Hans-Heinrich Dieter

Strategische Autonomie von EU-Staaten   (30.07.2017)

 

Im Vorfeld des letzten deutsch-französischen Ministerrates, bei dem die zukĂŒnftige Sicherheitspolitik ein Schwerpunkt der Agenda war, hat Verteidigungsministerin von der Leyen sich fĂŒr „eine Armee der EuropĂ€er, die souverĂ€n bleiben aber wesentlich stĂ€rker zusammenarbeiten soll“ ausgesprochen. Was aber eine „Armee der EuropĂ€er, die souverĂ€n bleiben…soll“ genau zu bedeuten hat, wusste die Ministerin da wohl selbst noch nicht. DarĂŒber hinaus ist eine „europĂ€ische Armee“ sehr weit von einer möglichen Realisierung entfernt - sie ist eine Illusion!

Nun wurde als Ergebnis dieses deutsch-französischen Ministerrates ein gemeinsamer Vorschlag fĂŒr die Ausgestaltung der „stĂ€ndigen strukturierten Zusammenarbeit“ bekannt. Diesem deutsch-französischen Vorschlag zur Folge soll die EuropĂ€ische Union in der Verteidigungspolitik eine „strategische Autonomie“ erreichen. Das Papier wurde inzwischen den EU-Staaten als „langfristige Vision“ zugeleitet, um zu entscheiden, ob sie sich an dieser verstĂ€rkten verteidigungspolitischen Zusammenarbeit beteiligen wollen. Dabei geht es darum, dass die teilnehmenden Staaten mittelfristig ĂŒber StreitkrĂ€fte verfĂŒgen sollen, die militĂ€rische Aufgaben in vollem Umfang wahrnehmen können – allerdings „in ErgĂ€nzung zur NATO, die weiterhin der Grundpfeiler der kollektiven Verteidigung ihrer Mitglieder sein wird“. Dazu sollen sich die Mitglieder verpflichten, einen Investitionsanteil von 2 Prozent des jeweiligen Brutto-Inlandsproduktes allmĂ€hlich zu realisieren - angelehnt an die bekannte NATO-Forderung. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini soll das bis Ende September in einem Konzept konkretisieren.

Wie hĂ€ufig bei der EU hat man den Eindruck, dass mit neuen Begriffen positives Denken initiiert und Hoffnung erzeugt werden soll, um von der derzeit desaströsen Lage der EU abzulenken. Wenn man genauer auf die Formulierungen schaut, fragt man sich, was „strategische Autonomie“ der EU genau bedeuten soll. Strategische Autonomie bedeutet doch in unserer derzeitigen sicherheitspolitischen Lage, dass das StaatenbĂŒndnis eigene strategische Vorstellungen hat und sich selbst verteidigen können muss. Die EU hat bisher keine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, geschweige denn gemeinsame strategische Vorstellungen. Und eine eigenstĂ€ndige Verteidigung kann die EU schon aufgrund der militĂ€rischen EinsatzfĂ€higkeiten der EU-Mitgliedstaaten, aber hauptsĂ€chlich auch wegen der minimalen nuklearen FĂ€higkeiten nicht gewĂ€hrleisten. Im Vergleich zu Russland ist Frankreich ein nuklearer Zwerg und Großbritannien wird sich einer europĂ€ischen „strategischen Autonomie“ nicht anschließen. Insofern ist schon der Begriff „strategische Autonomie“ irrefĂŒhrend und illusorisch.

Und wenn das Ganze lediglich „in ErgĂ€nzung zur NATO, die weiterhin der Grundpfeiler der kollektiven Verteidigung ihrer Mitglieder sein wird“, gesehen werden kann, dann fragt man sich, warum ein solcher, sicher auch sehr kostspieliger Popanz aufgebaut werden soll, wo es doch viel effektiver und auch effizienter wĂ€re, wenn die EU gemeinsame außen- und sicherheitspolitische Vorstellungen als Grundlage fĂŒr strategische Überlegungen entwickelt, mit der NATO abgleicht und auf dieser Grundlage eine enge und gleichzeitig arbeitsteilige Verzahnung ihrer Verteidigungspolitik mit der NATO erreicht. Da die ĂŒberwiegende Mehrheit der EU-Mitglieder auch NATO-Mitgliedstaaten sind, ergeben sich natĂŒrlich hervorragende Möglichkeiten der militĂ€rischen und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit sowie der RĂŒstungskooperation von einzelnen oder durch Gruppen von EU-Mitgliedstaaten innerhalb der NATO. Auch als enger Partner der NATO kann die EU ihre EigenstĂ€ndigkeit in der Sicherheitspolitik erweitern. Autonom kann die EU in der Verteidigungspolitik auf nicht absehbare Zeit schon wegen ihrer sehr stark eingeschrĂ€nkten nuklearen FĂ€higkeiten nicht werden.

(30.07.2017)

 

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