Hans-Heinrich Dieter

Sicherheitspolitische Eigentore   (10.04.2013)

 

Einem UN-Bericht zufolge kommen große Mengen an Waffen aus Libyen in die Krisenregionen und Bürgerkriegsgebiete Syrien und Mali. Islamistische Milizen haben sich aus den Arsenalen Gaddafis bedient, der Verbleib unzähliger schultergestützter Flugabwehrwaffen ist unklar. Das hat die islamistischen Terrorgruppierungen in der Sahelzone umso gefährlicher gemacht. Und für die islamistischen Milizen und die Stammesführer in Libyen sind die Waffen eine gute Einnahmequelle. Die schwache libysche Regierung, ihre desolate Verwaltung und die ungenügend einsatzbereiten libyschen Sicherheitskräfte haben weder die Autorität noch die Kraft, solche Waffengeschäfte der Milizen-Gruppen aus Islamisten, Terroristen, Gaddafi-Gegnern und Rebellen zu unterbinden. Die Sicherheitslage in Libyen ist dementsprechend desolat.

Der damalige Erfolg dieser Milizen gegen Gaddafi war nur möglich durch das von Frankreich initiierte Eingreifen von einer „Koalition der Willigen“ in den Bürgerkrieg und später durch die massive Luft-Unterstützung der Rebellen seitens der NATO, durch Ausbildungsunterstützung für die Rebellen z.B. von Frankreich, Italien und Großbritannien und durch umfangreiche Waffenlieferungen von Qatar und auch mehreren NATO-Mitgliedern an undefinierte Rebellengruppen ohne einheitliche legitimierte Führung - entgegen dem vom UN-Sicherheitsrat verhängten Waffenembargo. Außerdem hat die NATO durch ihre Bombardierungen von staatlichen und militärischen libyschen Einrichtungen die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich die Rebellen aus Gaddafis Lagern und Arsenalen bedienen konnten. Wenn heute auch teilweise die „Falschen“ immer noch bewaffnet sind, dann ist das von den waffenliefernden Staaten und von der NATO mit zu verantworten. Deswegen wurde die NATO auch mit Recht dafür kritisiert, dass sie das Waffenembargo nicht konsequent – auch gegen eigene Mitglieder - durchgesetzt hat.

Die Erfahrungen mit den Waffenlieferungen an die libyschen Milizen sind in der Rückschau insgesamt negativ, denn man darf objektiv einfach auch nicht außer Acht lassen, dass man mit der Bewaffnung der Rebellen im Bürgerkrieg immer Aufständische auch gegen einen Teil der Zivilbevölkerung bewaffnet sowie die dann gut bewaffneten Rebellen während des Bürgerkrieges und danach nicht zu kontrollieren sind. Das Ziel sollte anspruchsvoller definiert sein als „Gaddafi muss weg“ und der Zweck heiligt da nicht die Mittel, schon überhaupt nicht solche Mittel, die nicht legitimiert sind. Die Ironie der Geschichte ist, dass Frankreich in Mali gegen islamistische Rebellen kämpft, deren Bewaffnung sie mit veranlasst oder ermöglicht hat. Ein sicherheitspolitisches Eigentor. Im Fußball werden Trainer wegen geringerer Fehlleistungen ausgetauscht.

Leider lernen wir nur geringfügig aus Fehlern der Geschichte. Die syrische Opposition ist eine zerstrittene Gemengelage aus unterschiedlichen Gruppen religiöser und ideologischer Prägung ohne ein gemeinsames politisches Ziel, ohne gemeinsame Strategie und ohne gemeinsames Konzept, wenn man einmal von dem intellektuell wenig anspruchsvollen Ziel, „Assad muss weg!“, absieht. Diese Opposition ist zunehmend unterwandert von einflussreichen und kampferprobten nicht-syrischen islamistischen Terrorgruppierungen, wie die der Al Kaida nahestehende Al-Nusra-Front. Libysche Milizen verkaufen Waffen an die syrischen Aufständischen, Qatar liefert Waffen und die CIA versucht von der Türkei aus, die Waffenlieferungen aus unterschiedlichen Quellen an die Rebellen zu kontrollieren. Außerdem wird es gut ausgerüsteten und bewaffneten Rebellen gelingen können, sich Zugang zu Waffenlagern und auch Chemie-Waffen-Arsenalen Assads zu verschaffen. Und was passiert dann nach Erreichen des Ziels „Assad muss weg“? Zusätzliche Waffenlieferungen seitens der EU an die Rebellen wäre möglicherweise eine Vorlage für ein sicherheitspolitisches Eigentor.

In Libyen kam es damals zu Massakern und zahllosen Menschenrechtsverletzungen. In Syrien wird das – angesichts der bisherigen Erfahrungen - nicht anders sein. Die Islamisten werden versuchen, alle „Nichtgläubigen“, z.B. Alawiten, Schiiten und Christen, auszuschalten und auf der Grundlage der Scharia einen „Gottesstaat“ zu errichten. Das wird dann mit „arabischem Frühling“ und „1001 Nacht“ herzlich wenig zu tun haben.

Es gibt ganz offensichtlich genug Waffen in Syrien. Zusätzliche Lieferungen aus der EU scheinen da nicht geeignet, das Leiden der Bevölkerung zu mindern - im Gegenteil. Die EU sollte deswegen am Waffenembargo strikt festhalten, die humanitäre Unterstützung verstärken und weiter versuchen, Einfluss auf Russland und China auszuüben.

(10.04.2013)

 

 

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