. Und für die Bundeswehr kommt erschwerend hinzu, dass sie seit 2005 CDU-Verteidigungsministern untersteht, die ahnungslos, glücklos, erfolglos, teilweise auch instinktlos und führungsschwach agieren. Und das unter den Augen einer Kanzlerin, die konzeptionslos und planlos die Richtlinien der Politik ohne erkennbares Interesse und Verständnis für Sicherheitspolitik mehr oder weniger bestimmt.

(05.05.2018)

 

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